Patek Philippe

TRÈS HAUTE HORLOGERIE

Die Uhrenmarke Patek Philippe gibt es nun schon seit über 175 Jahren, und der Name war stets mit technisch außergewöhnlichen, hochwertigen Uhren verknüpft. Auch heute noch ist Patek Philippe die unbestrittene Nummer eins der Schweizer Uhrenindustrie, vielleicht sogar mehr denn je. «Wir wollen die Besten sein», pflegte Philippe Stern stets zu sagen, der das Unternehmen jahrzehntelang in der dritten Generation führte und die Leitung der Firma 2009 an seinen Sohn Thierry übergab.

Die Erfüllung des Leitsatzes ist nicht einfach ein Ziel des früheren Firmenchefs, das man erst noch zu erreichen gedenkt. Vielmehr erscheint dieser schlichte Satz als unumstößliche Basis des Unternehmens, geradezu wie ein Dogma.

Patek Philippe ist eine handwerklich orientierte, aber industriell geprägte Firma mit mehr als 1700 Angestellten, die sich Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von erheblicher Größe leistet. Die es sich im Hinblick auf Markentreue und Preis-Hygiene erlauben kann, die Produktion eines Uhrenmodells vorübergehend einzustellen, weil es irgendwo auf dem Globus mit zu hohen Rabatten gehandelt wird.

Patek Philippe kann es sich leisten, eine hoch komplizierte, astronomische Armbanduhr namens Sky-Moon Tourbillon zum Preis von knapp einer Million Euro in der regulären Kollektion anzubieten. Auch die Liste der erzielten Auktionspreise für Sammleruhren wird von der Jubiläumsmarke angeführt: Als teuerste jemals versteigerte Uhr kam beispielsweise im November 1999 die «Graves-Uhr» bei Sotheby’s in New York für die unglaubliche Summe von 17 Millionen Schweizer Franken unter den Hammer. Die in den Jahren 1928 bis 1933 konstruierte Uhr (natürlich noch ohne Computer) wurde seinerzeit für den Bankier Henry Graves jun. gebaut – von Patek Philippe.

Mikromaschinenbau

Die Manufaktur Patek Philippe hält augenblicklich rund 80 Patente, was vor dem Hintergrund der gefeierten Jubiläumsjahre ungefähr einer neuen Patent-Anmeldung alle zwei Jahre entspricht. Allerdings wurden schon allein für die Calibre 89, die komplizierteste Taschenuhr der Welt, zwölf wichtige Patente angemeldet. Die daran erkennbare Unregelmäßigkeit verdeutlicht unter anderem, dass Zeichner, Ingenieure, Uhrmacher, Mechaniker und Designer an vielen unterschiedlichen Projekten gleichzeitig arbeiten. Dem zugrunde liegt wiederum eine andere Eigensicht, die verkürzt lautet: «Wir machen alles selbst.»

Willkommen in der Uhrwerk-Produktion, die sich bei Patek Philippe vom Rohmateriallager, in dem Dutzende von Stangen aus Stahl, Neusilber, Titan oder Messing aufbewahrt werden, bis zur Einschalung der fertigen Uhrwerke in der Endmontage-Werkstatt verfolgen lässt, Schritt für Schritt. Aus den Materialstangen, die etwa 60 Millimeter Durchmesser und eine Länge von drei Metern haben, werden Platinen, Brücken, Räder, Triebe, Federn und Hebel gefertigt. Für die Herstellung von Stahl- und Messingteilen betreibt man mehr als 400 Werkzeugmaschinen und hochfeine Präzisionsgeräte, darunter auch Stanzmaschinen.

Bei Patek Philippe werden neben vertrauten Arbeitsmethoden und Geräten auch ständig neue Fertigungsmaschinen in Gebrauch genommen. Zur Gratentfernung an den Kanten der Werkplatten-Rohlinge aus Messing oder Neusilber setzt man neuerdings einen Wasserstrahl mit einem Druck von 800 bar ein. Auch die hochpräzise Technik der Draht- oder Elektroerosion kommt zum Einsatz, bei der ein hauchdünner, Strom führender Draht in speziell behandeltem Wasser einen Mini-Lichtbogen erzeugt. Dieser schneidet jede Metallart so fein, dass die so erzeugten Werkkomponenten im Grunde ohne weitere Nacharbeit einbaufähig sind.

