Tutima Glashütte

Der Kreis schließt sich

Was mit der Rückkehr nach Glashütte begann, vollendet sich durch die Neuauflage eines populären Chronographenkalibers von Tutima. Mit dessen Neukonstruktion und Fertigung in Sachsen beweist die Marke Kompetenz und Herstellungstiefe, die man in der früheren Bahnhofsmeisterei in Glashütte live erleben kann.
In der ehemaligen Glashütter Bahnhofsmeisterei an der Altenberger Straße eröffnete Tutima 2008 die eigene Manufaktur.
In der ehemaligen Glashütter Bahnhofsmeisterei an der Altenberger Straße eröffnete Tutima 2008 die eigene Manufaktur.

Ein Uhrenatelier in Glashütte und eigene Uhrwerke, die dort konstruiert und gefertigt werden: Für die Uhrenmarke Tutima hat dies fast schon eine symbolische Bedeutung. Denn die eigene Manufaktur in Glashütte kommt einem Triumph über die Geschichte gleich, welche die sächsische Uhrenindustrie einst arg gebeutelt hat – mit Auswirkungen auf Tutima.

Die Wurzeln der Marke sind mit dieser Historie nämlich eng verbunden. Deren Name – abgeleitet vom lateinischen Adjektiv «tutus» für «sicher und geschützt» – wurde in den 1930er Jahren eingeführt. Er signierte die Spitzenprodukte der 1926 auf Initiative von Ernst Kurtz gegründeten Uhren-Rohwerke-Fabrik Glashütte AG und der Uhrenfabrik Glashütte AG. UROFA und UFAG beschäftigten damals rund 1000 Mitarbeiter – eine Erfolgsgeschichte, die durch den Zweiten Weltkrieg beendet wurde. Fortgesetzt wurde sie nach Kriegsende nicht, da die Unternehmen des Uhrenstandorts Glashütte vonseiten der DDR-Regierung zu einem staatlichen Kombinat zusammengefasst wurden, das im Wesentlichen aus den Fabrikanlagen von UROFA und UFAG bestand.

Dieter Delecate brachte Tutima zurück nach Glashütte.
Dieter Delecate brachte Tutima zurück nach Glashütte.

Ernst Kurtz allerdings ging eigene Wege. Er verließ Glashütte mit einigen seiner Mitarbeiter und gründete in Memmelsdorf in Oberfranken die Uhrenfabrik Kurtz, die er 1951 an den heutigen Standort Ganderkesee in Niedersachsen verlegte. Nicht nur fachlich knüpfte Kurtz dabei an die alten Zeiten an: Seiner Rohwerkefabrik gab er den Namen «Nurofa – Norddeutsche Uhren-Rohwerkefabrik», und für den Vertrieb der Uhren nutzte Kurtz wieder den Namen Tutima.

Dieter Delecate, der für Ernst Kurtz tätig war, führte diesen weiter und ließ 1970 nach dem Aus der Kurtz’schen Unternehmungen den Markennamen schützen. Damit setzte sich die Geschichte fort: Dieter Delecate fertigte wieder Uhren mit dem historischen Namen auf dem Zifferblatt und machte das Unternehmen als Tutima Uhrenfabrik zu einer internationalen Marke, die als klassischer Familienbetrieb geführt wird: Neben Dieter Delecate sind seine Kinder Jörg und Ute Delecate in der Unternehmensleitung tätig.

Zurück zu den Wurzeln

Gemeinsam beschlossen sie die Rückkehr zu den Wurzeln: 2005 kauften sie die frühere Glashütter Bahnhofsmeisterei an der Altenberger Straße und bauten sie zu einer kleinen, feinen und modernen Manufaktur um. 2008 eröffnete der Manufakturbetrieb. Dass hier tatsächlich Uhrwerke und ihre Komponenten gefertigt werden, offenbart sich schon beim Betreten. In den Boden eingelassen ist ein «Fenster», durch das man direkt in eine CNC-Maschine blicken kann: Im Tiefgeschoss werden Werkkomponenten für eigene Tutima-Kaliber hergestellt. Die wiederbelebten Kompetenzen stellte man im gleichen Jahr durch die Präsentation der eigenen Minutenrepetition «Hommage» unter Beweis.

Drei Jahre hatte die Konstruktion des Handaufzugskalibers 800 in Anspruch genommen, das delikaterweise als erste vollständig in Glashütte gefertigte Minutenrepetition in die Geschichte des historischen Standorts einging.Kurz darauf folgten weitere Eigenkreationen: das Kaliber Tutima 617 für das Modell Patria Small Second und das Kaliber 619 der Patria Dual Time. Ganz neu ist nun ein eigenes Handaufzug-Chronographenkaliber mit Flyback-Funktion, die wie in alten Zeiten als «Tempostopp» bezeichnet wird. Denn die Neuheit bezieht sich sowohl auf die Geschichte von Tutima als auch auf die Glashütter Tradition.

