Arly und DuBois: Uhren mit alten Werken

New Old Stock

Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe: DuBois et fils und Arly since 1947 schalen historische Uhrwerke in neue, zeitgenössisch gestaltete Gehäuse ein und schaffen alltagstaugliche Klassiker ab Werk.
Arly 1947 und Dubois et fils
Die beiden Uhren von Arly since 1947 und DuBois et fils werden von alten Uhrwerken angetrieben.

Am Anfang steht meist ein üppiger Fundus alter Uhrwerke, komplett oder in Teilen, der über mehrere Ecken den Weg zu einem neuen Besitzer fand. Sei es, weil sich ein betagter Uhrmacher endlich in den Ruhestand verabschieden wollte oder weil die Erbengemeinschaft einer erloschenen Uhrenmarke die letzten Bestände versilberte. Man sagt ja, dass mit dem Anbrechen der «Quarzkrise» in den späten 1970er Jahren die Schweizer Uhrenhersteller ihre Lagerbestände im Altmetall entsorgten oder kistenweise in stillen Bergseen versenkten. Doch wer die Mentalität eines Uhrmachers kennt, der ist überzeugt, dass er niemals (!) etwas wegwerfen würde – wer weiß, wozu man es noch einmal gebrauchen kann! So wurden in den Uhrenfabriken fertige und halb fertige Uhrwerke, Fournitüren und Garnituren fein säuberlich in Ölpapier eingeschlagen, in Kartons verpackt und eingelagert. Zum Glück beanspruchen Uhrenteile nicht so viel Platz, und so konnten sie im Dämmerdunkel der Dachböden über fünfzig Jahre Staub ansetzen.

Wach geküsst

Thomas Steinemann würde wahrscheinlich lieber das Bild vom schlafenden Schneewittchen bemühen, das von einem strahlenden Königssohn wach geküsst wurde. Aber der Inhaber der Uhrenmarke DuBois et fils kommt ja auch aus der Konsumgüter-Branche und war lange Jahre in leitender Position für die Uhrenmarke Fossil aktiv. Schon der Crowdfunding-Aufruf 2012 zur Vorfinanzierung der ersten Uhren unter dem Slogan «Die älteste Uhrenfabrik der Schweiz» zeugte von unternehmerischem Geschick und höchster Professionalität, gepaart mit Fingerspitzengefühl für die digitale Welt: Statt ihm einfach Uhren abzukaufen, bot Steinemann den Unterstützern an, sich an der Firma zu beteiligen. Die Möglichkeiten reichten vom regulären Kauf von Firmenaktien bis zum Erwerb von Anteilsscheinen («Token») an den historischen Uhrwerken im Fundus der bis in die 1980er Jahre ununterbrochen aktiven Uhrenfabrik.

Arly Porto Day Date
Die Porto Day Date bleibt im Durchmesser unter 40 mm und wirkt mit ihrer klassischen Ausstattung sehr authentisch.

Robert Reuther hat vor zwanzig Jahren den Nachlass und die Markenrechte der Schweizer Uhrenfirma Arly, gegründet 1947, übernommen – und erst einmal weiterschlummern lassen. Seit zwei Jahren ist der stilsichere Herrenausstatter aus seinem früheren Berufsleben ausgestiegen und kann sich seinen Schätzen widmen: einem stattlichen Fundus an kompletten sowie teilweise terminierten Schweizer Handaufzugund Automatikwerken aus den 1960er und 1970er Jahren, darunter sehr schön finissierte Editionen und auch die eine oder andere Kostbarkeit, bspw. Venus- und Valjoux-Chronographenwerke mit Handaufzug.

Die beiden Herren eint die Idee, die historischen Uhrwerke aufzuarbeiten und in neue, hochwertige Gehäuse einzuschalen, die im Zweifelsfall gern auch ein wenig «retro» aussehen dürfen. Wir haben uns aus Gründen der Vergleichbarkeit für zwei historisierende Taucheruhren aus den Kollektionen der beiden Marken entschieden und mussten feststellen, dass trotz konzeptioneller Ähnlichkeiten eine ganze Reihe von Details zwei äußerst individuelle Produkte kennzeichnen.