Danach beginnt die Veredelung der Teile, die flachgeschliffen und poliert, perliert oder mit Genfer Streifenschliff (Côtes de Genève) dekoriert werden. Manche Oberflächenarbeiten dienen ausschließlich der Verschönerung der Uhrwerke. Bei anderen Werkteilen, beispielsweise Funktionsfedern für Chronographen, haben Polituren einen handfesten technischen Grund. An den winzigen Zahnradgetrieben im Uhrwerk lässt sich gut erklären, warum diese von so großer Wichtigkeit für ein leichtgängiges Uhrwerk sind.

Chronograph Ewiger Kalender, Ref. 5270G
Chronograph Ewiger Kalender, Ref. 5270G in Weißgold, Ø 41 mm, Höhe 12,4 mm. Patek Philippe Kaliber CH 29 535 PS Q mit automatischem Aufzug.

Die gefrästen Zahnflanken, also die Flächen zwischen den Zähnen, werden mit einem Poliermittel und rotierenden Scheiben aus hartem Buchenholz poliert. Das dient einerseits dem besseren Aussehen der Teile, andererseits aber auch dazu, die kraftzehrende Reibung im Uhrwerk zu vermindern. Obwohl die gefrästen Zähne beim Blick durch die Lupe schon sehr glatt aussehen, macht erst die Betrachtung unter einem der Mikroskope, die in vielen Abteilungen zur optischen Kontrolle der Uhrenteile stehen, den Unterschied zwischen polierten und unpolierten Zähnen deutlich: Raue Asphaltstraße und ungenutzte Eislaufbahn wäre ein passender Vergleich.

Der vom lateinischen Wort «manus» (Hand) abgeleitete Begriff Manufaktur ist auch bei Patek Philippe nicht ganz wörtlich zu nehmen, denn natürlich kommen bei vielen Arbeiten auch Maschinen und mechanische Werkzeuge zum Einsatz. Die eigentliche Schleifarbeit beim Aufbringen des Wölkchenschliffs (Perlierung) auf Platinen und Kloben beispielsweise wird zwar mit einer kleinen Schleifmaschine gemacht, das zu verzierende Uhrenteil wird aber von Hand geführt, weil es keine Maschine gibt, die diese Arbeit vollautomatisch so verrichten könnte, wie man es bei Patek Philippe wünscht. Dies ist eine generelle Richtlinie und gilt für alle Schleif- und Polierarbeiten. Der Schliff für ein Werk wird stets von jeweils einer Person durchgeführt, weil ein «Personalwechsel» während der zwangsläufig sehr individuellen Schleifarbeit nach deren Vollendung deutlich sichtbar wäre.

Das Siegel

Als 2009 mit dem Patek-Philippe-Siegel eine Uhrenmarke ihren Produkten erstmals die überlegene Qualität selbst bescheinigte, löste diese Meldung Kopfschütteln in der Branche aus. Das Siegel umfasst auch das ganze Know-how und alle Spezialkenntnisse, die für die Fertigung, Ganggenauigkeit und den Unterhalt einer Uhr erforderlich sind. Das Siegel gilt für die Uhr in ihrer Gesamtheit und ist das einzige Gütesiegel, das die Wartung der Uhr während ihrer ganzen Lebenszeit und unabhängig vom Herstellungsdatum garantiert. Es ist Gegenstand eines detaillierten Reglements, dessen Einhaltung von unabhängigen Instanzen überwacht wird. Das Siegel verkörpert alle Wert- und Qualitätsvorstellungen des Unternehmens, für welche die Herren Stern persönlich als wichtigste Garanten einstehen. Als einzige Uhrenmarke der Welt leistet Patek Philippe den Kunden des Hauses eine «lebenslange» Qualität, ganz gleich, wo und wann die Uhr gekauft wurde. Wer seinen Kunden mit solcher Kulanz gegenübertritt, muss seine Produkte zuvor sorgfältig prüfen, wie beispielsweise bei den «600 Stunden». Bei diesem Vorgang werden die Uhrwerke unter verschiedenen Bedingungen und zu unterschiedlichen Konditionen über einen Zeitraum von 600 Stunden getestet.

Road Movie

Auf dem Betriebsgelände entstanden in den letzten Jahren noch zwei weitere Produktionsgebäude, hinter denen sich das alte Schlösschen wie eine Puppenstube ausnimmt.

