Lang & Heyne AntonManufaktur Edition
Nur fünf Exemplare des neuen Modells Anton mit Fliegendem Tourbillon werden produziert. Die Rechteckuhr ist längst zum Markenzeichen für Lang & Heyne geworden.
«Passt schon so.» Bei diesem Satz verzieht Firmeninhaber Markus Lehmann das Gesicht. Manufakturchefin Susanne Kleinig erklärt: «Passt schon so» sei eine Einstellung, die in ihrem Unternehmen keine Chance habe. Etwas nicht tadellos, sondern nur gerade so eben passend zu machen, entspricht nicht ihrer Erwartung an eine Uhr von Lehmann. Diese verlangt absolute Perfektion, quasi um jeden Preis. Ob bei der zweifarbigen Gestaltung von Brücken im Uhrwerk oder bei anspruchsvollen Zifferblättern – was nicht makellos ist, hat keine Chance in einer Lehmann-Uhr. Selbst wenn es, wie zuletzt bei der Dual Time, dadurch zu Lieferengpässen kommt, als von 300 gravierten Zifferblättern nach der Galvanik bei einem Zulieferer nur 13 so perfekt waren, dass sie verbaut werden konnten.
Perfektion ist folglich eine der Charakteristiken der Firma Lehmann Präzisionsuhren. Das hat viel mit dem Werdegang von Markus Lehmann zu tun. Der Unternehmer ist in Schramberg aufgewachsen, einst das Zentrum der Uhrenfertigung im Schwarzwald. Schon als Kind träumte er davon, Uhrmacher zu werden, doch die «Quarzkrise» machte diesen Wunsch zunichte, sodass Lehmann Ausbildungen zum Werkzeugmacher und Elektrotechniker absolvierte. Sein Weg führte ihn dennoch in die Schweizer Uhrenindustrie.
1998 kehrte Lehmann in die Heimat zurück und übernahm in Hardt die väterliche Firma, die damals mit sieben Mitarbeitern anspruchsvolle Drehteile im Bereich Prototypenbau und Kleinserienfertigung herstellte. Bald schon standen frühere Schweizer Geschäftspartner vor der Tür, um Lehmann von der Fertigung von Maschinen für die Komponentenherstellung zu überzeugen. Also wurden entsprechende Anlagen konstruiert und gefertigt – von Jahr zu Jahr erfolgreicher.
Etwa zehn Jahre nach der Übernahme des Familienunternehmens ließ Markus Lehmann seinen Kindheitstraum wiederaufleben und entwickelte nicht nur eine eigene Uhr, sondern auch die Idee zur eigenen Uhrenmarke – neben der bestehenden Firma Lehmann Präzision. Dabei ging es von Anfang an nicht nur um ein selbst entworfenes Design, sondern auch um eigene Uhrwerke. Unter Verwendung des Rädersatzes des Kalibers ETA 2892 und mithilfe des Schweizer Uhrmachers Andreas Strehler, einem persönlichen Freund, gelang diese Herausforderung.
Mit der fertigen Konstruktion war es aber noch nicht getan. Weiter ging es mit der Herstellung der Komponenten – schließlich verfügt man im eigenen Hause über die besten und präzisesten CNC-Maschinen, die ohnehin speziell für die Uhrenindustrie erdacht sind. Auch das entsprechende Wissen, Teile in sehr hoher Qualität fertigen zu können, findet sich im eigenen Hause. Bis heute bildet Lehmann Präzision damit nicht nur das wirtschaftliche Rückgrat der Uhrenmanufaktur, sondern vereint auch jede Menge Know-how über die Uhrenfertigung.
Markenzeichen mit Patent
Eine Krone, die sich förmlich an das Gehäuse schmiegt: Die versenkbare Krone ist ein Markenzeichen der Lehmann-Uhr, das bereits die ersten Modelle kennzeichnete. Nun wird dieses System durch ein Patent geschützt. Dessen wichtigstes Element ist ein Teleskopmechanismus, der die federnd gelagerte Krone im Gehäuse einrasten lässt und dafür sorgt, dass sie sich beim Ziehen in die Rastposition der bedienenden Hand entgegenbewegt. Das schützt die Krone und sorgt für eine harmonische Gehäuseoptik. Entwickelt wurde die Konstruktion von Markus Lehmann in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Uhrmacher Andreas Strehler.