ARLY since 1947 Porto Day Date

Arly Detail
Mit der Anzeige von Datum und Wochentag nimmt die Arly since 1947 Day Date eine Sonderstellung unter allen Taucheruhren ein.

Robert Reuther tauft seine Uhrenmodelle nach Orten am spanischen oder portugiesischen Jakobsweg, den er selbst mehrmals beschritten hat. Die Taucheruhren sind nach der portugiesischen Hafenstadt Porto (Oporto) benannt und in zwei Versionen erhältlich, als Porto Date mit Automatikwerk AS 1903 oder als Porto Day Date mit dem AS Kaliber 2066 bzw. dem etwas moderneren Kaliber 2072.

Unser Fotomuster war mit dem Kaliber 2066 ausgestattet. 21.600 A/h waren noch in den 1970er Jahren Standard, und die Bauhöhe von 5,2 mm zeugt von der robusten Konstruktion des Automatikaufzugs, der wie seinerzeit üblich auf ein bestehendes Handaufzugswerk (hier: AS 2064) aufgesetzt wurde. Die Uhr in dieser Ausführung ist auf 100 Exemplare limitiert und kostet 1590 Euro, was wahrlich nicht viel Geld für einen quasi fabrikneuen «Oldtimer» ist, zumal die Uhrwerke vor dem Einschalen nicht nur gereinigt und geschmiert wurden, sondern auch an den Gestellteilen sowie am Aufzugsrotor mit Perlagen fein dekoriert sind.

Arly Werk 2
Erst nach Abnahme des Bodens ist der solide Werkhaltering aus Messing zu sehen.

Das Edelstahlgehäuse hat einen Durchmesser von 39,5 mm und ist 13,3 mm hoch. Die Form orientiert sich am Mainstream der Taucheruhren, der sich seit den ersten Submariner und Fifty Fathoms zu Beginn der 1950er Jahre durchgesetzt hat. Die Drehlünette rastet einseitig und trägt einen hochwertigen Keramik-Einlegering mit 60er-Skalierung, was eher dem gehobenen heutigen Standard entspricht als die in diesem Preissegment oft noch angebotenen eloxierten oder lackierten Aluminiumblechringe. Auch das boxförmige Saphirglas bezeugt die hohe Qualität der Fournitüren.

Das gewölbte Zifferblatt leistet sich mit markanten Stundenziffern bei 2, 4, 6, 8, 10 und 12 mit langen Indexstrichen dazwischen eine eigenständige Optik, die mit einem Satz nostalgisch gezeichneter Zeiger ergänzt wird. Die Krone ist wasserdicht verschraubt (bis 5 bar), der ebenfalls verschraubte Gehäuseboden trägt einen Saphirglaseinsatz.

DuBois et fils DBF007-02

Dubois Zifferblatt
Das Zifferblatt der DuBois et fils DBF007-02 wirkt mit Sonnenschliff und aufgesetzten Leuchtpastillen mit polierter Fassung sehr hochwertig.

Wie es der Zufall will, ist auch die auf 33 Exemplare limitierte Taucheruhr DBF007-02 von DuBois et fils mit einem Automatikwerk von Adolf Schild («AS») ausgestattet. Dabei handelt es sich um das Kaliber 1895 aus den 1960er Jahren, das mit einem Einschalmaß von 31 mm recht groß ausfällt. Der breite Werkring ist wohl eine Reminiszenz an die Kalibervariante mit Wochentagsanzeige, die in einem großen bogenförmigen Fenster am oberen Rand des Zifferblatts erscheint. Mit 5,25 mm Bauhöhe ist es ohnehin kein besonders schlankes Werk, weshalb es in dem 44 mm großen Taucheruhrengehäuse gut aufgehoben ist. Die Rotorgravur verrät, dass das Uhrwerk einst für den Einbau in einer Uhr der Marke Royce vorgesehen war. 330 dieser Uhrwerke hat DuBois et fils im Vorfeld der Uhrenproduktion verkauft bzw. «tokenisiert»: Interessenten konnten Anteilsscheine für eines dieser Uhrwerke kaufen und mussten erst später entscheiden, ob sie dann auch noch die Uhr dazu abnehmen wollten, mit einem zusätzlichen Abschlag von 10 % auf den VK-Preis der Komplettuhr. Falls nicht, wurden sie für die Investition mit einem finanziellen Ausgleich in Höhe der Wertsteigerung belohnt, die das Uhrwerk im Laufe der Finissierung erfahren hat. Das waren im Falle des AS Kaliber 1895 satte 250 %, die sich indes wohl die wenigsten Token-Besitzer ausbezahlen ließen.

