Omega Seamaster Ultra Deep Professional

Tiefer geht nicht

Omega hat Lieblings-Konkurrent Rolex die Krone der Tiefsee entrissen und mit 10.935 Metern einen Tauchrekord für die Ewigkeit aufgestellt. Im Mai 2019 schrieb die Seamaster Planet Ocean Ultra Deep Geschichte.
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Omega Seamaster Planet Ocean Ultra Deep Professional

Der Abenteurer und Extremsportler Victor Vescovo ist ein reicher Mann. Seine Expeditionen finanziert der erfolgreiche amerikanische Geschäftsmann selbst. Auch die Omega Seamaster, die ihn auf seinen Tauchgängen zu den tiefsten Stellen in den fünf Weltmeeren begleiten sollte, kaufte er privat bei seinem Juwelier in Dallas. Dass der Schweizer Uhrenhersteller die Gelegenheit erhielt, ihm einen speziellen Zeitmesser für seine Ausflüge in die Tiefsee zu bauen, war reiner Zufall. Wahrscheinlich wäre Omega viel früher in Vescovos Projekt «Five Deeps» eingestiegen, doch bis die Ultra-Taucheruhr im Mai 2019 – geprüft, getestet und zertifiziert – endlich zur Verfügung stand, war der bärtige Texaner schon zu den tiefsten Stellen im Atlantik, im Indischen Ozean und in der Südsee hinabgetaucht. Seine Seamaster trug er dabei stets am Handgelenk. Aber da wurde sie ja nicht nass.

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Bodengravuren der Seamaster Ultra Deep Professional

Den Elementen trotzen

Um es vorwegzunehmen: Ohne schützende Hülle kann ein Mensch maximal ein paar Hundert Meter tief hinabtauchen (der Rekord liegt bei 333 Metern), dann wird der Wasserdruck zu hoch. Selbst ein durchtrainierter Sportler hat keine Chance gegen die Wassersäule, die mit einem Gewicht von 33 kg auf jeden Quadratzentimeter seiner Körperoberfläche drückt. In 10.000 Metern Tiefe ist es 1 Tonne. Pro Quadratzentimeter.
Die «Trieste» erreichte 1960 als erstes Tauchboot eine Tiefe von über 10.000 Metern unter dem Meeresspiegel, was für die christliche Seefahrt einer Sensation gleichkam – auch wenn Uhrenfreunde bei dieser historischen Leistung eher an die speziell ausgerüstete Rolex Submariner mit ihrem dicken «Bubble»-Glas denken mögen, die an der Außenhülle des U-Boots befestigt war. Es sollte über fünfzig Jahre dauern, bis ein Expeditionsteam wieder mit einer Uhr in den Marianengraben hinabtauchte, die Rekordtiefe von 1960 aber um ein paar Meter verpasste. Historisch bedeutsam war James Camerons Ausflug in die Tiefe dennoch, denn die außen an seiner «Deepsea Challenger» befestigte Rolex sah aus wie eine normale Armbanduhr. Ihre enorme Druckfestigkeit bezog sie aus einem Stützring im Gehäuse sowie üppig dimensioniertem Boden und Glas.

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Ein Stück Titan-Außenhaut der «Limiting Factor» diente als Rohmaterial für das Ultra-Deep-Gehäuse.

