Marco Lang ZweigesichtKopf oder Zahl
Die neue Uhr von Marco Lang, der inzwischen als «Einzelkämpfer» unterwegs ist, lässt sich so oder so herum am Handgelenk tragen. Und sie kann noch mehr!
Die Adresse ist fein und historisch: Die Brienner Straße in München ist eine der Prachtstraßen der Landeshauptstadt. Früher ließen sich auf dem Wittelsbach’schen Fürstenweg die bayrischen Regenten mit der Pferdekutsche vom Nymphenburger Schloss zur Residenz fahren, heute staut sich hier der Verkehr in Richtung Odeonsplatz. Auf dem Weg dorthin erhebt sich eine 1820 von Leo von Klenze erbaute Fassade im Florentiner Stil. Sie ist historisch und denkmalgeschützt, doch dahinter ist alles neu. Bis auf die Front wurde das Gebäude in der Brienner Straße 12 komplett erneuert – mit Folgen für die Deutsche Patek Philippe GmbH, die schon vor dem Umbau hier angesiedelt war: Durch die Veränderungen konnte man nicht nur Platz gewinnen, sondern sich auch ganz neu einrichten und organisieren. Während im zweiten Stock die Büros für Vertrieb und Verwaltung untergebracht sind, ist der dritte Stock heute den Uhrmachern und Handwerkern vorbehalten. Hier entstand unter anderem ein Uhrenatelier nach modernsten Vorstellungen. «Ein Besuch bei uns ist wie ein Manufakturbesuch in Klein», sagt Yannick Michot, Geschäftsführer von Patek Philippe Deutschland.
«In München nehmen wir jedes Jahr bei rund 1200 Uhren den Service vor», erklärt Birte Zweiniger, Werkstattleiterin und Chefin von 16 Kollegen – neun Uhrmachern, drei Mitarbeitern für die Gehäuseaufarbeitung, drei in der Verwaltung und einem in der Qualitätskontrolle. Das gemeinsame Ziel dieses Teams ist der Erhalt, bei Bedarf auch die Reparatur von Patek-Philippe-Uhren. Denn vor allem die mechanischen Zeitmesser bedürfen der regelmäßigen Pflege. Alle fünf Jahre, so Yannick Michot, solle man seine Uhr überholen lassen.
1600 Uhren werden pro Jahr in der Münchner Niederlassung eingereicht. Historische Uhren aus der Zeit vor 1970 sowie anspruchsvolle Komplikationen werden nach Genf weitergeschickt, alle anderen Arbeiten werden in München vorgenommen. Neben der Deutschland-Zentrale gibt es in der Bundesrepublik nur fünf Konzessionäre, die einen oder mehrere von Patek Philippe zertifizierte Uhrmacher beschäftigen. Nur sie können Uhren der Marke bis zu einem gewissen Schwierigkeitsgrad reparieren.
Der Service beginnt mit der Demontage der Uhr: In der Abteilung Assembling wird das Gehäuse geöffnet. Es folgen eine Bestandsaufnahme des Uhrmachers und ein Kostenvoranschlag, in dem nicht nur die Revision des Uhrwerks aufgeführt, sondern auch das Aufarbeiten von Gehäuse und Armband angeboten wird, das der Kunde in Auftrag geben kann. Die Preise dafür findet man sogar auf der Website von Patek Philippe. Dort sind ausschließlich Fachleute am Werk: In München arbeiten am Werktisch überwiegend Uhrmachermeister, die zudem bei Patek Philippe gesondert geschult sind: «Wer hier anfängt, darf ohne Ausbildung in Genf nicht an den Uhren arbeiten», berichtet Stefan Huber, technischer Leiter der Werkstatt. Erst nach einem vierwöchigen Kurs im Stammhaus hat man «Level 2» erreicht und darf einfache Uhren bearbeiten. Nach einiger Zeit kann man sich dann weiter ausbilden lassen, darf nach dem Erreichen von «Level 3» zum Beispiel Komplikationen wie den Jahreskalender bearbeiten und wird schließlich speziell für einzelne Komplikationen oder Uhrwerke geschult.
Ihr Arbeitsplatz, die Uhrmacherwerkstatt, wurde nach dem Umbau großzügig gestaltet und bietet ein ausgeklügeltes Lichtkonzept sowie Reinraum-Technik. Das heißt, dass in der Werkstatt leichter Überdruck herrscht, während in einer Schleuse davor permanenter Unterdruck besteht. Daher wird Luft aus der Werkstatt herausgeführt, damit von außen möglichst wenig Staubpartikel und Fusseln eindringen. Unterstützt wird dies durch die Arbeitskleidung und -schuhe der Uhrmacher; Besucher müssen ebenfalls Schutzkleidung und Überschuhe anlegen.
Von Anlagen überwacht, herrschen zudem konstante Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Noch mehr Reinheit garantieren zwei Arbeitsplätze mit «Laminar Flow»-Glashaube, die stark gefilterte Luft verströmt und so während des Einschalens eines Uhrwerks ins Gehäuse für Staubfreiheit sorgt. Diese Details machen den Servicebereich zu einer Musterwerkstatt für die Wartung und Instandsetzung von Patek-Philippe-Uhren.
Der Service beginnt für das Uhrwerk mit dem kompletten Zerlegen: Wenn in der Abteilung Assembling das Uhrwerk aus dem Gehäuse ausgebaut ist, wird es vom Uhrmacher vollständig auseinandergenommen und die Komponenten mit speziellen Geräten gereinigt.Während das Uhrwerk im Atelier bearbeitet wird, erhalten auch Gehäuse und Metallarmbänder Glanz und Schönheit zurück: Drei Mitarbeiter der Abteilung Assembling demontieren die Einzelteile, reinigen und arbeiten sie auf – ob Gelb-, Rosé- oder Weißgold, Platin oder Edelstahl. Zugleich geht es in der Uhrmacherwerkstatt wieder an den Zusammenbau des Werks. Die Komponenten werden montiert, defekte Teile gegebenenfalls ausgetauscht, an vorgeschriebenen Stellen wird geschmiert und geölt, zuletzt die Unruh reguliert. Ist der präzise Gang nachgewiesen, wird das Werk wieder eingeschalt und die Uhr montiert.
Die letzte Station des Zeitmessers ist ein weiterer Bereich der Münchner Werkstatt: die Qualitätskontrolle. Hier wird das gute Stück noch einmal kritisch begutachtet und geprüft – nicht nur optisch. Alle Funktionen der Uhr werden getestet, Wasserdichtheit, Aufzugsgeschwindigkeit und Gangreserve sowie die Ganggenauigkeit des Werks. Diese Prüfprozedur ist von Patek Philippe in Genf genau vorgeschrieben – wie übrigens alle Abläufe in der Werkstatt. Diese werden immer weiter perfektioniert, wie Werkstattleiterin Birte Zweiniger erklärt. Auch Stefan Huber berichtet, dass die Anforderungen in den vergangenen Jahren stetig gestiegen seien: «Die Präzision ist größer geworden, die Messlatte liegt höher.»
Text: Iris Wimmer-Olbort
Bilder: Patrick Möckesch, Patek Philippe
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