Probezeit: Glashütter Glanzstücke

Mühle Teutonia II vs. Union 1893 Johannes Dürrstein

Klassische Chronographen aus Glashütte müssen kein Vermögen kosten. Mühle und Union bieten in der 3000-Euro-Klasse mit der Teutonia II und der neuen 1893 Union Dürrstein attraktive Zeitmesser mit jeweils eigenem Charakter. Diese «Probezeit» ist ein Lokalderby.
Teutonia II vs. Dürrstein 1893 Chronographen

Endlich einmal wieder ein Chronographen-Duell. Treue ARMBANDUHREN-Leser erinnern sich gewiss noch an gleichnamige Rubrik, in der ein Autor zwei vergleichbare Kurzzeitmesser einander gegenüberstellte. Tempi passati! Das war uns auf Dauer zu einseitig. Schließlich gibt es in aller Regel mehr als eine Meinung zu einem Testobjekt, und es sind natürlich viel mehr Uhrengattungen als nur Chronographen im Umlauf. Weshalb wir die «Probezeit» ins Leben gerufen haben, in der Peter Braun und Martin Häußermann vor sechs Jahren damit begonnen haben, vergleichbare Uhren einem Tragetest zu unterziehen und die Ganggenauigkeit zu überprüfen, um die getesteten Uhren anschließend zu beurteilen. Was des Öfteren zu kontroversen Diskussionen führt ‒ wie im richtigen Leben.

Mühle Glashütte Teutonia II Zifferblatt
Aus dieser Perspektive ist die dreidimensionale Gestaltung des Mühle-Zifferblatts schön zu sehen. Bei einer Uhr namens Teutonia gibt es natürlich auch deutsche Wochentagsnamen. Unser Testexemplar war für englischsprachige Märkte gedacht.

Und auch die Auswahl der «Probezeit»-Kandidaten will diskutiert sein. Die Initialzündung für dieses Mal gab Union Glashütte mit der Lancierung der 1893 Johannes Dürrstein Edition Chronograph, so heißt die Uhr mit vollem Namen. Mit dieser Modellreihe erinnern die Sachsen an das Gründungsjahr der Marke und an den Gründer der Uhrenfabrik Union. Nach den Modellen Kleine Sekunde, Gangreserve und Mondphase ergänzt der Chronograph die Edition Dürrstein, die in allen Varianten durch ihre Zifferblätter und Zeiger an die alten Taschenuhren aus dem 19. Jahrhundert erinnert.

Als nahezu idealtypischer Gegenspieler erschien uns Mühles Teutonia IV Chronograph, der sowohl von der Gehäuseform als auch von der Zifferblatt-Optik nah am Dürrstein-Chronographen ist. Doch just zu dem Zeitpunkt, als wir die Uhr brauchten, war sie gerade nicht verfügbar, so etwas passiert bei brandneuen Uhren immer mal wieder. Doch anstatt die Waffen zu strecken, schickte Thilo Mühle die Teutonia II ins Rennen und nahm eine gerade fertiggestellte Uhr direkt nach der Endkontrolle aus der Produktion. Keine Notlösung, sondern im besten Sinne ein guter Kontrast und die ideale Ergänzung zum Produkt der Kollegen im Müglitztal.

Erster Eindruck

Peter Braun: Es ist keine leichte Aufgabe, bei diesem Lokalderby neutral zu bleiben. Einerseits haben die Uhren viele Gemeinsamkeiten, andererseits liegen Welten zwischen ihnen. Da trifft Handaufzug auf Automatik, ein versilbertes Zifferblatt mit Appliken auf ein bedrucktes Blatt mit Emailleeffektlack und ein modernes Rundgehäuse auf ein gestapeltes Topfgehäuse.

Mühle Glashütte Teutonia II Uhrwerk Kaliber
Die patentierte Mühle-Spechthalsfeinregulierung hat ein großzügiges Schaufenster bekommen.