So funktioniert das nämlich nicht bei uns Uhren-Aficionados. Wer einmal das System DuBois et fils verinnerlicht hat und sich zur Familie zählen darf, der kauft die Uhr am Ende auch – selbst wenn sie, wie im vorliegenden Fall der DBF007-02 in Edelstahl mit Tropicalband, stolze 6250 Euro kostet.

Dubois Werk
Das verwendete AS Kaliber 1895 ist gut zehn Jahre älter als das 2066 in der Arly und wesentlich schlichter in seinem Finish.

Das ist nahezu der vierfache Preis der oben beschriebenen Sparringspartnerin von Arly since 1947, doch man muss fairerweise gestehen, dass die Qualität von Gehäuse, Zifferblatt und Zeigern bei DuBois et fils in einer anderen Liga spielt. Speziell das individuell für dieses Modell geschaffene Gehäuse ist geradezu sagenhaft gut verarbeitet. Das Design stammt von dem international renommierten Gestalter Stephan Messmer aus Basel, der in seiner Karriere schon zahlreiche epochemachende Kreationen geschaffen hat – über die er natürlich nicht sprechen darf. Bei seinem Basler Nachbarn Thomas Steinemann macht er eine Ausnahme.

Dubois Rückseite
Das individuell für DuBois et fils gezeichnete und produzierte Gehäuse ist ein echter Leckerbissen. Der reliefgravierte Schraubboden steht bei Festsitz stets senkrecht.

Auch das Zifferblatt mit seinem leicht irisierenden Sonnenschliff ist bestechend schön gearbeitet, mit glänzend eingefassten Leuchtpastillen, facettierten Indexen und einem rautenförmigen Zeigerspiel. Der Taucherdrehring ist mit einer Keramik-Ziffernscheibe ausgelegt und an der Griffkante abgeschrägt.

Die individualisierte Krone ist verschraubt und sorgt zusammen mit dem reliefgravierten Schraubboden für eine Wasserdichtheit bis 20 bar oder 200 Meter Tauchtiefe.

Überhaupt der Boden: Er ist mit einem speziellen Gewinde versehen, das bei Festsitz eine exakte Positionierung sicherstellt, sodass das Markenemblem stets senkrecht zwischen den Bandhörnern steht. Auf einen Sichtboden verzichtet DuBois et fils, aber ehrlich gesagt gäbe es da auch kaum Begeisterndes zu sehen: Das AS-Automatikwerk ist schmucklos wie einst im Mai 1960, und auch damals arbeitete es ja schon im Verborgenen.

Dubois Schliesse
Tropical-Kautschukband und Dornschließe sind klassische Ausstattungselemente für Taucheruhren aus der Frühzeit des Breitensports.

Noch lange nicht dasselbe

Arly oder DuBois? Bei näherer Betrachtung ist es noch nicht einmal das Gleiche, was die beiden Retro-Marken mit ihren historisch ausgestatteten, klassisch gezeichneten Uhren im Schilde führen, geschweige denn dasselbe! Denn während Uhrensammler Robert Reuther seine uhrmacherischen «Schätzchen» für sich und seinesgleichen möglichst schnörkellos «von der Stange» einschalt und äußerst preissensibel anbietet, scheint das Erlebnis «Uhren mit Geschichte» bei DuBois et fils beim Kauf erst so richtig anzufangen. Vorkaufsrechte und Uhrwerk-Patenschaften, Blockchain-Dokumentationen, streng limitierte Auflagen und Firmen-Teilhaberschaften erzeugen eine angenehme und engagierte Familienatmosphäre, die sich in der modernen digitalen Community über den ganzen Erdball verbreitet.

Welches Angebot man annimmt, darüber entscheidet am Ende vielleicht noch nicht einmal allein das Preisniveau, sondern die Geisteshaltung.

Text: Peter Braun

Bilder: Jörg Hajt

Direkt zu den Herstellern


Arly since 1947: Porto Date
DuBois et Fils: DBF007-02
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