Olivier Audemars, Audemars Piguet

«Wir wollen unabhängig sein»

Olivier Audemars, stellvertretender Verwaltungsratspräsident von Audemars Piguet, spricht im Interview über die Tradition der Familie und den Weg in die Zukunft.
Oliviers Audemars Piguet
Olivier Audemars wurde 1959 in Le Brassus geboren. Er ist der Urenkel von Gründer Edward Auguste Piguet. Nach einem Physikstudium leitete er ein Forschungslabor und gründete ein eigenes Unternehmen. 1997 trat er in den Verwaltungsrat von Audemars Piguet ein und fungiert heute als dessen stellvertretender Präsident

Mein erster Blick geht auf Ihr Handgelenk. Welche Uhr tragen Sie?
Ich trage die Royal Oak in der Version Double Balance Wheel Openworked – und zwar immer, sogar beim Segeln und beim Skifahren. Daher weisen Gehäuse und Band deutlich Tragespuren auf, wie es bei einer Uhr sein sollte, die man liebt. Aber es beschützt das skelettierte Werk. Wir haben eine lange Tradition in der Fertigung von Skelettuhren, allerdings waren sie irgendwann nicht mehr gefragt. Als wir die Idee für diesen neuen, modernen Stil hatten, wurde das Modell zu einem großen Erfolg, und wir können die Nachfrage fast nicht befriedigen. Ich mag Uhren, die eine besondere Bedeutung für mich haben. Manchmal trage ich die erste Royal Oak Concept mit Alacrite-Gehäuse von 2002, an deren Entstehung ich mitgearbeitet habe. Sie symbolisiert alles, was die Royal Oak für uns ausmacht. Außerdem besitze ich eine Royal Oak Offshore Alinghi – benannt nach dem Segelschiff, das den America's Cup zum allerersten Mal für die Schweiz gewonnen hat. Am Herzen liegen mir auch die traditionellen Uhren: das Meisterstück meines Großvaters und sogar eine Uhr, die der Urgroßvater meines Urgroßvaters, Joseph Piguet, gefertigt hat. Diese befindet sich heute in unserem Museum. Sie repräsentiert die große Tradition der Familie im Uhrmacherhandwerk.

Royal Oak Double Balance Wheel Openworked von Audemars Piguet.
Aktueller Favorit: Royal Oak Double Balance Wheel Openworked von Audemars Piguet.

Ihre Lieblingsuhren zeigen es: Die Royal Oak dominiert heute die Marke Audemars Piguet. Ist es nicht ein Risiko, so sehr mit einer Produktlinie identifiziert zu werden?
Wir sind sehr glücklich, eine solche Ikone in unserer Kollektion zu haben. Wenn Sie auf unsere Historie blicken, sehen Sie, dass wir mehr Zeit ohne diese Uhr gelebt haben als mit ihr. Warum ist diese Uhr eine Ikone? Weil sie immer unverkennbar war, zeitgemäß, gewagt und gleichzeitig zeitlos. Sie hat alles, was ein Produkt haben sollte. Wir wollen keine neue Kollektion präsentieren, um die Royal Oak abzulösen. Wir wollen sie gemeinsam mit unseren anderen Linien wie der Millenary vorwärtsbringen. Und dann gibt es ja auch noch unsere brandneue Kollektion CODE 11.59.

Audemars Piguet legt viel Wert darauf, zu betonen, dass die Firma ein Familienunternehmen ist. Warum ist Ihnen das so wichtig?
Als Familienunternehmen hat man eine andere Haltung: Man denkt in der Dimension von Generationen und will das Erreichte bewahren. Dabei hilft eine Art «Familiengedächtnis», aus Fehlern zu lernen. Was uns ebenfalls ausmacht: Wir fühlen uns unserer Heimat – dem Vallée de Joux – sehr verpflichtet. Diese Gegend ist sehr karg und hart. Daher sehen wir den Zweck unserer Firma auch darin, den Menschen die Möglichkeit für Arbeit  zu geben. Unsere Eltern und Großeltern waren schon der Meinung, dass uns die Firma nicht allein gehört, sondern auch den Leuten, die hier zu Hause sind. Und dass wir das Unternehmen deshalb weiter voranbringen müssen.

