Atelier: Zifferblatt-Herstellung

Eine Bühne für die Zeit

Will man den Vergleich mit der Kunst bemühen, dann bietet ein Zifferblatt die Kulisse, vor der sich die Zeit in Szene setzt. Schon bei der Herstellung kommt ihm die gebührende Aufmerksamkeit zu, wie die Firma Schätzle in Lörrach beweist.

Eine Uhr ist ein komplexes Objekt. Im Uhrwerk und darum herum gibt es eine Vielzahl von Komponenten, die allesamt der spezialisierten Herstellung bedürfen. Diese hat sich in den vergangenen Jahren entscheidend verändert. Das hat mit neuen technischen Möglichkeiten oder Materialien zu tun, was der Besuch bei Herstellern oder Zulieferern zeigt.

Interessant ist der direkte Vergleich, wie er bei der Firma Schätzle möglich ist: Vor mehr als einem Jahrzehnt besuchte ARMBANDUHREN die Manufaktur schon einmal, nun kehrten wir zu dem Spezialisten für Zifferblätter zurück. Viel hat sich verändert – sogar der Firmensitz. Vor einigen Jahren ist Schätzle von Weil am Rhein nach Lörrach gezogen, um die Fertigung enger zusammenzuführen. Heute ist das Unternehmen auf der kompletten dritten Etage eines großen Produktionsgebäudes im Ortsteil Tumringen in Lörrach untergebracht. Besaßen die Werkstätten früher einen bisweilen in die Jahre gekommenen Charme, ist die Fertigungsabteilung heute modern, hell und übersichtlich.

Fortführung der Tradition

Hannes Steim am Archiv der Firma Schätzle in Lörrach. Der Junghans-Chef ist auch Mitinhaber des Zifferblatt-Herstellers.

Nicht nur das hat sich geändert: Im Dezember 2022 wurde das Unternehmen von der Schramberger Uhrenfabrik übernommen, deren Gesellschafter Hannes Steim und sein Vater Hans-Jochem Steim sind. Seither ist die Zifferblattfabrik ein Schwesterunternehmen von Junghans. Nicht zum ersten Mal bewahrt die Familie Steim einen Traditionshersteller und pflegt dabei den Anspruch von «Made in Germany».

Immerhin ist die Firma Schätzle ein Unternehmen mit Geschichte: 1911 gegründet, blieb sie 102 Jahre in der Familie und wurde zuletzt vom Enkel des Gründers, von Gerhard Schätzle, geführt. Er verkaufte 2013 an Philipp Menny, der das Unternehmen schließlich an Vater und Sohn Steim veräußerte. Hannes Steim, Chef von Junghans, hat dadurch ganz neue Einblicke erhalten, wie er selbst zugibt: «Selbst ich habe früher die Herstellung eines Zifferblatts unterschätzt. Viele halten es für ein bedrucktes Metallplättchen mit etwas Farbe darauf und verkennen, wie viele Fertigungsschritte erforderlich sind und dass bei jedem einzelnen die ganze bisherige Arbeit auf dem Spiel steht. Falls in der Galvanik etwas schiefläuft oder schlimmstenfalls ganz am Schluss beim Setzen der Appliken. Das führt zu relativ viel Ausschuss.»

Alles auf Maß: Die visuelle Prüfung mit einem Kamerasystem erfolgt am Bildschirm.

Denn in der Firma Schätzle arbeitet man mit hohem Anspruch, verbindet moderne Technologie mit überlieferter Handarbeit und traditionelles Wissen mit dem Können der elf Mitarbeiter. Deren teilweise langjährige Erfahrung ist unabdingbar für die Fertigung der hochwertigen und oftmals ausgefallenen Zifferblätter von Schätzle.

Aufwendiger als mancher meint

Bis zur Fertigstellung kann ein einzelnes Werkstück bis zu 30 verschiedene Arbeitsschritte durchlaufen. Etappen, die sich in den vergangenen Jahren kaum verändert haben. «Wir haben die Seele einer Manufaktur», sagt Inhaber Hannes Steim. «Gleichzeitig aber müssen wir modern denken.» Daher wurden in den vergangenen Jahren nicht die einzelnen Arbeitsschritte, sondern die Abläufe modernisiert. Dabei geht es um Wiederholgenauigkeit – also darum, immer und immer wieder ein perfektes Ergebnis zu schaffen. Abläufe werden exakt festgelegt, Verfahren standardisiert und die Qualität durch Vorausplanung und Kontrollen gesichert. Zudem geht es darum, das wertvolle Wissen der Mitarbeiter zu dokumentieren. «Ohne ein hohes Level an Standardisierung geht es heute nicht mehr», betont Steim und verweist zudem auf DIN-genormte Vorgaben.

