Auf den ersten flüchtigen Blick wirkt die Norqain Adventure Neverest wie viele andere Taucheruhren in dem in 70 Jahren etablierten «klassischen» Look mit Kronen-Flankenschutz und Drehlünette.
Aber dann fällt der Blick auf die irgendwie organisch wirkende Struktur des «Glacier Dial» genannten Zifferblatts, und ehe man sichʼs versieht, kramt man schon in der Schreibtisch-Schublade nach der Lupe.
Die Riefen und Rillen des silbern glänzenden Zifferblatts wirken wie die tief ins Berggestein eingeschliffenen – miniaturisierten – Spuren eines Gletschers und sorgen mit ihrer unregelmäßigen Struktur für eine reflexfreie Oberfläche.
Auf dieser thronen kantig geformte Stundenmarker mit Leuchtmassen-Inserts; auch Stunden- und Minutenzeiger sowie die Pfeilspitze des roten Sekundenzeigers sind mit Leuchtmasse belegt.
Die in dezentem Grau gehaltene Drehlünette trägt einen polierten Keramikeinsatz mit gravierter Skalierung und einer fein herausgearbeiteten Dreiecksmarkierung mit Leuchtpastille. Die Funktion – drehbar nur im Gegenuhrzeigersinn – wirkt vertrauenerweckend mit satter, gleichwohl weicher Rastung in 60 Schritten.
Die verschraubte Krone mit Doppel-N-Logo ist griffig und sitzt sicher geschützt zwischen zwei Flankenrampen. 200 Meter Wasserdichtheit garantiert Norqain, an der auch der verglaste Schraubboden mit seiner eingelegten O-Ring-Dichtung seinen Anteil hat.
Ein reizvolles Detail an der Adventure-Gehäusegestaltung ist eine schmale Plakette an der linken Gehäuseflanke, die sich auf Wunsch personalisieren lässt.
Das Edelstahl-Gliederband leistet sich keine stilistischen Extravaganzen, die Faltschließe mit Sicherheitsüberwurf ist aus etwas dickerem Blech gestanzt und verzichtet sowohl auf eine werkzeuglose Feinverstellung als auch auf eine ausklappbare Bandverlängerung zum Tragen der Uhr über dem Ärmel.
Die Adventure Neverest war 2021 eines der ersten Norqain-Modelle, die in den Genuss des bis heute ziemlich exklusiven Automatikwerks von Kenissi kamen. Die modern ausgestattete Uhrwerkfabrik in Le Locle ist eine Ausgründung von Tudor und damit ein Unternehmen der Rolex-Gruppe, was bei Uhrenkennern hohe Erwartungen an Qualität, Präzision und Gangleistungen weckt.
Diese werden auch nicht enttäuscht, denn das bei Norqain NN20/1 genannte Kaliber ist im Grunde das Basiswerk aller Tudor Tool Watches und damit bereits hunderttausendfach bewährt. Die gewählte Konfiguration verzichtet auf eine Datumsanzeige und konzentriert sich ganz auf die Performance, die – fast möchte man sagen, «natürlich» – von einem Chronometerzeugnis bescheinigt wird.
70 Stunden läuft das Automatikwerk nach Vollaufzug, und das sogar besser als die von der COSC erlaubten Gangabweichungen von -4 bis +6 Sekunden pro Tag, wie man bei Kenissi hinter vorgehaltener Hand bestätigt.
Auch unser Anschauungsexemplar verhielt sich in puncto Gangverhalten absolut mustergültig und ging am Handgelenk bestenfalls zwei bis drei Sekunden pro Tag fehl. Konstruktive Details wie die beidseitig stabil aufliegende Unruhbrücke anstelle eines einarmigen Klobens sowie die nicht auf «extraflach» getrimmten Abmessungen (Höhe und Durchmesser) stehen für hohe Zuverlässigkeit, Langlebigkeit und Servicefreundlichkeit.
Die sprichwörtliche Rolex- bzw. Tudor-Qualität hat allerdings ihren Preis: Mit 3380 Euro hebt sich die Norqain Adventure Neverest am Ende doch deutlich von der schier unüberschaubaren Fülle der Konkurrenzangebote ab, die natürlich zumeist mit preiswerterer Sellita- oder ETA-Technik ausgestattet sind.
Wer auf die Exklusivität eines Kenissi-Kalibers nicht verzichten möchte, muss wohl mit Tudor-Preisen leben.
Der geneigte Uhrenfreund mag sich mit der Gewissheit trösten, dass zehn Prozent aller Einnahmen aus dem Verkauf der Neverest-Modelle an das Butterly Help Project gehen, mit dem Familien von Sherpas, die in den Bergen des Himalaja ihr Leben gelassen haben, unterstützt werden – unter anderem durch die Finanzierung von Schulen und Unterrichtsmaterialien für die nepalesischen Kinder.
Die Marke Norqain wurde 2018 von CEO Ben Küffer in Nidau bei Biel gegründet. Er holte Ted Schneider, ein Mitglied der ehemaligen Breitling-Eigentümerfamilie, sowie die Schweizer Eishockey-Legende Mark Streit als Mitgründer und Verwaltungsratsmitglieder an Bord.
Ben Küffers Vater Marc Küffer, der Präsident des Verwaltungsrates, hat über 45 Jahre Erfahrung in der Herstellung von Schweizer Luxusuhren und war 25 Jahre im Vorstand des Verbandes der Schweizerischen Uhrenindustrie tätig. Seit 2022 berät Uhren-Legende Jean-Claude Biver (u.a. Omega, Blancpain, Hublot, Zenith, TAG Heuer) den Verwaltungsrat.
Norqain stellt ausschließlich mechanische Uhren her, die von Hand in der Produktionsstätte in Tavannes zusammengebaut werden. Im Februar 2020 gab Norqain eine langfristige strategische Partnerschaft mit dem Uhrwerkhersteller Kenissi bekannt.
Die ersten Ergebnisse dieser wichtigen Allianz waren zwei exklusive Manufakturwerke. Das Drei-Zeiger-Kaliber NN20/1 und das GMT-Kaliber NN20/2 verfügen beide über eine Gangreserve von 70 Stunden und sind als Chronometer zertifiziert.
Die drei Kollektionen – Adventure, Freedom und Independence – zeichnen sich durch prägnante Designelemente aus. Sondereditionen und limitierte Auflagen gehören ebenfalls zum Portfolio der jungen Marke, die sich vom Start weg in der Welt der exklusiven Sportuhren etabliert hat.
Text: Peter Braun