Große Vorbilder

Der gläserne Gehäuseboden der Tutima Tempostopp bietet den Blick auf das selbst konstruierte Kaliber T659, dessen Aufbau sich an dem historischen UROFA Kaliber 59 orientiert.
Der gläserne Gehäuseboden der Tutima Tempostopp bietet den Blick auf das selbst konstruierte Kaliber T659, dessen Aufbau sich an dem historischen UROFA Kaliber 59 orientiert.

Die historische Vorlage für das neue Kaliber T659 bot das UROFA Kaliber 59, der erste deutsche Chronograph mit Additionszeitmessung sowie besagtem Tempostopp, also Flyback. Diese Funktion macht mit nur einmaligem Betätigen eines Drückers das Stoppen, Zurückstellen und Neustarten des Chronographenzeigers möglich.

Mit diesem Kaliber als ästhetisches Vorbild wurde ein neues Chronographenwerk konstruiert, was ganze drei Jahre in Anspruch nahm. Das Kaliber T659 nimmt zwar die Optik des historischen Vorbilds auf, ist aber ein völlig neu durchdachtes Uhrwerk. Dies ist dem neuen Kaliber im Vergleich zum historischen durchaus anzusehen: Die Unruh ist mit ihrem jetzt handgravierten Kloben an der gleichen Stelle positioniert wie früher, ebenso das Chronographenschaltrad. Auch Formen und Positionen von Brücken und Hebeln wurden übernommen. Neu sind indes die höhere Schwingfrequenz von 3 Hertz sowie eine Schraubenunruh mit goldenen Masse- und vier Regulierschrauben als Gangregler. Das neue Uhrwerk misst 33,7 Millimeter – 14,94 Linien – im Durchmesser, ist 6,6 Millimeter hoch und besteht aus 236 Komponenten. Es bietet eine Gangautonomie von 65 Stunden.

Teile aus eigener Fertigung

Tutima Tempostopp ist ein klassischer Chronograph in einem 43 Millimeter-Roségoldgehäuse. Er bietet Additionsstopp und Flyback-Funktion.
Tutima Tempostopp ist ein klassischer Chronograph in einem 43 Millimeter-Roségoldgehäuse. Er bietet Additionsstopp und Flyback-Funktion.

Apropos Komponenten: Diese entstehen, wie bei Manufakturkalibern üblich, im eigenen Haus. Bei Tutima beginnt dies im Keller des Gebäudes an der Altenberger Straße in Glashütte. Die Rohkomponenten werden in jener CNC-Maschine gefräst, die der Besucher schon im Eingangsbereich des Hauses beim Blick durch den gläsernen Boden zu sehen bekommt. In einem Nebenraum im Tiefgeschoss stehen weitere Maschinen, mit denen zum Beispiel Oberflächen sandgestrahlt werden. Weitere Produktionsverfahren sind in einem anderen Gebäude möglich: An der Hauptstraße in Glashütte hat Tutima 2014 weitere Räumlichkeiten bezogen. Hier wird unter anderem eine Erodiermaschine für die Teilefertigung betrieben. Insgesamt sind dort 15 Mitarbeiter für die Montage von Uhren und auch für Qualitätskontrolle sowie Versand zuständig.

Eigene Uhrwerke und die entsprechenden Modelle werden jedoch allesamt in der Tutima-Manufaktur an der Altenberger Straße montiert. Wenn die Komponenten gefertigt, dekoriert und vollendet sind, kommen sie in das Tutima-Atelier im ersten Stock, wo sieben arbeiten. Zudem findet der Prototypenbau im Atelier statt, sodass hier das neue Kaliber T659 mitentwickelt wurde. Dieses ist unverändert Thema im Atelier, denn nach der Produktion der Prototypen hat nun die Fertigung der auf 90 Stück limitierten Serie des Chronographenmodells Tempostopp begonnen. Das Kaliber T659 erhält in dieser Uhr einen exklusiven Auftritt – eingeschalt in ein 43 Millimeter großes Gehäuse aus Roségold, das 12,95 Millimeter hoch und mit einer klassischen Zwiebelkrone ausgestattet ist. Für Tutima ist diese Kombination absolut stimmig: Das Modell, in dem die eigene Historie und der Manufakturgedanke zusammenfließen, steht nun an der Seite der hochwertigen Patria-Modelle sowie der Minutenrepetition, die ebenfalls mit Goldgehäusen ausgestattet sind.

Text: Iris Wimmer-Olbort

Entdecken Sie in unsere Reihe «Hinter die Kulissen» die Arbeit in Manufakturen und Ateliers:

Breguet: Auf den Spuren des Meisters

Carl F. Bucherer: Junge Marke – lange Tradition

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