Unter Druck

Dadurch, dass Omega erst zu Victor Vescovos Expedition stieß, als die Operation «Five Deeps» bereits angelaufen war, konnten die Uhrmacher vom technischen Know-how der U-Boot-Bauer der Triton-Werft profitieren. Die «Limiting Factor» war nicht als Rekordbrecher, sondern als kommerziell nutzbares Tauchboot für größte Tiefen konzipiert, getestet und zertifiziert nach den Normen der internationalen Klassifikationsgesellschaft DNV-GL. Mit seinen fünf aufeinanderfolgenden Extrem-Tauchfahrten will Vescovo unter anderem beweisen, dass die technischen Anforderungen an die Tiefsee-Forschungsausrüstung heutzutage auch in Serienfertigung erfüllbar sind.
Für das Gehäuse der Omega Seamaster Ultra Deep Professional spendierte die Triton-Werft einen Block aus demselben hoch legierten Titan, das auch für die Außenhülle der «Limiting Factor» verwendet wird. Und auch bei der Konstruktion durften die Uhrmacher den U-Boot-Spezialisten über die Schulter schauen.
Im Grunde ist das Uhrenglas nichts anderes als ein kleines Bullauge, und bei einer derart hoch druckbelasteten Öffnung müssen besondere Vorkehrungen für die Abdichtung getroffen werden. So wird das Glas zu einem Kegelstumpf geschliffen, damit es sich durch den Druck von außen nicht nur stärker gegen die konkave Dichtfläche presst, sondern gleichzeitig auch die umgebende Gehäusewandung auseinanderdrückt und damit stabilisiert. Nicht von ungefähr hat das Mittelteil des Ultra-Deep-Gehäuses in der Seitenansicht eine ausgeprägte Trapezform: Die über den Druck auf das Saphirglas eingeleiteten Kräfte werden vom Zentrum weg nach außen gelenkt.
Eine konventionelle Glasdichtung aus Nitril oder Kautschuk würde sich unter dem enormen Druck von mehreren Tonnen förmlich verflüchtigen. Am besten wäre ein direkter Kontakt von Glas und Gehäusemetall, doch die Ansprüche an die Wasserdichtheit steigen mit jedem Bar Überdruck, und die Oberflächen zweier derart harter Materialien lassen sich nicht fein genug bearbeiten. Die Lösung des Problems fanden die Omega-Ingenieure in einem Material, das sie bislang hauptsächlich für dekorative Zwecke verwendet hatten: Liquidmetal.
Das acht Millimeter dicke Saphirglas wird mit einem konisch geformten Zwischenring aus Liquidmetal in die Gehäuseöffnung eingelegt und unter hohem Druck und Temperatur in einem patentierten Verfahren zusammengebacken. Das Liquidmetal verflüssigt sich kurzzeitig und füllt die mikroskopischen Vertiefungen in den Dichtflächen aus Glas und Titan, um danach wieder zu hartem Metall zu erstarren. Durch die Wölbung des Glases drückt es sich bei zunehmendem Druck nur umso stärker gegen die konkave Wandung seines Gehäusesitzes.

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Mit knapp 28 mm Höhe ist die Seamaster Ultra Deep Professional noch tragbar dimensioniert.

Seamaster Ultra Deep Professional

Mit ihrer charakteristischen Zifferblatt-Typografie und Zeigerform ist die Ultra Deep unschwer als Seamaster zu identifizieren. Aufgesetzte Stundenmarker mit Leuchtmasse und blaue Orientierungsziffern zieren das tief mattschwarze Zifferblatt, die Drehlünette ist mit Teilstrichen und Ziffern aus Liquidmetal versehen und trägt einen Leuchtpunkt im Dreieck. Eine Besonderheit des mit 28 Millimetern (inklusive Lünette und Glas) recht hohen Titangehäuses sind die geschlitzten Bandanstöße, die wie die Kopfflügel eines Manta-Rochens geformt sind und das Einfädeln eines durchgeschleiften Textilbandes ermöglichen. Belastungstests haben ergeben, dass die offene Form der Anstoßbügel weniger Spannung ins Gehäuse einleitet als ein durchgehender Bügel.
Im Innern des Gehäuses versieht ein Omega Co-Axial Kaliber 8912 mit Automatikaufzug nach Standard-Spezifikationen des Master Chronometer seinen Dienst. Das bedeutet, dass das Uhrwerk durch die Verwendung zahlreicher Silizium-, Nivagauss- und Titan-Bauteile in der Hemmung bis mindestens 15.000 Gauß amagnetisch ist. Zwei Federhäuser gewähren ihm eine Gangreserve von 60 Stunden, damit man die Aufzugskrone möglichst niemals aufschrauben muss.
Der wie das Gehäuse aus Titan gefertigte Boden trägt ein umlaufendes Gewinde und ist mit verschiedenen Lasergravuren versehen, die unter anderem auf die Mission «Five Deeps» hinweisen. Hier steht auch zu lesen, dass die Uhr unter Laborbedingungen auf 15.000 Meter Tauchtiefe bzw. 1500 bar Druckfestigkeit getestet wurde, was der nach Taucheruhrnorm vorgeschriebenen Sicherheitstoleranz von +25 % entspricht. Und nicht zuletzt verrät die Bodengravur auch den Modellcode der in drei Exemplaren gefertigten Seamaster Ultra Deep Professional, FOD X1-3, wobei das Kürzel für «Full Ocean Depth» steht, «volle Meerestiefe».

