Lang & Heyne AntonManufaktur Edition
Nur fünf Exemplare des neuen Modells Anton mit Fliegendem Tourbillon werden produziert. Die Rechteckuhr ist längst zum Markenzeichen für Lang & Heyne geworden.
Bei Heike Ahrendt nimmt alles seinen Anfang: Sie ist die Frau bei Nomos Glashütte, die im Produktmanagement Neuem den Weg bereitet. In ihrer Abteilung geht es um die strategische Ausrichtung der Marke: Es wird für Jahre in die Zukunft gedacht und festgelegt, welche Neuheiten es geben wird.
Seit 2005 sind diese mit eigenen Uhrwerken ausgestattet. Mittlerweile gibt es 13 eigene Kaliber, die in den Uhren von Nomos ticken. Einige der Konstruktionen wie der Datumsmechanismus oder die Gangreserveanzeige sind patentgeschützt. 2014 stellte man eine eigene Hemmung vor, das «Nomos Swing-System». Die jüngste Neuentwicklung ist das Kaliber 6101, das 2018 von Nomos präsentiert wurde.
Auch dessen Anfang lag im Produktmarketing- Management bei Heike Ahrendt, wo die Neukonstruktion erstmals diskutiert und ein Prozess in Gang gesetzt wurde, dem sich jede Idee stellen muss.
In einem Lastenheft werden die Erwartungen an ein neues Uhrwerk ausformuliert – inklusive der geplanten Maße einer angedachten Uhr und des avisierten Preisbereichs. Auch die spätere Herstellung von Komponenten muss bereits bei der Konstruktion bedacht werden, damit die Produktion später einwandfrei funktioniert.
Das auf der Basis des Lastenhefts entstandene Pflichtenheft wird an die Abteilung Forschung und Entwicklung weitergereicht und kommt auf den Schreibtisch von Theodor Prenzel. Er ist Leiter der Konstruktion bei Nomos Glashütte. Bei ihm landete vor über vier Jahren die Ideen für das Kaliber 6101 – für Nomos die logische Weiterführung des flachen Automatikwerks neomatik 3001. Nun war ein ebenfalls flaches Werk mit schnell korrigierbarer Datumsanzeige gewünscht, das auch für Uhren mit größerem Durchmesser geeignet sein sollte, sodass die Darstellung des Datums gut proportioniert auf dem Zifferblatt stattfinden kann.
Beim Kaliber 6101 stellte vor allem die gewünschte Schnellkorrektur des Datums eine Herausforderung für die Forscher und Entwickler dar – etwas Neues für die Uhren von Nomos. Laut Theodor Prenzel bedarf es mehrerer Hebel und diverser Kupplungen, um je nach Kronenposition andere Funktionen zu steuern.
Ein zuverlässiger Helfer bei der Konstruktion ist zunächst der Computer: Nach ersten zweidimensionalen Konstruktionen auf dem Papier geht man schnell zu dreidimensionalen Darstellungen am Rechner über. Alle Komponenten werden digital und dreidimensional abgebildet und können dank spezieller Programme bereits in Aktion treten. So testet man das Zusammenwirken der Teile. Laut Prenzel erhalte man «einen ersten Überblick, ob alles passt und die Teile genügend Platz haben». Dennoch stößt die Technik auch an Grenzen, denn laut Prenzel könne man nicht simulieren, wie der Kraftverlauf erfolgt, welche Reibung auftritt und wo geschmiert werden muss.
Deshalb steht der Bau der ersten Prototypen an. «Erst an diesen Modellen erkennt man, was wirklich funktioniert», schildert Heike Ahrendt. Auf diese Weise arbeiten sich Konstrukteure Stück für Stück voran und optimieren eine Funktion immer weiter. Erneut gehen mehrere Monate ins Land, bis endlich die ersten Uhrwerke in Testmodelle eingebaut werden, um die Funktionen im Alltag zu prüfen.
Eventuell erfolgen daraufhin weitere Anpassungen, schließlich werden die Werke wieder demontiert und alle Komponenten genau geprüft. Prüf- und Messmethoden simulieren in kurzer Zeit den Verschleiß, der im normalen Leben erst innerhalb von fünf bis zehn Jahren auftritt.
Parallel wird am Design der passenden Uhr zum Werk gearbeitet. Die Optik wird nicht weniger gründlich infrage gestellt als die Technik: Wieder tragen Nomos-Mitarbeiter die Uhren zur Probe, testen das Tragegefühl im Alltag, die Ablesbarkeit, aber auch das Gefallen. Das Uhrwerk muss sich nach den Labortests ebenfalls in Probetypen bewähren. Sind selbst kleine «Kinderkrankheiten» behoben, geht es um die Serienfertigung des Kalibers, was ein weiteres halbes Jahr in Anspruch nimmt.
Arbeitsprozesse werden entworfen, man legt fest, in welcher Reihenfolge die Komponenten montiert werden müssen, und fertigt eventuell erforderliche Werkzeuge oder Halterungen. Selbst die Qualitätskontrolle und dafür erforderliche Messtechniken müssen entwickelt werden. Gleichzeitig steuert die Abteilung für Produktmarketing den Einkauf von Komponenten wie Zifferblatt und Zeiger.
Zwei bis drei Jahre sind dann seit den ersten Ideen vergangen – das überrascht bisweilen selbst Heike Ahrendt: «Zur Entwicklung eines Werkes gehören einfach sehr viele Schritte, und manchmal unterschätzt man, wie aufwendig getestet werden muss und wie viele Leute damit beschäftigt sind.» Doch bei Uhren gilt wie so oft im Leben: Gut Ding will Weile haben.
Text: Iris Wimmer-Olbort
Das Kaliber DUW 6101 im Modell Autobahn