Gerald Charles MasterlinkNew Heritage
Barocke Kurven, klare Kanten und moderne Materialien kennzeichnen die Uhren der Linie Masterlink, dem letzten Vermächtnis des großen Designers Gérald Genta.
Morteau ist eine kleine Stadt am Fuße des Jura-Gebirgszuges, der Frankreich von der Schweiz trennt. Eine spektakuläre schroffe Felslücke bildet den natürlichen Durchgang von Le Locle auf der östlichen Seite des Berges und Morteau auf der westlichen. Zu beiden Seiten des Massivs entwickelte sich in den letzten dreihundert Jahren eine florierende Uhrenindustrie, die für beide Länder von großer wirtschaftlicher Bedeutung ist. Beziehungsweise war, denn während die Schweiz die verheerende «Quarzkrise» in den achtziger Jahren mit großer Anstrengung überwinden konnte, gingen in der französischen Uhrenlandschaft nach und nach die Lichter aus. Die gut ausgebildeten, hoch qualifizierten französischen Fachkräfte mussten sich bei Schweizer Uhrenfirmen verdingen, und bis heute passieren jeden Tag Tausende von französischen Uhrmacherinnen und Uhrmachern die Grenze, um in den Fabriken und Manufakturen in Le Locle, La Chauxde-Fonds und den Schweizer Freibergen zu arbeiten. Ein paar Hundert verdienen ihr Geld im eigenen Land in den Zuliefer betrieben zwischen Maiche, Charquemont und Villers-le-Lac, und einige Glückspilze bauen in Morteau mechanische Armbanduhren mit dem Prädikat «Manufacture Française».
Die Uhrenmarke Yema produziert seit 1948 «Tool Watches» speziell für Taucher, Segler, Piloten und Motorsportler und ist wegen ihrer Rolle als Ausstatterin des französischen Militärs in ihrer Heimat ein Synonym für Robustheit und Präzision. Die heutige Besitzerfamilie Bôle blickt auf eine lange Uhrmachertradition zurück und hat in den letzten Jahren viel bewegt, um die Uhrenmarke mit neuem Leben zu erfüllen. Die Werkstätten von Yema befinden sich noch heute in Morteau, nur wenige Kilometer vom schweizerischen Le Locle entfernt.
Design, Prototyping und Montage werden in den eigenen Ateliers von erfahrenen Uhrmachern per Hand und mit großer Präzision ausgeführt. Die Teilefertigung ist an größtenteils französische und Schweizer Zulieferer ausgegliedert. Was Yema bislang fehlte, war ein modernes Produktportfolio mit unverwechselbarem Stil und ebenso unverwechselbarer Technik. Hier kam den Bôles der französische Uhrmacher Olivier Mory zu Hilfe, der sich auf die Entwicklung und (teilweise) Produktion neuer Uhrwerke spezialisiert hat. Mory ist ein Absolvent der berühmten Uhrmacherschule von Morteau und daher mit dem Nimbus der Marke Yema bestens vertraut. Er konzipierte für Yema ein exklusives Automatik-Manufakturwerk mit Mikrorotor, Kaliber CMM.20, mit dem die hier besprochene Yema Wristmaster Slim ausgerüstet ist.
Die Marke Pequignet blickt ebenfalls auf eine über 50-jährige Geschichte zurück. Sie wurde 1973 von Emile Péquignet gegründet, der sich nach dem Niedergang der mechanischen Uhrmacherei in seiner Heimat mit ausdrucksstarken Designs im Schmucksektor einen Namen machte. Auch seine Zeitmesser glänzten mit einem unverwechselbaren Stil, der in der Bicolor-Epoche der achtziger und neunziger Jahre europaweit als Beispiel für französisches Uhrendesign galt. Nach der Jahrtausendwende übernahm Ex-Zenith-Manager Didier Leibundgut die Firma, um mit staatlicher Unterstützung die Uhrenindustrie im französischen Jura wieder zu alter Größe zu führen. 2010 gründete er die Manufacture Pequignet, deren komplett neu entwickeltes, technisch ambitioniertes Calibre Royal für großes Aufsehen sorgte. Der wirtschaftliche Erfolg ließ jedoch auf sich warten, und so wurde die Firma erst verkauft, dann von vier Belegschaftsmitgliedern zurückgekauft und neu organisiert. Seit 2021 engagiert sich der von der Familie Souparis geführte französische Investmentfonds Enowe mit 80 % der Anteile an Pequignet und finanziert die Entwicklung einer neuen Modellpalette und eines neuen, eher konventionellen Manufakturkalibers namens «Initial», mit dem die auf diesen Seiten besprochene Pequignet Concorde ausgestattet ist.
