Technik: Das neue Reguliersystem von Rolex

Tour de Force

Juli 2025. Mit der Dynapulse genannten Hemmung aus Silizium-Komponenten, der Syloxi-Spirale und der Unruhwelle aus Keramik samt verbesserter Stoßsicherung ist das Kaliber 7135 der Schlüssel zur zukünftigen Rolex-Uhrwerktechnik.
Rolex Land-Dweller 40 Everose (1)

Im Sog und Strudel der Neuheiten-Berichterstattung zur Watches and Wonders hat die neue Rolex Land-Dweller mit ihrem nostalgischen Gehäusedesign und ihrer zukunftsweisenden Uhrwerktechnik für einiges Aufsehen gesorgt und viele vorschnelle Schlüsse provoziert. Kein Wunder: Der Entwicklungssprung ist schlichtweg so groß, dass niemand mit einem solchen Coup gerechnet hatte.

Filigrane Erscheinung, aber bei 36.000 A/h ist Leichtbau angesagt. Eine Stärke der Dynapulse-Hemmung sind die geringen Hebewinkel.

Sieben Jahre Entwicklungszeit

Noch relativ leicht verständlich ist die Wahl neuer Materialien, zum Beispiel Keramik für die Unruhwelle oder Silizium für die Hemmungsbauteile. Obwohl sich manch einer gewundert haben mag, warum die Verwendung des hochpräzise formbaren, sehr leichten und an der Oberfläche spiegelglatten Kunstkristalls in Genf so lange auf sich warten ließ. Schließlich war Rolex bereits vor über zwanzig Jahren Partner des Entwicklungsprogramms des CSEM und der Universität von Neuchâtel zur Erforschung und Entwicklung des Wundermaterials. Die anderen Partner Patek Philippe und Swatch Group verwenden Silizium schon lange für Spiralen und Anker, Rolex wagte erst 2014 den Schritt zur eigenen Syloxi-Spirale, die aber neben der konventionellen Parachrom-Spirale noch immer ein Mauerblümchendasein fristet. Auch die 2021 eingeführte Chronergy-Hemmung verwendet metallische Einzelteile aus Nickel-Phosphor, hergestellt im photolithografisch-galvanischen LIGA-Verfahren. Erst 2025 präsentiert die Marke mit der Krone die erste Hemmung aus Silizium – nach sieben Jahren Entwicklungsarbeit. Man hatte also bereits zu Chronergy-Zeiten mit der Konzeption der Dynapulse begonnen.

Kein «Echappement Naturel»

Als Basis für das neue Kaliber 7135 dient das flache Automatikwerk aus der Rolex Perpetual 1908.

Ihre Architektur mit zwei ineinandergreifenden Hemmungsrädern weckt auf den ersten Blick Assoziationen mit der Abraham-Louis Breguet zugeschriebenen «natürlichen» Hemmung von 1789, und obwohl die zur Verfügung stehenden Unterlagen bei der Präsentation der Land-Dweller keine Hinweise in diese Richtung enthielten, machte rasch das Schlagwort vom «Echappement Naturel» die Runde. Dabei fehlt der Dynapulse hierzu eine wichtige Zutat: die direkt und ohne Übertragungsglied wirkende Hemmung! Von den viel zu schweren Koppelungsrädern ganz zu schweigen …

Auch die Unruhwelle aus Hightech-Keramik (weiß) und die Syloxi-Spirale aus einem SiliziumCompound tragen zur Performance der Hemmung bei.

Sir George Daniels löste im 20. Jahrhundert das Massenträgheitsproblem dadurch, dass er bei seiner «Independent Double Wheel»-Hemmung das schwere doppelte Räder-Ensemble trennte und durch einen Hebel synchronisierte, und Prof. Ludwig Oechslin bereitete im 21. Jahrhundert mit zwei verbundenen Impulsrädern für das Stoppen des Räderwerks und das Anschubsen der Unruh den Boden für die Serienfertigung eines «Echappement Naturel»: Die im Modell «Freak» von Ulysse Nardin verwirklichte Dual-Direct-Hemmung (2001) war erstmals komplett aus Silizium gefertigt, superleicht und mit perfekten Oberflächen. Ihre Nachfolgerin Dual Ulysse (2007) war dann aber eines schon nicht mehr: «direkt». Das Schlüsselmerkmal der Chronometerhemmung war auf der Strecke geblieben, denn der Impuls an die Unruh erfolgte indirekt über einen kleinen Anker («Impulswippe»).

Eigentlich eine Ankerhemmung

Inspirationen für die Dynapulse waren das Independent Double Wheel Escapement von Daniels (u.) und die Dual Ulysse (o. l.). Die Omega Co-Axial (o. r.) stammt ebenfalls von Daniels.

Das ist auch bei der Rolex Dynapulse der Fall, auch wenn die Impulswippe hier etwas anders gestaltet ist und die beiden Hemmungsräder sechs statt fünf (wie bei Oechslin) Impulszähne aufweisen. Die Dynapulse schwingt auch schneller, mit strammen 36.000 A/h, die natürlich mehr Energie konsumieren als 28.800 A/h. Aber die Effizienz der neuen Rolex-Hemmung ist offenbar so hoch, dass die Gangreserve des Kalibers 7135 lediglich 20 % ihrer Gangreserve einbüßte (60 Stunden gegenüber 72 Stunden beim Basiskaliber 7140 mit 28.800 A/h und konventioneller Chronergy-Ankerhemmung). Auch wenn sie auf den Direktimpuls einer Chronometerhemmung verzichtet, sorgt die sequenzielle Aufgabenverteilung auf zwei Hemmungsräder für eine Kinematik ohne Reibungsflächen: Alle Kontakte werden nur kurz aufrecht gehalten und schlagartig freigegeben. Das spart Energie.

Streng genommen gehört die Dynapulse wie die Dual Direct in die erweiterte Familie der Schweizer Ankerhemmungen, was sie im technischen Ranking der Sammler klar unter den Chronometerhemmungen bzw. den Hemmungen mit direktem Impuls positioniert. Zu diesen zählt auch die Co-Axial-Hemmung von Omega, die auf einer Erfindung des eingangs erwähnten George Daniels basiert und deren Unruh zumindest einen der beiden Antriebsimpulse direkt von einem zweiten (koaxial angeordneten) Hemmungsrad empfängt. Swatch-Group-Kapitän Nicholas G. Hayek war 1999 ein großes Risiko eingegangen und musste viel Lehrgeld bezahlen. Epochal bessere Gangwerte als bei einer guten konventionellen Ankerhemmung waren nicht zu erwarten. Aber die Entwicklung der komplexen horologischen Spezialität zu absoluter Alltagstauglichkeit und bedingungsloser Funktionssicherheit hat die Ingenieure in Biel und im Vallée de Joux manches graue Haar gekostet.

Ob sich die Omega-Käufer von heute bewusst sind, welches technische Kleinod die Uhr an ihrem Handgelenk birgt? Werden die Rolex-Käufer der Zukunft die uhrmacherische Tour de Force der mit sechs Patenten belegten Dynapulse-Hemmung zu schätzen wissen?

Und überhaupt: Gehören jetzt alle bisherigen Rolex-Modelle zum alten Eisen?

Text: Peter Braun

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