Die Union punktet bei mir mit ihrem sehr aufgeräumt wirkenden, klassischen Look. Das weiß lackierte Zifferblatt gefällt mit schön versenkten Totalisatoren und makellosem Druck. Die thermisch gebläuten Zeiger fügen sich schön ins Gesamtbild ein, die Typografie der Datumsanzeige leider nicht: Sie passt nicht zu den anderen Ziffern auf dem Blatt. Der Mühle-Chronograph beeindruckt durch seine aufwendige Gehäusekonstruktion mit strichmattiertem Mittelteil, gestuften Lünetten oben und unten sowie bombierten und entspiegelten Saphirgläsern. Dazu gesellen sich eine verschraubbare Krone, geführte Rechteckdrücker und durchgeschraubte Bandstege. Das ist alles vom Feinsten und steht für den allgemein hohen Qualitätsstandard von Mühle, speziell in der «Business Class», welche die Linie Teutonia repräsentiert.

Martin Häußermann: Während ich die Uhren vor dem Fotoshooting so betrachte, frage ich mich, ob wir dieses Mal doch ein bisschen konservativ-altväterlich unterwegs sind. Diese Einschätzung zerstreuen der Sohn des Hauses und auch seine Freunde, denen ich unsere «Probezeit»-Kandidaten in die Hand drücke. Die Jungs sind alle Anfang 20 und urteilen mit «Hammer», «cooler Style» und Ähnlichem. Kurz gefasst: Sie könnten sich gut vorstellen, sich solche Uhren anzuschaffen – wenn sie es sich denn leisten könnten. Sie schätzen die Einstandspreise zwischen 4000 und 5000 Euro, wobei die Mühle für etwas teurer gehalten wird. Das sagt schon etwas über die hohe Qualitätsanmutung aus, die unsere Kandidaten ausstrahlen.

Die Union kommt etwas verspielter daher, die Mühle ein wenig ernsthafter, aber Charakter haben sie beide. Das sind definitiv keine «Me too»-Produkte. Bei den Proportionen kommt die Union ein bisschen besser weg – sie ist einen guten Millimeter flacher –, dafür punktet die Mühle mit einem praktischen Automatikaufzug, der für den Höhenunterschied am Gehäuse maßgeblich verantwortlich ist.

Tragegefühl, Bedienung, Ablesbarkeit

Peter Braun: Das Zifferblatt der Mühle zeigt sich grafisch schön gestaltet, wirkt aber ein bisschen wie vom Reißbrett mit einer Art Banderole knapp über dem Zentrum mit Markenlogo, darunter – keck – schräg die Fenster für Datum und Wochentag. Hochwertig erscheinen die aufgesetzten, facettierten Indexe. Die Totalisatoren sind in meinen Augen zu klein geraten, was sicher auch an der großen Zifferblattschau und dem großen Gehäusedurchmesser von fast 42 mm liegt. Bei der Union wirkt das Zifferblatt besser ausgenutzt.

Mühle Glashütte Teutonia II Schließe
Auch bei der Gestaltung der Faltschließe setzt Mühle eher auf Robustheit als auf filigrane Details.

Der Teutonia Chronograph II kommt mit einem schönen und auch teuren Krokolederband, das sich wegen der Polsterung am Anfang ein bisschen steif anfühlt, sich jedoch an den Arm des Besitzers anpasst und sich nach ein paar Stunden ganz komfortabel gibt. Die aus dem Vollen gefräste Doppelfaltschließe repräsentiert gehobenen Standard und erfüllt ihre Aufgabe ohne Aufsehen. Das gilt auch für die Doppelfaltschließe der Union. Sie ist in Funktion, Qualität und Machart der Mühle ebenbürtig. Beim Band beschränkt sich Union auf Rindleder in Kroko-Optik, was sich bei der Kalkulation positiv auswirkt. Es ist etwas dünner und weicher als das Reptillederband der Mühle, schneller «handwarm» und bequemer zu tragen.

Union Glashütte Duerrstein Chrono Schließe
Auch Union setzt bei Gestaltung und Dimensionierung der Faltschließe auf Funktionalität und Robustheit.