Peter Braun: Von der Papierform her hätte man annehmen können, dass hier zwei Marken im selben Teich fischen, doch schon beim Auspacken fallen einem die Unterschiede ins Auge. Die Yema Wristmaster ist eine ehrliche Tool Watch, wenn auch im schönsten Sonntagsstaat. Das aus Lünette, Mittelteil und Boden zusammengeschraubte Gehäuse macht jedoch keinen Hehl aus seiner Robustheit, schützt die – verschraubte – Krone mit hochgezogenen Flanken.
Die Pequignet Concorde spielt mit polierten Fasen und satinierten Flächen, vermeidet scharfe Kanten und leistet sich stilistisch (Gliederband!) einige Extravaganzen. Das Gehäuse ist kissenförmig, das Zifferblatt rund und in der 36-mm-Version exakt so groß wie bei der Yema (28 mm Durchmesser). In unserer Auswahlsendung befand sich auch eine 40-mm-Variante, die wir eigentlich für den Vergleich vorgesehen hatten. In Wirklichkeit passt das kleinere Modell von den Dimensionen allerdings besser zur 39 mm großen Yema Wristmaster Slim. Die Durchmesserangaben bei quadratischen Uhren sind eben nur mit Vorsicht zu genießen.
Tobias Schaefer: Da kann ich dem Kollegen nur zustimmen, denn wie so oft kommt es eher auf das Tragegefühl als auf die technischen Daten auf dem Papier an. Die Zifferblätter sind mit aufgesetzten Indexen, polierten und facettierten bzw. skelettierten Zeigern ähnlich aufwendig ausgestattet. Überrascht haben mich die wohl absichtlich nicht perfekt ausgeführten Streifen auf dem Zifferblatt der Yema, die an natürliche Strukturen oder Wellen erinnern sollen. Das Zifferblatt der Pequignet dagegen ist fein gebürstet.
Die Gliederbänder sind gut bis sehr gut verarbeitet und zudem mit hochwertigen Doppelfaltschließen ausgestattet. Beide bewahren sich eine stilistische Eigenständigkeit, wobei das Doppelwellenmotiv der Pequignet Erinnerungen an die Uhren- und Schmucklinie Moorea weckt – ein typisches Neunziger-Jahre-Design. Die Details sprechen für die Pequignet: Ihr Gliederband punktet mit einzeln verschraubten statt gestifteten Bandgliedern, und die sorgfältig abgekanteten Bandelemente scheinen mir doch etwas aufwendiger verarbeitet. Dafür bietet die Yema eine Schnellverstellung der Bandlänge, die durch einfaches Auseinanderziehen der letzten beiden Bandverbindungen 2 x 3 mm Spielraum gibt – gute Idee!
PB: Mit ihren flachen Gehäusen und geschmeidigen Gliederbändern schmiegen sich die beiden Uhren förmlich um die Handgelenke und schlüpfen mühelos unter Manschetten. Die etwas scharfen Kanten am Yema-Band sind am Arm nicht zu spüren, und dass sich die Faltschließe der Pequignet nur in der richtigen Reihenfolge der Bandhälften schließen lässt, hat man schnell verinnerlicht. Die bereits erwähnten schönen Zifferblätter geben sich zumindest bei Tageslicht in puncto Ablesbarkeit keine Blöße.
Das Pequignet Kaliber «Initial» soll laut technischer Beschreibung über eine besonders effektive und reibungsarme Verzahnung im Aufzug verfügen, was wir so nicht nachprüfen konnten. Dass sich die patentierte Datumsschaltung leise und weich vollzieht, fiel mir indes auf, und auch die jederzeit mögliche manuelle Schaltbarkeit, sogar kurz vor Mitternacht, kann ich bestätigen. Das Kaliber CMM.20 der Yema hat keine Datumsanzeige – und leider auch keinen Sekundenstopp beim Ziehen der Krone.
TBS: Ja, ein Sekundenstopp wäre eine feine Sache und steht auf meinem Wunschzettel für das Nachfolgekaliber von Yema. Die präzisere Möglichkeit zur Zeiteinstellung macht schon einen Unterschied – in diesem Falle zugunsten der Pequignet. Bei der Ablesbarkeit wiederum hat für mich allerdings klar die Yema die Nase vorn, denn ihre silbrigen Zeiger und Stundenmarker sorgen, verglichen mit den Ton in Ton gehaltenen Zeigern und Indexbalken der Pequignet, für deutlich mehr Kontrast zum Hintergrund. Wobei fairerweise gesagt werden muss, dass die Marke auch andere Farb-Konfigurationen anbietet.
Allgemein war ich wirklich überrascht, wie gut mir die beiden Armbanduhren mit ihren Zifferblättern in Ocker am Handgelenk gefallen haben. Der Kontrast zwischen Gehäuse aus Stahl und goldfarbenem Zifferblatt konnte mich in der Realität tatsächlich überzeugen. Subjektiv unterscheidet sich das Tragegefühl der beiden Kandidaten jedoch gewaltig. Während die Pequignet für mich eine elegante Dresswatch ist, wirkt die Yema auf mich in der Tat eher sportlich.