«Patek bewegt sich», scherzt man bei den Uhrenhäusern in der Nachbarschaft. Das Bonmot zielt auf die rege Bautätigkeit der alten Marke, die häufig Immobilien errichten lässt, mietet oder kauft, weil das zuletzt erworbene Gebäude wegen des stetigen Wachstums schon wieder zu klein geworden ist. Als gutes Beispiel zeigt sich das heutige Hauptgebäude im Genfer Vorort Plan-les-Ouates, das bereits zu klein war, als die Gerüste noch standen. Auf einem Gelände von 28.600 m2 entstand seinerzeit nach den neuesten Erkenntnissen der Industrie-Architektur und des Umweltschutzes ein vorwiegend aus Stahl, Glas und poliertem rosa Granit bestehender Firmenneubau, der unter den Gebäuden der Uhrenindustrie eine ebenso herausragende und ungewöhnliche Stellung einnimmt wie die Uhren von Patek Philippe im Spektrum der Schweizer Uhrenindustrie selbst.

Man betritt das Hauptgebäude über einen beidseitig von Wasserbecken mit Springbrunnen gesäumten Weg, über den sich eine riesige Spirale spannt, die nach den Plänen eines Genfer Künstlers von einem italienischen Unternehmen der Raumfahrtindustrie in 5000 Arbeitsstunden aus Edelstahl gefertigt wurde und eine Gesamtlänge von 82 Metern hat.Die elegante, fast nur aus Glas bestehende Eingangshalle ist zur Linken mit einem Relief verziert, das in vieltausendfacher Vergrößerung Teile des berühmten Calibre 89 darstellt. Gegenüber schwingt in beruhigender Langsamkeit das mit dem Firmensymbol Calatrava-Kreuz verzierte Riesenpendel einer rund sechs Meter hohen Wanduhr des Uhrenkünstlers Jean Kazès.

An der Rückseite der Halle, die sich über die gesamte Höhe des Gebäudes erstreckt, kann man in die vier Etagen schauen, die hier als große Balustraden enden.Bis zum Einzug in das neue Domizil waren die verschiedenen Abteilungen der Manufaktur zeitweilig auf sieben Gebäude überall im Stadtgebiet von Genf verteilt, was natürlich viel Zeit und Organisation erforderte. Heute sind hier die gesamte Administration und die Geschäftsleitung untergebracht, denn das Wachstum setzt sich natürlich auch im Rechnungswesen fort. «Ich glaube», sagt Philippe Stern, «dass es sehr wichtig ist, dass die Mitarbeiter jetzt zusammen sind und sich kennen. Früher haben die Leute in mindestens sieben großen Gruppen gearbeitet, die über ganz Genf verteilt waren. Sie haben also nie das fertige Produkt gesehen, sondern immer nur den Teil davon, den sie gemacht haben, und nicht das, was andere Mitarbeiter produzierten. Jetzt sind sie zusammen und diskutieren über ihre Arbeit, die Stimmung ist viel besser geworden.»

Gleichheitsprinzip

Alle Uhrwerke von Patek Philippe werden mit dem gleichen handwerklichen Aufwand hergestellt, Qualitätsunterschiede zwischen den einzelnen Kalibern gibt es nicht. Selbst die Mechanikteile der Quarzuhren werden mit der gleichen Sorgfalt gefertigt wie die mechanischen Kaliber. Ihr Anteil an der Produktion ist heute auf die rund 20.000 Damenuhren beschränkt. Quarz-Herrenuhren werden von Patek Philippe schon seit Jahren nicht mehr hergestellt.

Großen Wert legt man auch auf eine übersichtliche Modellpalette, die sich im Wesentlichen auf fünf Modellfamilien beschränkt. Als «die Patek Philippe» gilt seit Jahrzehnten das Modell Calatrava, das mit schlichter Dreizeiger-Zeitanzeige oder übersichtlichen Komplikationen produziert wird und fast als Inkarnation der klassischen Armbanduhr bezeichnet werden kann. Das Modell Gondolo entstammt einer Geschäftsbeziehung mit einem Juwelier in Buenos Aires und ist seit 1993 mit Tonneau- oder Rechteck-Gehäuse erhältlich. Das Modell Ellipse d’Or steht für elegante Uhren, die beide Geschlechter ansprechen. Für das maskuline Design der Nautilus zeichnete in den 1970er Jahren kein Geringerer als Gérald Genta verantwortlich. Die Aquanaut ist eine sportliche Uhr, die auch jüngere Kunden anspricht.

Bei allem Erfindungsgeist, der die Manufaktur auszeichnet, ist das Design – insbesondere bei den Komplikationsuhren – überaus klassisch und lässt manche Modelle fast wie Relikte aus einer anderen Zeit wirken. Während andere Uhrenmarken schon in Schwierigkeiten kamen, weil das Aussehen ihrer Uhren mit der Zeit langweilig und altbacken anmutete, scheint auch das bei Patek Philippe anders zu sein: Präsident Thierry Stern jedenfalls antwortet auf die Frage, ob das überlieferte Design von den Käufern ausdrücklich gewünscht sei, mit einem knappen «Ja!».

