Longines im Aufwind

«Wir können es uns leisten, die Rosinen herauszupicken»

November 2022. Uhren, Geschichte und Kunst sind Matthias Breschans Leidenschaften. Im Juli 2020 übernahm er die Leitung von Longines, nachdem er bereits zwei Schwestermarken in der Swatch Group geführt hatte: Rado (neun Jahre) und Hamilton (sieben Jahre). Seit 2005 ist er Mitglied des erweiterten Verwaltungsrats. Und uns gab er am 10. November 2022 dieses Interview.
Matthias Breschan CEO Longines
Matthias Breschan, CEO Longines

Herr Breschan, wie laufen die Geschäfte für Longines? Sind Sie gut durch die Corona-Krise gekommen?

Matthias Breschan: Ich habe zum 1. Juli 2020 als CEO bei Longines angefangen. Zu diesem Zeitpunkt waren fast alle unsere Verkaufsstellen auf der ganzen Welt geschlossen – wegen Corona. Einen schlechteren Zeitpunkt kann man sich nicht vorstellen für den Einstieg in einen neuen Job. Aber ich habe rasch gelernt, dass eine starke Marke sich über solche Einschränkungen hinwegzusetzen vermag: Im August 2020 haben wir bereits einen höheren Umsatz erzielt als im August des Vorjahres, also vor Corona. Und 2018/2019 waren bis dato unsere Rekordjahre gewesen! Wir konnten in der zweiten Jahreshälfte 2020 dann zwar nicht alle Einbußen kompensieren, aber die Katastrophe blieb für uns aus, definitiv.


Also alles richtig gemacht?

Matthias Breschan: Vielleicht hatten wir uns bis dahin ein bisschen zu sehr auf den Heimatmarkt konzentriert, wo wir mit den Touristen stets ein sehr einträgliches Geschäft hatten. Als die Touristen dann mit einem Mal ausblieben, hatten wir ein Problem, wie viele andere auch. Zumal einige Händler ihr Angebot völlig auf den Geschmack und die Bedürfnisse der Touristen ausgerichtet und den heimischen Kunden etwas aus den Augen verloren hatten. Da haben sie – und wir mit ihnen – Lehrgeld bezahlt. Aber 2021 war unterm Strich ein sehr gutes Jahr, das drittbeste in unserer Geschichte. 2022 präsentiert sich auch sehr positiv, insbesondere in Europa, den USA sowie im Nahen und Mittleren Osten. Und unser Ziel ist ganz klar: 2025 wollen wir 2 Milliarden Euro Jahresumsatz erreichen.


Sie betonen gerne die zwei wichtigen Säulen des Produkt-Portfolios: Eleganz und Geschichte …

Matthias Breschan: Wir haben in den letzten Jahren damit begonnen, die zahlreichen Schätze aus unserer 190-jährigen Geschichte zu heben. Ich bin seit über zwanzig Jahren in der Uhrenbranche, und dennoch habe ich Vieles nicht gewusst. Gerade eben habe ich erfahren, dass Longines schon zu Taschenuhrzeiten Uhren mit zwei Zeitzonen produziert hat. Auch die Einführung des zweiten Chronographendrückers geht auf das Konto von Longines, bei den Schnellschwingern waren wir ganz vorne mit dabei. Wir haben in der Pipeline inzwischen eine ganze Serie von Uhrwerken, die eigens für uns entwickelt wurden und uns in der Swatch Group exklusiv zur Verfügung stehen, um die Geschichte von Longines zu erzählen.


Longines Spirit Zulu Time
Longines Spirit Zulu Time

Also eine Kurskorrektur in Richtung Premium-Preissegment?

Matthias Breschan: Beileibe nicht! Wir wollen Longines nicht neu positionieren. Wir bleiben das, was wir immer waren, und bleiben auch in unserem traditionellen Preissegment von 1000 bis 5000 Euro – über uns Omega, unter uns Tissot. Die exklusive Technik ist natürlich etwas teurer, so dass durch die neuen Modelle die obere Häfte unseres Preissegments, 2500-5000 Euro, deutlich gestärkt wird. Aber wir sind andererseits schon ein wenig stolz darauf, dass wir in diesem Segment den «state of the art» repräsentieren können, weil unsere Meilensteine der Technik entsprechend ausgestattet sind.


Technik gepaart mit Geschichte spielt in Zukunft also eine wichtigere Rolle?

Matthias Breschan: Longines war immer eine Pioniermarke, die mit Forschern, Sportlern und Abenteurern zusammengearbeitet hat. Das explosionsartige gestiegene Interesse an Vintage-Uhren und die Begeisterung für das Thema Heritage spielen uns in die Hände. Denn die zum Teil ganz neuen, jungen Käuferschichten legen größten Wert auf Authentizität, und bei Longines werden sie diesbezüglich nicht enttäuscht. Wir erfinden keine Geschichten nur um des Storytellings willen. Wir können es uns sogar erlauben, aus der Fülle der wichtigen Entwicklungen, Erfolgsmodellen und Pionierleistungen die Rosinen herauszupicken und sie stilistisch sauber, aber mit modernisierter Technik zu unschlagbaren Preisen auf den Markt zu bringen. Die Themen GMT mit der Spirit Zulu Time und Hochfrequenz mit der Ultra-Chron sind hier erst der Anfang.

Longines Ultra-Chron
Longines Ultra-Chron

Aber auch das Thema Eleganz wollen wir nicht vernachlässigen, denn auch hier hat sich Longines in der Vergangenheit immer profiliert. Wir sind bis heute eine der wenigen Marken, bei denen das Verhältnis zwischen Damen- und Herrenuhren völlig ausgewogen ist – auch wenn die Begriffe heute natürlich so nicht mehr passen. Frauen tragen größere Uhren als früher, Männer zunehmend kleinere als noch vor zwei, drei Jahren. Sagen wir so: Wir haben ungefähr genauso viele weibliche Käuferinnen wie männliche Käufer.


Gibt es in der Kollektion große Unterschiede in den einzelnen Märkten?

Matthias Breschan: Wir verabschieden uns gerade von dem lange gepflegten System, für die großen weltweiten Märkte individuelle Kollektionen zusammenzustellen, so dass manche Uhren eben nur in bestimmten Ländern gekauft werden konnten und in anderen eben nicht. Das hat dazu geführt, dass wir zwischenzeitlich eine aktive Kollektion von 1500 Referenzen unterhalten mussten. Jetzt haben wir reduziert auf ungefähr 800 Referenzen, und wir werden hier noch ein bisschen weiter straffen. Nicht viel, denn es gibt natürlich marktspezifische Besonderheiten, die es zu berücksichtigen gilt, auch wenn die Kollektionen insgesamt globaler werden.


Genießen die technischen Retro-Klassiker einen Sonderstatus?

Matthias Breschan: Die vorhin angesprochenen Vintage-Modelle mit technischen Besonderheiten sind momentan noch ein eher europäisches bzw. amerikanisches und japanisches Thema. Aber um der Wahrheit die Ehre zu geben kommen wir derzeit kaum mit der Belieferung dieser Märkte hinterher, insofern bin ich ganz froh, dass das Entwicklungspotenzial in manchen Teilen der Welt noch ein wenig schlummert.


Herr Breschan, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Peter Braun am 10. November 2022
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