PB: Das stärkste Argument für beide Uhren sind ganz klar ihre Uhrwerke. Völlig eigenständige Manufakturkaliber sind in dem gewählten Preissegment sehr selten, und die sowohl von Yema als auch von Pequignet für sämtliche Komponenten versprochenen Herkunftsnachweise aus einem eng begrenzten Gebiet rund um Morteau (teilweise auch in der Schweiz gelegen) machen die Sache für uns noch interessanter.
Yema hat mit einem extraflachen Mikrorotor-Werk das technisch interessantere Angebot und punktet beim Uhren-Stammtisch mit schwer zu toppender Extravaganz. Dagegen nimmt sich das Kaliber Initial (EPM03) von Pequignet mit seinem konventionellen Zentralrotor irgendwie braver aus, obwohl die Architektur mit ihrer flächigen Räderwerk- und Automatikbrücke auch ein eher seltener Anblick ist. Das Finish ist deutlich hochwertiger als bei der Yema, wenngleich Anglierungen oder polierte Schraubenköpfe auch hier wohl das Budget gesprengt hätten. Bei der Yema verlaufen die Streifen der Zierschliffe in Wölkchen, und auch die Lasergravuren sind nicht so scharf konturiert, wie man es erwartet hätte. Dafür stimmt die technische Ausstattung mit sauberer Exzenterführung des Rückerzeigers und einer soliden, beidseitig aufliegenden Unruhbrücke.
TBS: Schlimm finde ich es nicht, aber der unerbittliche Zoom der Kamera bestätigt etwas fehlende Farbe in der Beschriftung +Cal. Manufacture Morteau 20», dessen Unruh mit knapp 7 mm übrigens ziemlich klein geraten ist, während die Pequignet-Unruh mit stolzen 9 mm irgendwie souveräner wirkt. Trotzdem: Ein Mikrorotor in dieser Preisklasse ist schon für sich genommen ein sehr spannendes Detail. Beide Werke haben relativ große Durchmesser, was es den Konstrukteuren ermöglichte, anständig dimensionierte Federhäuser einzubauen und so 65 bzw. 70 Stunden Gangreserve herauszuholen, trotz der schnellen Taktung von 4 Hz (28.800 A/h).
PB: Leider hatte das Uhrwerk unserer Yema – wahrscheinlich beim Versand – offenbar einen kräftigen Schlag abbekommen, sodass die Gangwerte völlig aus dem Ruder liefen. Ein Nachgang von bis zu einer Minute und Unruh-Amplituden jenseits der 300 Grad lassen auf einen Defekt der Spirale schließen. Leider war am Ende die Zeit zu knapp, um ein zweites Exemplar zu Vergleichs zwecken heranzuziehen, sodass die Yema Wristmaster in dieser «Probezeit» ohne Gangprotokoll bleibt.
Dafür verhielt sich das Kaliber Initial der Pequignet auf unserer Witschi-Zeitwaage ganz manierlich, wenngleich es für unseren Geschmack etwas zu stark (-6,5 Sekunden) ins Minus reguliert war. Da der Gang insgesamt ausgeglichen ausfiel, wäre dieser Nachgang aber leicht zu korrigieren.
TBS: Aus meiner Sicht hat die Pequignet das Rennen für sich entschieden, gerade das ungewöhnliche Gliederband und die abgerundete quadratische Form sowie die ausgefeilte Verarbeitungsqualität (die man natürlich mitbezahlt) machen für mich den Unterschied zur Yema, die allerdings ebenfalls eine verdammt verlockende Wahl darstellt. Ob mir die Concorde nun allerdings eher in 36 oder 40 mm ans Handgelenk kommen würde, habe ich noch nicht entschieden. Und auch hinsichtlich der Zifferblattausführung bin ich sowohl bei Yema als auch bei Pequignet unentschlossen. Ich hätte Sorge, mich am Ocker sattzusehen. Zum Glück bieten beide Marken ihre Modelle aber auch in anderen Farben an.
PB: Ich gebe es zu: Der Mikrorotor der Yema hat mich von Anfang an in seinen Bann gezogen, und der im Text erwähnte Stammtischbruder – nun, das bin ich. Und weil meine Uhren am Fahrradlenker oder bei der Gartenarbeit auch mal einen Knuff wegstecken müssen, freue ich mich über Details wie eine verschraubte Krone samt Schutzschultern.
Preislich liegt die Pequignet deutlich über der Yema, und leider bin ich in die selbst aufgestellte Falle der «Manufacture Française» getappt: Dieser ungleiche Vergleichstest war einfach zu verlockend. Doch die sehr schön gemachte und in allen Details hochwertiger verarbeitete Pequignet tritt eigentlich in einer anderen Liga an.
Text: Peter Braun, Tobias Schaefer
Bilder: Tobias Schaefer