Wie schwierig ist es, sich heute als Familienunternehmen zu behaupten?
Solange die Firma im Familienbesitz ist, können wir uns sicher sein, dass niemand Einfluss nehmen kann, der irgendwo auf der Welt sitzt. Das macht den Unterschied. Als Teil einer großen Gruppe wird man nur unter finanziellen Aspekten betrachtet. Wir aber treffen Entscheidungen, bei denen wir zuerst an die Mitarbeiter denken – und dann an die nächste Generation, die das Unternehmen fortführen soll.

In den vergangenen Jahrzehnten haben Sie große Investitionen getätigt, derzeit bauen Sie ein Museum, ein Hotel und ein neues Produktionsgebäude in Le Locle. Wie können Sie das bewältigen?
Wir machen das vielleicht gerade deshalb, weil wir ein Familienunternehmen sind. Viele dieser Investments zielen auf die nächste Generation ab und sind sehr langfristig zu sehen. Dafür steht unser neues Museum, das «Musée Atelier Audemars Piguet», das erklärt, warum komplizierte Uhren vor allem hier, in unserem Tal, entstanden. Damit schaffen wir zudem einen Anziehungspunkt im Vallée de Joux. Denn Tourismus wäre wichtig für unser Tal, in dem die Uhrenindustrie derzeit eine beherrschende Stellung einnimmt.

Außerdem platzen Ihre Werkstätten aus allen Nähten. Wird auch die Fertigung erweitert?
Derzeit haben wir einige Werkstätten, die im Umkreis untergebracht sind. Das sorgt leider für einen gewissen Abstand, was ich für nicht ideal halte. Wir müssen neue Räumlichkeiten schaffen und die Manufaktur reorganisieren.

Der Vertrieb wird bereits deutlich umstrukturiert: Audemars Piguet wird ab 2020 nicht mehr auf einer Messe vertreten sein – bislang haben Sie beim Genfer Uhrensalon SIHH ausgestellt. Zudem ziehen Sie sich mehr und mehr aus den Multibrand-Stores zurück. Ist das nicht drastisch?
Unser Ziel ist schon lange, unsere Kunden besser kennenzulernen. Im Jahr 2000 haben wir beschlossen, die Distribution weltweit selbst zu übernehmen. Dann haben wir festgestellt, dass wir zu viele Verkaufspunkte haben. Viele dieser Händler haben nur ein paar Uhren pro Jahr verkauft, was deutlich macht, dass sie andere Prioritäten haben und vielleicht nicht genug über Audemars Piguet wissen. Die Reduzierung von 500 auf 250 Fachhändler hat gezeigt, dass der Umsatz für den einzelnen Verkaufspunkt steigt. Zudem gibt es mittlerweile Audemars-Piguet-Boutiquen, die wir allein oder mit Partnern führen, und die AP Houses, die weniger den Charakter eines Ladens haben.

Wie wichtig ist dabei Ihre Stellung als Manufaktur mit dem Ziel, möglichst viel selbst herstellen zu können?
Für uns ist es am wichtigsten, unabhängig zu sein. Auch unabhängig von Lieferanten. Gleichzeitig sind Zulieferer sehr wichtig, da sie uns helfen, uns weiterzuentwickeln. Da sie mit vielen Marken arbeiten, beherrschen sie ihr Metier perfekt, was nicht nur uns Vorteile bringt: Von starken Lieferanten profitiert die ganze Uhrenindustrie.

Herr Audemars, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Iris Wimmer-Olbort

Hinter den Kulissen

Ein Besuch bei der Manufaktur Audemars Piguet in Le Brassus

Neues von Audemars Piguet

Lesen Sie mehr über die neue Kollektion CODE 11.59

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