Gerald Charles MasterlinkNew Heritage
Barocke Kurven, klare Kanten und moderne Materialien kennzeichnen die Uhren der Linie Masterlink, dem letzten Vermächtnis des großen Designers Gérald Genta.
Bei aktuellen Uhren ist Vintage-Design sehr angesagt. Woher kommt die Faszination für das Vergangene?
Das liegt, glaube ich, an unserer schnelllebigen Welt und unserer Wegwerfgesellschaft. In unseren Zeiten pflegen immer mehr Menschen eine gewisse Nostalgie. Das sieht man an Möbeln aus dem 20. Jahrhundert und auch an Vintage-Mode und Oldtimern. Plötzlich erinnern uns Dinge an eine Zeit, als man nicht so gestresst durch das Leben gehetzt ist.
Bei alten Armbanduhren kommt noch hinzu, dass man sie mit Handwerk und Handarbeit verbindet. Ganz allgemein verknüpft man Vintage mit Geschichte, es entsteht ein menschlicher Kontakt zu einem Objekt. Mir selbst geht es nicht anders: Ich liebe alles, was Vintage ist.
Aber ist Vintage denn auch zeitgemäß?
Der Nachteil bei gewissen Vintage-Objekten ist, dass sie nicht die Einsatzfähigkeit von modernen Produkten besitzen. Die sind oft alltagsfreundlicher. Daher glaube ich, dass viele Menschen moderne Produkte im Vintage-Design bevorzugen, weil sie auch einen technischen Fortschritt bieten. Zudem sind moderne Produkte im Vintage- Design teilweise günstiger als das Original.
Bei Uhren gibt es da viele Beispiele – eine moderne Royal Oak etwa ist günstiger als eine der ersten Serien von 1972. Dementsprechend verbinden sich mit modernen Produkten im Vintage-Design also Emotionen, praktische und finanzielle Aspekte.
War das Uhrendesign früher besser, sodass man einfach nichts Schöneres mehr erschaffen kann?
Es gibt Sammler, die tatsächlich sagen, dass alle tollen Designs schon erfunden wurden. Sie denken wohl, dass es nicht mehr möglich ist, nochmals ein Jahrhundertdesign zu kreieren. Und wirklich: Eine Calatrava von Patek Philippe kann man nicht verbessern. Auch die Entwürfe von Gérald Genta aus den 1970ern oder eine Oyster von Rolex sind an Perfektion nicht zu überbieten.
Dennoch ist diese Sichtweise zu pessimistisch. Wo kommen wir hin, wenn niemand mehr Neues machen will? Die Automarke Porsche ist ein gelungenes Beispiel dafür, dass man auch mit Neuem Erfolg haben kann. Es geht – aber es bedarf echten Mutes. Diesen begrüße ich – wie zum Beispiel die Lancierung der Code 11.59 von Audemars Piguet. Viele haben diesen Mut nicht und versuchen es nicht einmal – weil es leichter ist, sich ins gemachte Bett zu legen.
Interessant ist, was unabhängige Uhrmacher mit kürzerer Geschichte machen, die gar nicht auf eigene Vintage-Designs zurückgreifen können. Zum Glück gibt es Persönlichkeiten wie Max Büsser oder Richard Mille, die völlig neue Wege gehen. Man braucht Querdenker, die ein neues Kapitel aufschlagen.
Wie wirkt sich der Trend zu Vintage- Design auf die Originale, also auf die echten Vintage-Uhren, aus?
Das hat zu einer Wertschätzung unserer Arbeit geführt. Im Gegensatz zum Beginn meiner Karriere werden wir heute von den Manufakturen unterstützt, etwa bei der Bestätigung der Echtheit oder der Recherche. Heute leben Manufakturen, Sammler und Auktionatoren eine schöne Einheit. Die Marken teilen ihr Wissen, was viele Leute inspiriert und auch dazu animiert, neue Uhren zu kaufen.
Die Wertschätzung von älteren Uhren hat sich ebenfalls entwickelt. Früher war das anders: Bei meinen ersten Auktionen vor 25 Jahren konnte ich nicht verstehen, dass eine moderne Uhr viermal mehr kostet als ihr Original aus den 1950er Jahren, das sich in einem perfekten Originalzustand befindet. Das war für mich nicht zu begreifen, denn die historischen Uhren sind in kleinerer Stückzahl in handwerklich höherwertiger Verarbeitung hergestellt worden. Und dann kommt ja noch die Geschichte des Originals hinzu. Das war für mich weder logisch noch nachvollziehbar.
Heute lassen Uhrenmarken ihre Geschichte wiederaufleben und zelebrieren sie. Das wirkt sich auf den Markt von Sammleruhren aus, wie man bei mehreren Marken sehen kann. Vor ein paar Jahren bekam man die El Primero von Zenith noch günstig auf dem Flohmarkt. Dann hat Zenith Originalmodelle neu aufgelegt, und plötzlich wurde sich der Vintage-Sammler der Besonderheit bewusst. So entsteht eine neue Wertschätzung für Originale.
Wie lange wird die Begeisterung für den Vintage-Stil anhalten? Ist ein Ende des Trends in Sicht?
Ich glaube und hoffe nicht, dass dieser Trend sehr bald vorbei sein wird. Falsche Gier könnte das aber beschleunigen: Wenn historische Vorbilder fast schon inflationär neu aufgelegt werden, dann verlieren sie ihren Charme. Das Risiko könnte bestehen, wenn Firmen wegen der aktuellen Wirtschaftslage unter Druck geraten und das mit den Re-Editionen überstrapazieren. Dann könnte auch ein exklusiver Name irgendwann Schaden nehmen. Bei Originalmodellen sehe ich die Gefahr allerdings nicht – Vintage-Uhren kann niemand mehr herstellen. Ich bin optimistisch, dass echte Originale nicht an Wert verlieren.
Wie halten Sie selbst es bei Uhren: alt oder neu?
Wer mich kennt: Ich bin kein Vintage-Taliban. Ich trage gerne abwechslungsweise eine alte und eine neue Uhr. Das kommt auf meine Stimmung an und darauf, was ich für den Tag geplant habe. Da kann ich mich sehr gut anpassen. Man kann nicht nur alte Bordeaux-Weine trinken, man braucht auch mal ein Bier oder eine Cola.
Herr Bacs, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Iris Wimmer-Olbort.
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