Martin Häußermann: Dass mir beide Uhren so gut gefallen, liegt auch an den Zifferblättern, die mit Liebe zum Detail gestaltet und auch hochwertig ausgeführt sind. Das Blatt der Union bekam laut Information aus Glashütte sieben Schichten weißen Lack und darüber noch drei Schichten Klarlack. Das erzeugt eine große Tiefenwirkung und schafft auch die Illusion, dass die aufgedruckten Ziffern und das Logo zu schweben scheinen.

Mühle Glashütte Teutonia II Krone Detail
Im Profil nimmt man die solide Verarbeitung der Teutonia besonders gut wahr. Indizien sind unter anderem die durchgeschraubten Bandstege und die ausgeprägten Drückerführungen.

Das Blatt der Mühle hat der Kollege schon ausführlich beschrieben. Auch ich finde die Totalisatoren etwas zu klein. Bei der Kleinen Sekunde stört mich das nicht, doch zumindest die senkrecht angeordneten Anzeigen für Stoppminuten (oben) und -stunden (unten) hätten etwas größer ausfallen dürfen. Das hätte der besseren Ablesbarkeit gedient und obendrein noch etwas Leben in die Szene gebracht.

Im Tragekomfort sind sich beide Uhren ebenbürtig. Das gefütterte Band der Mühle – ich trug sie als Zweiter – hat sich tatsächlich schön angepasst. Und auch beim Drückergefühl geben sich beide Uhren nichts. Sie entsprechen dem, was man von einem Valjoux- respektive einem Sellita-Basiswerk erwarten darf.

Für meinen Geschmack hätte aber die Krone der Union einen Tick länger ausfallen dürfen. Schließlich verlangt das Handaufzugswerk regelmäßig nach Energiezufuhr. Und da kommen Daumen und Zeigefinger doch immer wieder mit den nahe liegenden Chronographendrückern ins Gehege. Zur Datumsschnellverstellung braucht man die Krone – in diesem Fall glücklicherweise – nicht. Diese wird, wie bei allen 7753-Derivaten üblich, über einen Drücker in der linken Gehäuseflanke vorgenommen.

Union Glashütte Duerrstein Chrono Krone Detail
Ob man auf das Zifferblatt eines Chronographen auch das Wort Chronograph schreiben muss, darüber scheiden sich die Geister. Bei der Bewertung der Qualität gibt es keine zwei Meinungen: Das mit Emailleeffektlack überzogene Zifferblatt ist tadellos.

Technik, Ausstattung, Gang

Peter Braun: Größtes Asset der Union ist in meinen Augen das zum Handaufzug umgebaute Valjoux 7753, das tiefe Einblicke in die Mechanik gewährt. Die serienmäßige Automatikbrücke wurde durch ein neu konstruiertes Teil ersetzt, mit eingesetzter separater Brücke für das Chronographen-Zentrumsrad, offenbar in der Höhe einstellbar. Das sieht ein bisschen gebastelt aus, aber es verlockt zum Gucken und Verstehen, weil diese Konstruktion dem Betrachter die Technik nahebringt. Was mich tatsächlich stört, sind die verschiedenen Oberflächenschliffe und Schliffrichtungen, dazu kommen noch die hochglanzpolierten Chronographenhebel. Das wirkt nicht sehr homogen. Dabei sind die von Union selbst angefertigten Teile allemal schöner als die Bauteile des Basiswerks. Die wirken schon ein bisschen wie «von der Stange» mit den gebläuten Schrauben mit weißem Schlitz und dem rauen, zerkratzten Wölkchenschliff auf der Räderwerkbrücke.

Unterm Sichtboden der Mühle ist mindestens genauso viel los wie bei der Union, nur kann man es eben nicht so gut sehen. Automatikbrücke und Rotor verdecken hier und da den Blick. Nur die hauseigene Spechthals-Feinregulierung darf sich in aller Offenheit zeigen. Die hat Mühle seinerzeit entwickelt, um auch beim Chronographen die Glashütte-Regel zu erfüllen (vorgeschrieben ist ein hoher Anteil an der Wertschöpfung am Standort Glashütte), ist aber nicht Kunst um der Kunst willen, sondern erfüllt auch einen praktischen Zweck.