In der Folge entstanden eigene Zeitmesser, mit denen sich Markus Lehmann 2011 an die Öffentlichkeit wagte, wo man schnell aufhorchte. Denn so manche Besonderheit macht die Uhren von Lehmann aus: Zeiger und Zifferblätter sind aus dem Vollen gefräst, Werkplatinen mit mikrofein geschnittenen Mustern verziert. Eine weitere Spezialität ist die an ihrem Umfang «hypoidverzahnte» Aufzugskrone (siehe Infokasten), die so eng am Gehäuse anliegt, dass sie darin fast verschwindet.
Ebenfalls ungewöhnlich ist der transparente Aufzugsrotor aus Saphirglas mit einer Schwermetall-Schwungmasse, der in jeder Position den Blick auf das Uhrwerk ermöglicht. Die Idee dazu kam von Markus Lehmann – allerdings musste er sich die Nutzung von dem Schweizer Uhrmacher Vianney Halter genehmigen lassen, der bereits ein Patent für eine derartige Konstruktion innehatte.
Ende 2013 wurden die ersten Lehmann-Uhren ausgeliefert, unter der Ägide von Susanne Kleinig, die seit 2012 die Uhrenmanufaktur in Schramberg leitet. In der Uhrenstadt im Schwarzwald wurde das Gut Berneck zum Zuhause für die junge Marke, ein burgähnliches Anwesen, das sich Arthur Junghans 1910 bis 1911 oberhalb von Schramberg erbauen ließ. Im Erdgeschoss der einstigen Fabrikantenvilla wurden die wesentlichen Abteilungen der Uhrenmanufaktur untergebracht: Auf zwei CNC-Maschinen werden einige der erforderlichen Komponenten gefertigt und dekoriert, der andere Teil entsteht bei Lehmann Präzision im wenige Minuten entfernten Ortsteil Hardt.
Für das Rohwerk werden Platine, Brücken, Kloben und Federhaus selbst hergestellt, ebenso alle Teile des Automatikaufzugs. Die Finissage, die sich gänzlich von den klassischen Dekorationen der Uhrmacherei unterscheidet, wird ebenfalls selbst vorgenommen. Am auffälligsten sind die geradlinigen Gravurmuster, die von einer Fräsmaschine fein eingeschnitten werden. Möglich machen das die Lehmann-Maschinen, die dank selbst entwickelter, ultraschnell drehender Spindeln besonders präzise arbeiten.
Charakteristisch bei der Dekoration ist eine Bicolor-Optik: Während die Vertiefungen vergoldet sind, ist der Rest der Oberfläche rhodiniert. Für diesen Effekt muss in mehreren Schritten galvanisiert und mithilfe eines Schutzlackes gearbeitet werden. Nachdem Zulieferer reihenweise an der Bicolor-Ausführung von Werkkomponenten gescheitert waren, baute man in der Manufaktur eine eigene kleine Galvanikabteilung auf. Dort kann nun nach den hohen Ansprüchen der Macher gearbeitet werden.
Auch andere Finissierungen werden von Hand vorgenommen: Brücken etwa werden entgratet und in verschiedenen Schritten poliert. Das findet in der Feinpolissage statt, wo auch alle anderen Bauteile landen, die dieser Behandlung bedürfen. Das kleine Rähmchen des Datumsfensters, Stundenmarker, Rotor und Werkkomponenten werden von Hand über verschieden feines Schleifpapier gezogen, um ein perfektes Finish zu erhalten. Hier werden Zeiger auch mit Leuchtmasse (Superluminova) beschichtet.
