Made in Germany

D. Dornblüth & Sohn

In der Werkstatt des Uhrmachermeisters Dirk Dornblüth werden mit großem handwerklichem Aufwand klassisch gezeichnete Handaufzugsuhren hergestellt – nach Prinzipien und Methoden wie aus dem Lehrbuch von 1962, als Dirks Vater Dieter Dornblüth sich in Kalbe/Milde niederließ. Und zum Teil auch noch auf denselben Maschinen.
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Die Mannschaft von Dirk Dornblüth (2. v. r.) ist zur Hälfte eine «Frauschaft». Gemeinsam produziert sie in Kalbe/Milde um die 150 Uhren pro Jahr.

Die Kleinstadt Kalbe liegt abseits der großen Routen in der idyllischen Altmark, etwa auf halbem Weg zwischen Hannover und Berlin in Sachsen-Anhalt, doch wer hinsichtlich Dornblüths Firmenadresse («Westpromenade») an ein herrschaftliches Stadtpalais denkt, wird überrascht. Die Wirkstätte von inzwischen zehn Uhr- und Werkzeugmachern sowie Facharbeiterinnen und Facharbeitern für die Bearbeitung, Finissage, Verpackung und den Versand der Uhren liegt in einem schmucken Haus im Grünen, das ohne Weiteres auch als Familiendomizil durchgehen würde. Kein Palast also, aber auch von Fabrikatmosphäre keine Spur, obwohl es in den zwei Etagen recht betriebsam zugeht. Pro Jahr entstehen hier schließlich 150 bis 200 Uhren, und das in beeindruckender Fertigungstiefe, quasi von der ersten Schraube bis zum fertigen Zeitmesser.

Das Vater-Sohn-Projekt

Die Zeitmesser von D. Dornblüth & Sohn sind in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Armbanduhren mit Handaufzugswerk, ausgestattet mit Schraubenunruh, Schwanenhals-Feinregulierung und Zusatzfunktionen wie eine ausgeklügelte selbst entwickelte Gangreserveanzeige, eine 24-Stunden-Anzeige oder ein Zeigerdatum. Als Basis für das Kaliber 99 diente zur Jahrtausendwende der Rädersatz des bewährten «Unitas»-Kalibers, dem letzten in Großserie produzierten Schweizer Taschenuhrwerk, das Dornblüth unter einer Dreiviertelplatine nach Glashütter Vorbild arrangierte.
Die Geschichte des «Dornblüth-Kalibers» geht nämlich zurück bis in die 1960er Jahre. Damals hatte Vater Dieter Dornblüth, noch in seiner Uhrmacherausbildung im Erzgebirge, die ersten Skizzen zu einem eigenen Uhrwerk zu Papier gebracht. Er musste diese Pläne auf Eis legen, denn die Uhrmacherwerkstatt samt Uhrengeschäft in Kalbe/Milde, die er 1962 übernehmen konnte, ließ ihm fortan keine freie Minute mehr. Und von der damaligen DDR-Führung war keine Unterstützung für die Träume eines kleinen Handwerkers zu erwarten.
Vollendet wurde das Werk erst mithilfe des Sohnes Dirk im wiedervereinten Deutschland. Dieser hatte dem Vater 1999 zum 60. Geburtstag eine selbst gebaute Armbanduhr mit einem modifizierten Glashütter Kaliber 60.3 geschenkt, woraufhin sich der Jubilar an die Pläne in seiner Schreibtischschublade erinnerte – von denen bis dato niemand etwas wusste. Noch am Abend nach der Geburtstagsfeier begannen Vater und Sohn gemeinsam mit der Konstruktion und Entwicklung des Dornblüth Kalibers 99.

Dirk Dornblüth Baureihe 99 mit Weltzeit
Neu in der Baureihe 99 ist die WELTzeit AUF & AB, deren Haupt-Stundenzeiger sich über den Drücker bei der «2» schrittweise verstellen lässt, während der kleine 24-Stunden-Zeiger die Heimatzeit konserviert.