Martin Häußermann: Und das tut sie ganz hervorragend. Nach sechs Tagen Tragezeit ging sie genau zehn Sekunden vor. Dabei ist aber zu bemerken, dass ich sie an zwei Tagen ziemlich lange abgelegt hatte. An den Tagen, an denen sie ununterbrochen getragen wurde, ermittelte ich regelmäßig einen Vorgang von 3 s/d (Sekunden pro Tag). Das ist deutlich weniger, als unsere Zeitwaage Witschi Chronoscope S1 ermittelte, nämlich einen durchschnittlichen täglichen Vorgang von 6,6 Sekunden. Unterm Strich hat man sich daran gehalten, was der Seniorchef im Ruhestand, Hans-Jürgen Mühle, einst postulierte: «Mit einer Mühle kommt man nicht zu spät.»

Mit einer Union aber auch nicht, auf jeden Fall nicht mit dieser. Am Arm kam – bei jeweils morgendlichem Vollaufzug – ein regelmäßiger Vorgang von 2 s/d heraus, was ziemlich genau dem Messergebnis der Witschi entsprach: + 1,9 s/d. Dabei waren die Lagenfehler geringer als bei der Mühle, das Gangdiagramm auf der Zeitwaage zog einen geraden und nahezu waagerechten Strich. Und dabei hatten die Hersteller nicht einmal die Gelegenheit genutzt, die Uhr für den Test nachzuregulieren. Beide versichern glaubhaft, die Uhr direkt nach Fertigstellung und Qualitätskontrolle aus der Produktion geholt und uns geschickt zu haben.

Union Glashütte Dürrstein Chrono Datums Korrektur
Das Datum der Union wird über einen versenkten Drücker in der linken Gehäuseflanke korrigiert. Eine Datumsschnellverstellung über die Krone ist bei Abkömmlingen des Valjoux 7753 technisch nicht möglich.

Fazit

Union Glashütte Duerrstein Chrono Uhrwerk Kaliber
Der Umbau des 7753 auf Handaufzug eröffnet Einblicke in Konstruktion und Funktion des Uhrwerks. Wobei die von Union gefertigten Komponenten schöner finissiert sind als das von Konzernschwester ETA bezogene Basis- bzw. Rohwerk.

Peter Braun: Die Union gefällt mir optisch besser – bin halt eher konservativ. Mit den schön gedruckten Ziffern und dem herrlichen Emailleeffekt-Zifferblatt hat sie mich gekriegt. Am Handaufzug-Umbau gefällt mir die Seltenheit, nicht so sehr die Optik, die bei einem modernen Valjoux natürlich nicht an das klassische Chronographenbild heranreicht.

Die Mühle überzeugt mich mit ihrer durchweg sehr hohen Ausstattungs- und Verarbeitungsqualität. Da ist alles vom Feinsten. Nur die zu kleinen Totalisatoren auf dem zu großen Zifferblatt stören mich – wer hier ähnlich wie ich denkt, sollte sich tatsächlich mal die neue Teutonia IV ansehen.

Martin Häußermann: Ich bin unentschieden. Qualitativ machen beide einen erstklassigen Eindruck, und auch die Gangwerte sind fein. Beide sind ihr Geld wert. Der günstigere Preis spricht nicht zwingend für die Union, schließlich bietet die Mühle für fast 400 Euro Aufpreis auch gehobene Ausstattung in Form eines aufwendigeren Gehäuses und Zifferblatts sowie eines echten Krokobands. Und als ich beide zu Hause hatte, habe ich mal die eine, mal die andere getragen – abhängig von der Stimmung. Zum Geschäftstermin bevorzuge ich die Mühle, in Partylaune eher die Union.

Text: Peter Braun, Martin Häußermann

Bilder: Martin Häußermann

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