Direkt neben der Feinpolissage befindet sich ein anderer Polierraum mit selbst konstruierten und gebauten Poliermaschinen, die auf zwei langen Arbeitstischen aufgereiht sind. Hier werden Gehäuse bearbeitet – nach und nach an jeder Maschine. In dieser Abfolge und mit den entsprechenden Poliermitteln entsteht die perfekte Optik der Gehäuse. «Genau so, wie wir es brauchen», sagt Susanne Kleinig. «Es war ein Sprung nach vorn, Politur und Galvanik selbst machen zu können», beschreibt die Manufakturleiterin weiter. So wird die Fertigungstiefe nach und nach größer – eine Entwicklung, die sich fortsetzen soll. Laut Susanne Kleinig will man weitere Komponenten selbst fertigen. «Wir wachsen stetig – wie wir es aus eigener Kraft können», erklärt sie.
Derzeit werden der Rädersatz, Zugfeder und Spiralfeder, Lagersteine und kleinere Drehteile wie Kloben und Zapfen hinzugekauft. Komponenten der Hemmung werden in der Schweiz zum Teil auf Lehmann-Maschinen gefertigt. Die Weiterverarbeitung – etwa das Diamantieren des Unruhreifs und das Regulieren der Hemmung – findet dann wieder im eigenen Hause statt, genauer gesagt in der Uhrmacherwerkstatt im Gut Berneck. In einem großen Raum stehen sechs Uhrmachertische, jeder mit einer Überdruckhaube überbaut, um den Arbeitsplatz möglichst staubfrei zu halten.
Hier finden die wichtigsten Arbeiten in der Manufaktur statt: die Montage der Uhrwerke und ihr Einschalen. «Grundsätzlich baut der Uhrmacher eine Uhr auf, reguliert sie in Chronometernorm und schalt sie ein. Mitarbeiter, die noch nicht so geübt sind, machen allerdings erst bestimmte Baugruppen und arbeiten zu», schildert Susanne Kleinig. Diese Vorarbeiten betreffen zum Beispiel Gangreserve-Planetengetriebe und das Kronensystem.
Auch die Hemmungsbaugruppe wird separat bearbeitet – eine anspruchsvolle Aufgabe für versierte Uhrmacher. Sie beginnt mit dem Montieren der Spirale, die mithilfe einer speziellen Vorrichtung im Spiralklötzchenträger verklebt wird. Ebenfalls wichtige Schritte sind das Schieben der Paletten vom Anker, wobei die Paletten mit korrekter Eingriffstiefe ins Ankerrad eingestellt und verklebt werden, sowie das Auswuchten des Unruhreifs.
Der Aufbau der Uhrwerke beginnt mit dem Bestücken der Grundplatine. Es werden Stifte, Lagersteine und das Zentrumsrohr gesetzt, der Stoßsicherungsblock montiert und auf der Zifferblattseite die Aufzugsbaugruppe aufgebaut. Beim Einsetzen des Räderwerks wird das Höhenspiel eingestellt, dessen Maße bewusst enger toleriert sind, um die Deutsche Chronometernorm zu gewährleisten.
Nach und nach folgen weitere Komponenten: unter anderem die Federhausbrücke, das Federhaus, das Großbodenrad, die Automatikbrücke und schließlich die Hemmung. Über den Stoßsicherungsblock wird das Höhenspiel der Unruh eingestellt. Wenn alle Teile an ihrem Platz sind, werden das komplette Werk zerlegt, gereinigt, noch einmal frisch aufgebaut, die Aufzugsseite gefettet, das Räderwerk geölt, die Paletten geschmiert und die Decksteine des Stoßsicherungsblocks geölt. Nach dem Aufbau wird ein letztes Mal leicht nachreguliert, das Werk mit dem Zeigerstellmechanismus und den Teilen der Datumsschaltung ergänzt. Dann kann es eingeschalt werden.