Die eigene Uhrenmarke

Was die Uhren von D. Dornblüth & Sohn von Beginn an auszeichnet, ist der hohe Grad der handwerklichen Finissage, der von anglierten Kanten und polierten Stahlteilen über Anreibevergoldung oder Mattversilberung von Gestellteilen bis hin zur ausgefüllten Gravur reicht. Inzwischen stellt Dornblüth auch eigene Zifferblätter her, nicht nur im Tampondruck, sondern auch fein graviert und mit Farbe ausgelegt sowie seit Kurzem auch aus einem speziellen Keramikwerkstoff, der einem aufwendigen Härtungsprozess unterzogen wird. Die hochfeste Zifferblattoberfläche ist elastischer und bruch-
unempfindlicher als Emaille. In Kombination mit der Gravurtechnik ist der Eindruck eines hochwertigen Emaillezifferblatts perfekt, speziell im klassischen hochglanzpolierten Weiß, aber auch in verschiedenen anderen Farben, poliert oder mattiert.
Sämtliche Techniken, auch in der Herstellung von Einzelteilen, haben sich die Dornblüths selbst beigebracht bzw. aus dem Handbuch der Uhrmacherei erlernt und in praktischen Versuchen umgesetzt. Dabei stellten sie fest, dass man keineswegs für jeden Fertigungsschritt ein CNC-Bearbeitungszentrum mit mehreren Werkzeugachsen braucht – Armbanduhren wurden schließlich schon vor der Erfindung des Computers gebaut.
So kommen in der Uhrenwerkstatt von Dirk Dornblüth viele altgediente Maschinen wie Dreh- und Fräsbänke, Bohrwerke, Schleifböcke und Reitstöcke zum Einsatz, welche die großen Uhrenfirmen in den Boom-Zeiten der neuen Mechanik achtlos entsorgten – zu klein, zu unflexibel, zu ineffizient. Gerade richtig für eine junge Uhrenmarke mit überschaubarem Budget, aber kompetenten Mitarbeitern. Immer mehr eigene, selbst gefertigte oder auch neu konstruierte Teile ersetzten die Standard-Komponenten des Schweizer Großserienherstellers ETA, und mit jedem Schritt wuchs die Unabhängigkeit.

 

D. Dornblüth Handaufzugswerk Kaliber 99.10
Das Handaufzugswerk Kaliber 99.10 verfügt über eine indirekt angetriebene Zentralsekunde mit Zwischenrad und Sekundentrieb unter einer separaten Brücke.

Das eigene Uhrwerk

Zum 50. Firmenjubiläum im Jahr 2012 ging die Manufaktur mit ihrem ersten komplett selbst konstruierten Manufakturwerk Kaliber Q-2010 noch einen Schritt weiter. Hausintern entwickelt und mit nahezu 100 % auch in den eigenen Räumen gefertigt, bietet dieses Werk eine durch das Saphirglas im Boden sichtbare Malteserkreuz-Konstruktion, die mit zwei hintereinandergeschalteten Federhäusern ein nahezu lineares Drehmoment zum Antrieb der Unruh bereitstellt und so eine höhere Ganggenauigkeit ermöglicht. Und um einer immer größer werdenden Nachfrage nach einer Damenuhr gerecht zu werden, entwickelte Dornblüth das Manufakturkaliber 2016 mit 26,6 Millimetern Durchmesser, das wie eine maßstäbliche Verkleinerung der anderen Handaufzugskaliber wirkt und in puncto Finish keine Wünsche offenlässt.
Das Kaliber 99 bildet nach wie vor das Rückgrat der Kollektion und hat bereits mehrere Umbauten und Erweiterungen erfahren: als Kaliber 99.1 mit Kleiner Sekunde bei der «6», als Kaliber 99.2 mit Gangreserveanzeige bei der «3» und Kleiner Sekunde bei der «9», als Kaliber 99.3 und 99.4 mit zusätzlichem Zeigerdatum sowie als Kaliber 99.5 mit Zentralsekunde, Gangreserveanzeige und Datum. Inspiriert von der Reparatur einer alten Präzisionspendeluhr, konstruierte Dirk Dornblüth auch ein Regulator-Zeigerwerk mit «ausgelagertem» kleinem Stundenzeiger. Auf diesem Grundwerk basieren auch die unlängst vorgestellten Modelle WELTzeit Klassik, WELTzeit AUF & AB und WELTzeit Regulator. Alle drei Uhren verfügen über eine dezentrale 24-Stunden-Anzeige bei der «6» sowie einen zusätzlichen 12-Stunden-Zeiger aus der Mitte, der über einen separaten Rechteckdrücker bei der «2» im Stundentakt vorwärts schaltbar ist, sodass beim Blick auf die Uhr gleichzeitig die Heimatzeit (bei der «6») und die aktuelle Ortszeit abgelesen werden können.
Dirk Dornblüth hat in weniger als zwanzig Jahren eine beeindruckende Kollektion von Handaufzugsuhren entwickelt, die nicht nur klassisch aussehen, sondern auch nach klassischem Vorbild konstruiert und auf klassische Art gefertigt sind – «nach alter Väter Sitte», wenn man so will. Schließlich heißt die Marke ja auch D. Dornblüth & Sohn.

Text: Peter Braun

Weitere Beiträge unserer Serie «Made in Germany»:

Neue Uhren aus Sachsen

Askania – die Berliner Uhrenmarke

Die Firma Damasko

Junghans Museum im Terrassenbau

Manufakturbesuch bei Lehmann Präzisionsuhren

Hier lesen Sie über «Neue Uhren aus dem Schwarzwald»:

TEIL 1: Südschwarzwald – von Hanhart bis Lehmann und Jacques Etoile

TEIL 2: Junghans in Schramberg

TEIL 3: Nordschwarzwald und rund um Pforzheim

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