Es ist ihm anzusehen, dass er gern der Präsident von Patek Philippe ist, der renommiertesten Uhrenmarke der Welt, und Thierry Stern versteht es, seine Fröhlichkeit auf andere zu übertragen. Zusammen mit seinem Vater Philippe und dem Patek-Philippe-Generaldirektor Claude Pény leitet er die Firma seit fünf Jahren als Präsident. Thierry Sterns heutige Position erlaubt es ihm, sich auch etwas mehr um die Abteilung «Forschung und Entwicklung» zu kümmern.

Die neue Pulsomax-Hemmung wurde in ein bereits vorhandenes Automatikuhrwerk eingebaut, was natürlich mit deutlich geringerem Risiko verbunden ist als die Konstruktion eines vollständig neuen Uhrwerks. Außerdem lässt sich die in ihrer Wirkungsweise recht konventionelle Silizium-Ankerhemmung jederzeit wieder auf Stahl zurückrüsten, falls die Langzeithaltbarkeit zu wünschen übrig ließe. Bislang gibt es hierzu nämlich noch keine belastbaren Studien.

Die Pulsomax-Hemmung arbeitet dank ihrer optimierten Geometrie mit einem höheren Wirkungsgrad, sie steht der klassischen Schweizer Ankerhemmung hinsichtlich Zuverlässigkeit und Robustheit jedoch in nichts nach. Vielmehr wurden deren Funktionen aufgrund der hohen Fertigungspräzision des DRIE-Tiefätzverfahrens noch optimiert. Das Verfahren («Deep Reactive Ion Etching») garantiert äußerste Präzision im Produktionsprozess und schafft außerordentlich glatte Flächen mit extrem geringer Reibung.

Durch eine weitere Verbesserung des DRIE-Verfahrens ist man heute auch dazu imstande, dreidimensionale Teile mit Stufen oder Absätzen herzustellen. Bei Patek Philippe konnte so der traditionelle Anker neu gestaltet werden, der unterhalb seiner Gabel für den Unruhhebelstift noch einen Sicherheitsstift trägt, der ein Ausschwingen der Unruh bei Erschütterungen verhindert. Das neue Produktionsverfahren ermöglicht ein völlig neues Design des Gabelendes, das nicht länger mit einem Klötzchen für den Sicherheitsstift versehen werden muss. Vielmehr sind die Enden der Gabelhörner durch eine Brücke mit einer kleinen Einbuchtung verbunden, welche die Funktion des Sicherheitsstiftes übernimmt. Darüber hinaus hat man den gesamten Ankerkörper und die Stellung der Hebeflächen (Hebungswinkel) geändert, um einen höheren Wirkungsgrad zu erreichen.

Fortschritt und Tradition

Immer wieder beeindruckend ist bei Patek Philippe die perfekte Synthese von modernen Fertigungsverfahren mit vollautomatischen computergesteuerten Maschinen und alter Handwerkskunst, die zum Teil auf handgetriebenen Maschinen aus dem 19. Jahrhundert praktiziert wird. In der großen Service-Abteilung, in der alte Patek-Philippe-Uhren repariert werden, bevorzugen die Uhrmacher die Arbeit mit alten Maschinen und viel Handarbeit. In anderen Räumen der Manufaktur sieht man nur noch CNC-Maschinen und keine Menschen mehr. Doch die mit diesen modernen Maschinen produzierten Teile verrichten ihren Dienst später vielleicht in einer Uhr, deren Gehäuse mit einer über hundert Jahre alten Guillochiermaschine verziert wurde. Auch die anlässlich des 175. Geburtstags der Marke in Genf lancierten Jubiläumsmodelle tragen die technische und stilistische Synthese von Tradition und Fortschritt in sich.



Interessieren Sie sich für die ganze Geschichte?

Dann kommen Sie mit uns auf die Reise durch 175 Jahre Patek Philippe.

Text: Gerhard Claußen
Bilder: Rainer Fromm und Patek Philippe

Entdecken Sie in unsere Reihe «Hinter die Kulissen» die Arbeit in Manufakturen und Ateliers:

Breguet: Auf den Spuren des Meisters

Carl F. Bucherer: Junge Marke – lange Tradition

Manufakturbesuch bei Lehmann Präzisionsuhren

Oris: So tickt es in Hölstein

Werkstattbesuch bei Patek Philippe Deutschland

Sellita Watch: Einblicke beim Werkehersteller

Tutima: Blick in die Glashütter Ateliers

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