Gerald Charles MasterlinkNew Heritage
Barocke Kurven, klare Kanten und moderne Materialien kennzeichnen die Uhren der Linie Masterlink, dem letzten Vermächtnis des großen Designers Gérald Genta.
Mehr als ein volles Jahrhundert nach der ultrakomplizierten Taschenuhr «L'Universelle» präsentiert die Manufaktur Audemars Piguet ihre erste Grande-Complication-Armbanduhr mit Automatikaufzug im Design der aktuellen Kollektion Code 11.59. Mehr als sieben Jahre lang arbeiteten Ingenieure, Designer und Uhrmacher Hand in Hand, um die RD#4 fertigzustellen.
Alles begann im Jahr 2016 mit der Zielsetzung, eine alltagstaugliche und bedienerfreundliche Grande Complication fürs Handgelenk zu entwickeln. Die Teams integrierten und erweiterten die drei jüngsten Innovationen der Manufaktur: die 2015 vorgestellte «Supersonnerie» (RD#1), den 2018 eingeführten ultraflachen Ewigen Kalender (RD#2) und die Hemmung mit vergrößerter Amplitude aus der Royal Oak mit Automatikaufzug und Fliegendem Tourbillon (RD#3) von 2022.
Die RD#4 verfügt nun über ein ultrakompliziertes Automatikwerk, das aus mehr als 1100 Bauteilen zusammengefügt ist. Das Kaliber 1000 bietet 40 Funktionen, darunter 23 Komplikationen und 17 spezielle technische Vorrichtungen. Diese sind in einem Uhrwerk von gerade einmal 34,3 mm Durchmesser und 8,75 mm Höhe untergebracht.
Einer der wichtigsten technischen Fortschritte bestand in einer vereinfachten Nutzung der vielen Funktionen. Dazu wurde die üblicherweise hohe Anzahl von Drückern und Korrektoren auf drei Drückerkronen an der rechten und drei Flachdrücker an der linken Gehäuseflanke reduziert. Der oberste Drücker startet die Minutenrepetition. Mit den beiden anderen kann entweder die Mond- oder die Tagesanzeige korrigiert werden.
Mithilfe der drei Drückerkronen an der rechten Gehäuseflanke kann der Träger seine Uhr aufziehen, Datum und Uhrzeit über die mittlere Krone einstellen und obendrein den Schlagwerksmodus (Grande Sonnerie, Petite Sonnerie oder Stummschaltung) auswählen. Über den Kronendrücker bei der «2» wird der Flyback-Chronograph gestartet und gestoppt, die Nullstellung erfolgt über den Drücker in der «Super Crown» bei der «4». Diese Superkrone korrigiert auch schrittweise den Monat in Abstimmung mit dem Kalenderjahr und kehrt nach jeder Drehung (bis zu 70°) automatisch in ihre neutrale Position zurück.
Der Schlagwerksmechanismus kombiniert Minutenrepetition und Grande Sonnerie mit der im Jahr 2015 eingeführten Supersonnerie-Technologie, die der 42 mm großen Armbanduhr die akustische Leistung, Klangqualität und tonale Harmonie einer Taschenuhr verleiht. Die Tonfedern werden nicht auf der Hauptplatine befestigt, sondern an einem speziellen Bauteil, das als Resonanzboden fungiert und die Klangübertragung verbessert. Um das fein finissierte Kaliber 1000 sichtbar zu machen, entwickelten die Uhrmacher einen doppelten Gehäuseboden mit einer «geheimen» Abdeckung und einem neuartigen Saphir-Resonanzboden von nur 0,6 mm Stärke. Die Abdeckung weist an der Seite eine Reihe von Luftschlitzen auf. Dies verstärkt den Klang, wenn die Uhr am Handgelenk getragen wird. Die schwenkbare Abdeckung lässt sich auf der Gehäuse-Rückseite mithilfe eines diskreten Hebels unter der Krone bei der «3» öffnen.