Der hohe Anspruch hat auch mit den Kunden von Schätzle zu tun: Statt größerer Stückzahlen werden bei Schätzle immer häufiger Kleinserien gefertigt. Und die Produkte sind anspruchsvoller, die Erwartungen der Kunden höher. «Die Qualitätsanforderungen an Uhren steigen stetig, und in gleichem Maße sind auch die Qualitätsanforderungen an unsere Zifferblätter gewachsen», erklärt der Leiter der Fertigung. Zudem geht der Trend hin zu aufwendigen Zifferblättern, auf denen zum Beispiel verschiedene Farben kombiniert oder feine Motive aufgedruckt sind. Ein Expertenkönnen, für das Schätzle vor allem bei deutschen Uhrenmarken gefragt ist: Zu den Kunden gehören Uhrenhersteller wie Nomos Glashütte, Mühle-Glashütte, Stowa, Zeppelin von POINTtec und auch Junghans.

Schleifen, Galvanisieren, lackieren

Rohmaterial: Aus Messingbändern werden Roh-Ronden der Zifferblätter ausgestanzt.

Das «Gesicht» ihrer Uhren nimmt seinen Anfang im Materiallager von Schätzle: Das häufigste Grundmaterial ist Messing, das in Form von Bändern angeliefert wird und in drei Härtegraden bereitsteht; auch Neusilber ist ein häufiger verwendetes Metall. Gleich zu Beginn erhalten die Zifferblätter ihre Form in der Stanzerei: Hier werden die Rohronden gestanzt, die in einem nächsten Schritt mit den Füßchen versehen werden, mit denen das Zifferblatt später auf dem Uhrwerk steht. Die Werkzentrierstifte werden mittels Elektroschweißen befestigt – genau auf das vorgesehene Kaliber abgestimmt

Bei den folgenden Arbeitsschritten nutzt man die zarten Füßchen nicht zur Fixierung des Werkstücks, damit sie keinem Druck ausgesetzt sind. Vielmehr wird mit passgenauen Zentrieraufnahmen gearbeitet, wenn es in eine der zwei computergesteuerten Maschinen zur Weiterbearbeitung geht. Neben einem bereits älteren Modell arbeitet man mit einer neuen und passgenau für Schätzle mit Werkzeugen zusammengestellten CNC-Maschine. Hier werden Zähler und Fenster gefräst oder Vertiefungen ausgedreht.

Von der Qualitätskontrolle als perfekt befunden, geht es nun um die Ästhetik: Die Rohlinge werden plangeschliffen, bekommen eine feine Oberflächenstruktur und werden satiniert, poliert Von der Qualitätskontrolle als perfekt befunden, geht es nun um die Ästhetik: Die Rohlinge werden plangeschliffen, bekommen eine feine Oberflächenstruktur und werden satiniert, poliert oder mit einem Sonnenschliff veredelt. Diese Aufgabe erfolgt weitgehend von Hand mithilfe entsprechender Maschinen.

Im Anschluss werden die Rohlinge in der eigenen Galvanik beschichtet – selbst die Zifferblätter, die später lackiert werden. Dafür stehen Bäder in mehreren Reihen zur Veredelung bereit: Die Werkstücke werden je nach gewünschtem Effekt zwischen zwei und 40 Minuten in Becken mit verschiedenen Flüssigkeiten getaucht. So werden sie durch ein elektrolytisches Verfahren – die Galvanotechnik – mit Metall oder galvanischen Farben überzogen. Sollen verschiedene Farben auf ein Zifferblatt aufgebracht werden, kann man Flächen abdecken, sodass ausschließlich bestimmte Bereiche beschichtet werden.

Das Bedrucken von Zifferblättern mit mehreren Farben ist besonders anspruchsvoll: Übergänge müssen klar definiert, jede Linie exakt gezogen sein. Daher gilt es, sorgfältig zu arbeiten und zu kontrollieren.

Das Lackieren der Zifferblätter erfolgt in einer anderen Abteilung: Dort ist der Zutritt verboten, denn ein Staubkörnchen oder ein Haar könnte die Arbeit an einer ganzen Serie zunichtemachen. Auf Gittern liegend werden die Werkstücke in einer Kabine durch gleichmäßiges Aufsprühen lackiert. Oft geht es nicht um einen einzigen Farbton: Ein andersfarbiger Rahmen oder Farbverläufe werden vom Lackierer händisch aufgebracht, was gleichermaßen Erfahrung und Geschicklichkeit erfordert.

Schließlich folgt das Bedrucken des Zifferblatts: Jedes Blatt wird einzeln eingespannt, dann nimmt ein Druckstempel bzw. Silikontampon die Farbe von einem Druckklischee ab und überträgt sie auf das Zifferblatt. Dies kann mehrfach erfolgen, um die Wirkung der Farbe zu intensivieren oder einen dreidimensionalen Effekt zu erzielen. Für ein gutes Ergebnis bedarf es der Erfahrung und genauer Arbeit: Der passende Drucktampon muss ausgewählt und die Farbe präzise angemischt werden.

Als letzter Schritt kann das Aufbringen von Appliken folgen: Ziffern oder Indexe aus Metall, die winzig kleine Füßchen haben, werden in vorgebohrte Löcher auf dem Zifferblatt gesetzt und auf der Rückseite vernietet. Damit ist die Arbeit der Zifferblatt-Spezialisten beendet, und die Aufgabe der Uhrmacher beginnt.

Text: Iris Wimmer-Olbort

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