Noch finden diese Arbeiten auf Gut Berneck statt, doch Ende 2018 steht eine große Veränderung an: Die beiden Geschäftszweige von Markus Lehmann, Lehmann Präzision und die Uhrenmanufaktur, ziehen unter ein gemeinsames Dach. Damit verlässt Lehmann die historische Fabrikantenvilla, die 2017 von der Stadt Schramberg an den Unternehmer Hans-Jochem Steim verkauft wurde, der Inhaber der Firma Junghans ist.
Am Standort von Lehmann Präzision im wenige Kilometer entfernten Hardt wird derzeit eifrig an der neuen Uhrenmanufaktur gebaut: Es entsteht ein klassisch-modernes Produktionsgebäude, das ganz auf die Bedürfnisse der Uhrenfertigung abgestimmt ist. Neben Raum für Feinmechanik und Polissage sind auch zwei große Uhrmacherateliers für die Montage im Bau. Susanne Kleinig freut sich auf die Veränderung: «Dort erhalten wir eine Umgebung, die hochwertiges Arbeiten erleichtert – mit Reinräumen und moderner Umgebung.» Neu wird auch eine Kundenlounge sein, in der die Manufakturbesucher künftig empfangen werden. Denn auch am neuen Standort wird sich Lehmann Präzisionsuhren offen geben und Einblicke in die Fertigung ermöglichen. «Die Besucher können sehen und begreifen, dass wir das halten, was wir versprechen», sagt Markus Lehmann. Und da seine Uhren dann nicht mehr in Schramberg entstehen, setzt er nun auf eine neue Herkunftsbezeichnung – den Schwarzwald.
Text: Iris Wimmer-Olbort
«Wir halten, was wir versprechen»
Die Kollektion Intemporal von Lehmann Präzisionsuhren umfasst insgesamt rund 60 verschiedene Referenzen, die sich im Hinblick auf Zifferblattfarben und Gehäusematerialien unterscheiden. Die Basis für die verschiedenen Varianten sind fünf Grundmodelle sowie ein Tourbillon.
Den Einstieg in die Welt von Lehmann Uhren bietet die Automatikuhr Fensterdatum Basic für 5450 Euro. Ihr Uhrwerk mit einem durchbrochen gestalteten Rotor ist in einem 38 Millimeter großen Gehäuse untergebracht. Im Gegensatz dazu verfügen die exklusiveren Modelle, deren Preis im Durchschnitt bei 10.000 Euro liegt, über einen Saphirglasrotor nach einer Entwicklung von Vianney Halter. Zu diesen Uhren zählen die Modelle Fensterdatum und Zeigerdatum mit jeweils entsprechender Datumsanzeige. Die Version Zeigerdatum mit einem blauen Zifferblatt war im vergangenen Jahr das bestverkaufte und beliebteste Modell.
Die Weiterentwicklungen Gangreserve Fensterdatum und Gangreserve Zeigerdatum bieten zusätzlich ein Sichtfenster an der Gehäuseseite zwischen den Hörnern: Hier lässt sich die Energiereserve der Zugfeder ablesen.
Interessante Materialvarianten bieten das Modell Fensterdatum Keramik sowie Golduhren. Im Inneren der Modelle Fensterdatum und Zeigerdatum arbeiten die hauseigenen Automatikkaliber LS3 und LS4, in den Gangreservemodellen die Automatikkaliber LS8 und LS9. Sie alle beruhen auf dem gleichen Basiswerk.
2016 stellte Lehmann Präzisionsuhren das jüngste Modell vor, die Dual Time mit einem 24-Stunden-Hilfszifferblatt bei der «6» zur Anzeige einer zweiten Zeitzone. Das Uhrwerk dieses Modells, das neue Kaliber LS6, wurde seitdem weiter optimiert, sodass nun die ersten Modelle vor der Auslieferung stehen.
Askania – die Berliner Uhrenmarke
D. Dornblüth & Sohn aus Kalbe/Milde
Junghans Museum im Terrassenbau
TEIL 1: Südschwarzwald – von Hanhart bis Lehmann und Jacques Etoile
TEIL 2: Junghans in Schramberg
TEIL 3: Nordschwarzwald und rund um Pforzheim