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Das große Abenteuer

Alle drei Seamaster Ultra Deep Professional gingen im Mai 2019 mit Victor Vescovo auf Tauchstation in den Marianengraben, dem tiefsten Punkt der Erdoberfläche. Jeweils eine Uhr war an einem Greifarm der «Limiting Factor» befestigt, die dritte an einem Landemodul, das vom Tauchboot abgekoppelt wird, um am Meeresboden wissenschaftliche Daten zu sammeln.
Inzwischen ist die Spalte am Grund des Pazifischen Ozeans gut vermessen, sodass Vescovo sich den absolut tiefsten Punkt aussuchen konnte. Die «Trieste» war 1960 in einem flacheren Teil des Marianengrabens, und außerdem hielt die Besatzung einen Respekts- bzw. Sicherheitsabstand von vier Metern zum Meeresboden, um keine Beschädigung der Hülle zu riskieren. 10.910 Meter betrug die damals erreichte Tiefe. Die «Limiting Factor» erreichte im Challenger-Tief genannten Abschnitt im Marianengraben 10.928 Meter und verbesserte den seit fast sechzig Jahren bestehenden Weltrekord um immerhin 18 Meter.
Das aber gleich zweimal, denn nach dem Rekordtauchgang kam das abgekoppelte Landemodul nicht wieder an die Oberfläche zurück: Es hatte sich am Meeresboden verhakt. Die Mannschaft überlegte kurz, ob sie das teure Gerät einfach so am Meeresgrund zurücklassen sollte, entschloss sich dann aber zu einem Bergungsversuch.
Als «Rettungskreuzer» kam wiederum nur die «Limiting Factor» infrage, denn kein anderes Tauchboot ist für mehrere Einsätze in Tiefen über 10.000 Metern ausgestattet oder auch nur konzipiert. Und so gingen die beiden Seamaster Ultra Deep Professional ein zweites Mal auf Tauchmission, um ihre «Kollegin» aus der misslichen Lage zu befreien. Diese hatte am Ende 56 Stunden in über 10.000 Metern Wassertiefe verbracht – und dicht gehalten!
Weitere Rekorde können zukünftig nur noch in Dauer oder Repetition aufgestellt werden.


Victor Vescovo
Victor Vescovo nach seinem zweiten Solo-Tauchgang in den Marianengraben.

Victor Vescovo

Der texanische Investment-Profi hat sich in den letzten zwanzig Jahren als ehrgeiziger und erfolgreicher Extremsportler und Expeditionsteilnehmer einen Namen gemacht. 2017 gelang ihm als 12. Amerikaner der «Explorers Grand Slam»: Nur wenigen Menschen ist es bislang gelungen, die sieben höchsten Berge zu besteigen und jeweils mindestens 100 Kilometer weit auf Skiern in Richtung Nord- und Südpol zu marschieren. 2019 könnte Victor Vescovo der erste Mensch werden, der die sieben höchsten und die fünf tiefsten Punkte der Erde auf allen fünf Kontinenten besucht hat. Schon jetzt hat er mit der Besteigung des Mount Everest und dem Abtauchen in den Marianengraben als erster Mensch beide Extreme ausgelotet.

Dass zuvor noch niemand auf die Idee gekommen war, zu den tiefsten Punkten in den fünf Weltmeeren hinabzutauchen, erscheint verwunderlich. Doch vor Victor Vescovo war tatsächlich noch kein Mensch jemals im Puerto-Rico-Graben im Atlantik, im Java-Graben im Indischen Ozean, im South-Sandwich-Graben in der Südsee oder in der Molloy-Tiefe in der Arktis – geschweige denn in allen vier genannten Locations – plus der Challenger-Tiefe im Marianengraben. Nur die Molloy-Tiefe in der eiskalten Nordsee fehlt Victor Vescovo noch zur Komplettierung einer «Five Deeps»-Expedition, in deren Verlauf er an die 50 Einsätze von Landemodulen gesteuert haben wird, um wissenschaftliche Untersuchungen am Meeresgrund durchzuführen. Sein Tauchboot «Limiting Factor» wird dann über 72.000 Tiefenmeter zurückgelegt haben.

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