Der ewige Kalender basiert auf dem ultraflachen Mechanismus des Kalibers 5133. Neben der Anzeige für den Wochentag, dem Großdatum und der Monatsanzeige gibt der Zeitmesser in einem Doppelfenster bei der «4» auch das Kalenderjahr an. Dieses System tritt an die Stelle der traditionellen Schaltjahresanzeige und ist an die Monatsanzeige gekoppelt. Jedes Mal, wenn das Monatsrad von Dezember auf Januar wechselt, ändert sich automatisch auch das Kalenderjahr. So arbeitet sich der Mechanismus des ewigen Kalenders durch die Wochentage, Daten und Kalenderjahre. Dabei berücksichtigt er immer die Anzahl der Wochentage pro Monat, auch in den Schaltjahren, sowie die beim traditionellen gregorianischen ewigen Kalender normalerweise erforderliche 100-Jahres-Korrektur. Vor dem Jahr 2400 ist deshalb keine manuelle Anpassung erforderlich.
Neben einem Schleppzeiger-Chronographen mit Flyback-Funktion verfügt die neue «Universelle» über ein fliegend gelagertes Minutentourbillon bei der «6». Es beherbergt ein neues Hemmungssystem mit größerer Unruh-Amplitude, wie es im letzten Jahr bei den beiden extraflachen Royal-Oak-Modellen mit Tourbillon (RD#3) debütierte. 2023 werden vier Varianten des Modells aus 18 Karat Weißgold oder Roségold eingeführt. Jede Uhr ziert ein anderes Zifferblatt, das Klarheit mit raffinierten Kontrasten verbindet. Die Preise der raren Stücke bewegen sich je nach Finish zwischen 1,45 und 1,6 Millionen Schweizer Franken zuzüglich ortsüblicher Steuern.
Die eingangs erwähnte Taschenuhr «L’Universelle» zählt mit ihren 26 Funktionen, darunter 19 klassische Komplikationen, noch heute zu den kompliziertesten Zeitmessern der Welt, neben der Marie Antoinette von Breguet (1802), La Merveilleuse von Ami Lecoultre (1878), der Leroy 01 von Louis Leroy (1900), der Henry Graves Supercomplication von Patek Philippe (1933) und Le Cabinotier von Vacheron Constantin (2019). Bemerkenswert an diesem Zeitmesser sind nicht nur die Grande Sonnerie mit Carillon und der ewige Kalender. Die Uhr verfügt zudem über einen Doppelchronographen mit springender Sekundenanzeige, bei dem vier von fünf Chronographenzeiger über einen einzigen Drücker gesteuert werden.
Audemars Piguet lieferte das Uhrwerk der «L’Universelle» im Jahr 1899 an Johannes Dürrstein bzw. die Uhrenfabrik Union Glashütte, zusammen mit zwei ähnlichen ultrakomplizierten Werken, die erst Jahre später fertiggestellt werden sollten. Obwohl sich die Rohlinge und Funktionen der drei Uhrwerke vom Kaliber Louis-Elisée Piguet sehr ähnlich waren, besaßen sie gänzlich unterschiedliche Durchmesser. Das Kaliber der «L’Universelle» war mit 22 Linien (49,5 mm) das kleinste der drei. Es enthielt 1168 Bauteile, darunter 316 Schrauben.
Am 12. August 1900 wurde bei der Leipziger Uhren-Ausstellung ein provisorisches Modell vorgestellt. Beworben wurde die Taschenuhr in Deutschland erstmals im Jahr 1901 unter der Bezeichnung «Universal-Uhr», bevor sie dann bis in die 1920er Jahre hinein in Dürrsteins Katalog zu finden war.
Nachdem sie einige Jahrzehnte lang von der Bildfläche verschwunden war, erlebte «L’Universelle» 1993 ein Comeback während einer Auktion bei Sotheby’s. Dort wurde sie von einem britischen AP-Sammler erworben. 2001 wurde die Taschenuhr umfassenden Veränderungen unterzogen: Das Uhrwerk wurde in ein Platingehäuse eingebaut, und das Zifferblatt wurde individuell an den Geschmack des Eigentümers angepasst. 2012 kehrte «L’Universelle» in die Restaurierwerkstatt von Audemars Piguet zurück. Dort wurde sie komplett auf Vordermann gebracht und von zwei erfahrenen AP-Restauratoren wieder in ihr ursprüngliches Gehäuse aus Roségold integriert – ein vierjähriges Geduldsspiel mit jeder Menge Feinarbeit. 2016 kaufte die Manufaktur die Uhr zurück, die heute im AP-Museum den Platz einnimmt, der ihr gebührt: umgeben von acht Zeitmessern mit Grande Complication, die ihrerseits die Geschichte der Marke geprägt haben.
Text: Peter Braun