Lang & Heyne AntonManufaktur Edition
Nur fünf Exemplare des neuen Modells Anton mit Fliegendem Tourbillon werden produziert. Die Rechteckuhr ist längst zum Markenzeichen für Lang & Heyne geworden.
Die Städte Genf, La Chaux-de-Fonds und Le Locle sind Uhrenfreunden ein Begriff, auch Schaffhausen oder Glashütte in Sachsen. Aber Hölstein? Die 2000-Seelen-Gemeinde liegt ein bisschen versteckt in einem Tal an den Ausläufern des Schweizer Jura, etwa eine halbe Autostunde von Basel entfernt. Den Stammsitz des Uhrenhersteller Oris direkt an der Hauptdurchgangsstraße erkennt man sofort an seiner leuchtenden Fassade. Das war es dann aber auch schon mit den Auffälligkeiten. Betritt man den verwinkelten Gebäudekomplex, wird man von einer nüchternen Industriearchitektur empfangen. Dabei ist es egal, wohin man geht, ob ins Konstruktionsbüro, in die verschiedenen Abteilungen der Uhrenproduktion oder in die Servicewerkstatt. Die Botschaft, die diese Räumlichkeiten ausstrahlen, lautet: Hier wird seriös gearbeitet. Es ist alles da, um gute Uhren bauen zu können. Nicht mehr. Glamour und Bauernhaus-Romantik würden auch nicht zu Oris passen.
Das Unternehmen arbeitet immer noch im selben Gebäudekomplex, in dem es 1904 gegründet wurde. Die beiden Uhrmacher Paul Cattin und Georges Christian kauften die kurz zuvor geschlossene Uhrenfabrik Lohner & Co., um daraus ihr eigenes Uhrenunternehmen zu machen. Als Namensgeber diente ein kleiner Bach im Nachbartal – warum, ist nicht überliefert. Die Idee der Gründer: Sie wollten hochwertige mechanische Uhren mithilfe von effizienten industriellen Methoden herstellen. Um dieses ehrgeizige Vorhaben zu verwirklichen, bauten sie schnell einen Mitarbeiterstamm hoch qualifizierter Fachkräfte und moderne Fabriken auf. Im Jahr 1910 war Oris mit 300 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber der Region. Es wurden sogar Häuser für die Mitarbeiter errichtet, diese stehen heute noch, nur fünf Gehminuten vom Stammwerk entfernt.
Bis zum Jahr 1925 zählte das Unternehmen Fabriken an sechs Standorten. Darunter war ein hochmodernes Galvanisierwerk, das den Ruf von Oris unterstrich, ein fortschrittlicher Uhrenhersteller zu sein. Im Jahr 1936 folgte eine auf Zifferblätter spezialisierte Fabrik in Biel, und bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges hatte Oris seine höchste Leistungsfähigkeit und wirtschaftliche Unabhängigkeit erreicht. Jedoch forderte der Krieg auch von Oris Tribut. Der Vertrieb über die Grenzen der Schweiz hinaus war in erheblichem Maße eingeschränkt. Um das Geschäft am Leben zu erhalten, wurde mit der Herstellung von Weckern begonnen. Viele Menschen aus dieser Generation verbinden mit dem Namen Oris nach wie vor diese Wecker – was deren hohe Qualität unterstreicht.
Bis in die Mitte der 1950er Jahre hatte sich Oris zu einem modernen Hersteller mit hoher Fertigungstiefe entwickelt. Abgesehen von Zeigern, Spiralfedern und Schmucksteinen stellte das Unternehmen jedes einzelne Uhrenteil selbst her. Das Unternehmen begann mit der Entwicklung eigener Maschinen, um die Uhrenherstellung effizienter zu gestalten. Zu ihren Glanzzeiten zählte die Entwicklungs- und Ingenieurabteilung über 80 Mitarbeiter. Dank der vom damaligen Inhaber Oscar Herzog vorangetriebenen industriellen Revolution konnte Oris Uhrwerk um Uhrwerk auf den Markt bringen. So wurde das Unternehmen zum größten Arbeitgeber in der Region und zu einem der größten Uhrenhersteller in der Schweiz.
Oris verfolgte ein eigenes Lehrlingsprogramm, in dessen Rahmen Ingenieure und Uhrmacher ausgebildet wurden. Alljährlich schlossen bis zu 40 Lehrlinge dieses Programm ab. Mit über 800 Mitarbeitern und einer Produktion von 1,2 Millionen Uhren pro Jahr zählte Oris bis 1970 zu den zehn größten Uhrenherstellern der Welt. Die Zukunft sah rosig aus, doch dann kam die «Quarzkrise». Während der 1970er Jahre und zu Beginn der 1980er Jahre brach die Nachfrage nach Schweizer Uhren durch den Zufluss billiger Quarzuhren ein. Rund 900 Schweizer Uhrenhersteller gingen pleite, auch Oris wurde fast in die Knie gezwungen. Im festen Glauben an den Wert mechanischer Uhren und die Fähigkeiten der Oris-Uhrmacher kauften der Geschäftsführer Dr. Rolf Portmann und der Marketingleiter Ulrich W. Herzog im Jahr 1982 das Unternehmen. Gemeinsam stellten sie Oris wieder auf die Beine und belebten den industriellen Ansatz bei der Herstellung mechanischer Uhren neu. Mit dieser Ausrichtung legten die beiden neuen Besitzer den Grundstein für den aktuellen wirtschaftlichen Erfolg von Oris.
Da das Geld zu knapp war, um neue Uhrwerke von Grund auf zu entwickeln und herzustellen, wandte sich Oris der Entwicklung von Modulen zu, die mit hinzugekauften Werken kombiniert wurden. Diese Module erlaubten die Einführung praktischer Komplikationen und gaben den Oris-Uhren eine optische Eigenständigkeit. Dazu gehörte beispielsweise das 1984 eingeführte Modell Pointer Calendar mit Zeigerdatum, eine Komplikation, die noch heute in der Artix-Linie zu finden ist. Bemerkenswert ist auch das Kaliber 690 aus dem Jahr 1997, das mit einem hauseigenen Weltzeitmodul ausgestattet war. Per Knopfdruck ließ sich der Stundenzeiger in Stundenschritten vor- und zurückstellen, während in einem Hilfszifferblatt die Heimatzeit erhalten blieb.
Zum 110. Geburtstag der Marke im Jahr 2014 präsentierte Oris das erste eigene Uhrwerk der Neuzeit, das dem Anlass entsprechend Kaliber 110 genannt wurde und auf 110 Exemplare limitiert war. Es ist ein Handaufzugswerk, das mit nur einem Federhaus über zehn Tage Gangreserve verfügt und mit einer patentierten nichtlinearen Gangreserveanzeige ausgestattet ist. In den darauffolgenden Jahren kamen konsequente Weiterentwicklungen des Werkes, die stringent mit den Kalibernummern 111, 112 und 113 bezeichnet wurden. Fortsetzung folgt.
Im Gespräch mit Oris-CEO Rolf Studer
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