Hands on: Findeisen NauticMasterKante zeigen
Die neue Generation der Taucheruhr F-1253 heißt NauticMaster. Wir hatten zwei Modelle der Frankener Manufaktur auf dem Redaktionstisch.
Grand Seiko geht in die Offensive. Bewegt sich die Marke im Heimatmarkt durchaus in den Sphären der Schweizer Nobelmarken Rolex und Omega, wird sie in Europa noch vielfach unterschätzt. So stellt man in Gesprächen fest, dass selbst viele Uhrenkenner sich nicht im Klaren sind, was eigentlich hinter der Marke aus dem riesigen Konzern steckt. Das hat aber nur bedingt etwas damit zu tun, dass europäische Uhrenkäufer konservativ oder gar begriffsstutzig wären. Vielmehr waren die Japaner bislang einfach zu höflich, sich öffentlich auf eine Ebene mit den genannten Schweizer Marken zu stellen.
Und dann war die Struktur des Konzerns von außen auch nur schwer einzuschätzen. Grand Seiko war über viele Jahre nichts anderes als die Oberklasse-Modellreihe einer Marke, die im Jahr 12 Millionen Uhren in der Preisklasse ab 500 Euro verkaufte und insgesamt über 300 Millionen Uhrwerke – auch im Billigsegment – produzierte. In einem solchen Umfeld ist es anspruchsvoll, ein Oberklasse-Image aufzubauen und bei der geneigten Kundschaft Begehrlichkeiten zu wecken.
Um dies zu ermöglichen, hat man Grand Seiko 2017 zunächst zu einer eigenen Marke gemacht. Fertigungsstätten für Grand Seiko gab es schon länger, nur wurde dies noch nicht ausreichend kommuniziert. Ergänzend gründeten die Japaner in Paris eine Europa-Niederlassung, im Oktober 2022 wurde in Anwesenheit des Vorstandsvorsitzenden Shinji Hattori und Akio Naito, dem Präsidenten der Watch Corporation, dort auch die erste europäische Grand Seiko Boutique eröffnet. Deren Lage am Place Vendôme signalisiert überdeutlich, in welchem Segment man sich zu Hause fühlt.
Weil man viel über Marke und Marketing dozieren kann, letztlich jedoch das Produkt entscheidet, wollen wir uns exemplarisch die brandneue Taucheruhr der Sportuhrenlinie Evolution 9 mit Spring-Drive-Werk und fünf Tagen Gangreserve (Referenz SLGA015) näher anschauen. Sie tritt draußen nicht zuletzt gegen die Rolex Submariner an, die für viele Fans der Inbegriff der Taucheruhr ist.
Der Listenpreis der Grand Seiko von 11.800 Euro erscheint selbstbewusst, liegt er doch fast 2000 Euro über dem der Rolex. Wobei dies für die Mehrzahl der Kunden blanke Theorie ist, denn bei der Marke mit dem Krönchen ist die Nachfrage deutlich höher als das Angebot. Der Graumarkt ist derart überhitzt, dass mittlerweile 15.000 Euro und mehr für eine Submariner verlangt – und auch bezahlt – werden.
Grand Seiko kann dagegen liefern, ganz regulär und zum Listenpreis. Und die Testuhr weiß zu beeindrucken, schon allein mit ihren Dimensionen. Ein Gehäusedurchmesser von 43,5 Millimeter – über die Krone gemessen sind es sogar 46,5 Millimeter – sowie eine Höhe von 14 Millimeter kennzeichnen eine kernige Sportuhr. Der Namenszusatz Diver’s 200m» signalisiert, dass diese Uhr 20 bar Wasserdruck aushält.
Wer nun erwartet, ein solcher Bolide, dazu noch mit Metallband ausgerüstet, mutiere zum Tauchgewicht am Handgelenk, sieht sich angenehm überrascht: Gerade einmal 145 Gramm bringt die Grand Seiko auf die Briefwaage, was nicht zuletzt daran liegt, dass Gehäuse, Band und Schließe aus Titan gefertigt sind. Das sieht man aber nicht auf Anhieb, weil die Legierung, die vom Hersteller als «High-Intensity Titanium» bezeichnet wird, nicht in mattem Mausgrau, sondern eher in einem kühlen Edelstahlton erscheint.
Für den Antrieb eines Spring-Drive-Uhrwerks sorgt ein Federhaus, dem ein Aufzugsrotor Energie nachliefert, mithin also nicht anders als bei einem klassischen Automatikwerk. Doch im Gegensatz zu diesem werden der Ablauf des Federhauses und der Gang der Uhr nicht von einer mechanischen Hemmung mit hin und her schwingender Unruh, Anker und Ankerrad geregelt. Hier kommt der Tri-Synchro-Regulator zum Einsatz, was so ähnlich funktioniert wie eine magnetische Wirbelstrombremse.
Das Pendant zur Unruh ist bei einem Spring-Drive-Werk das über ein mechanisches Räderwerk angetriebene Gleitrad, das sich über einer Spule dreht und so elektrische Energie erzeugt. Mit diesem Strom arbeiten ein integrierter Schaltkreis (IC) sowie ein Quarzkristall. Aufgrund der gleichmäßigen Schwingungen des Quarzes definiert der IC wiederum den elektromagnetischen Impuls, mit dem die Spule das Gleitrad bremst. Dieser Regelkreis sorgt dafür, dass sich das Gleitrad genau acht Mal in der Minute dreht – das sind übrigens 28.800 Umdrehungen pro Stunde. Weil dies absolut gleichförmig geschieht, gleitet auch der Sekundenzeiger vollkommen ruckfrei übers Zifferblatt.
Der konstruktive Aufwand ist enorm: Ein Spring-Drive-Uhrwerk besteht aus mehr als 250 Einzelteilen. Dafür verspricht Seiko aber auch eine Gangabweichung von plus/minus einer Sekunde am Tag. Zwei Federhäuser mit Zugfedern aus einer hauseigenen Stahllegierung sowie das Tri-Synchro-Reguliersystem, das die innere Reibung reduziert, sorgen beim Kaliber 9RA5 für eine Gangautonomie von 120 Stunden oder fünf Tagen.
Diesen Eindruck unterstützt das hochwertige Finish des Gehäuses. Die Mehrzahl der Oberflächen ist fein strichmattiert, die Fasen zwischen Oberseite und Flanken sind hingegen auf Hochglanz poliert. Ein griffiger, aber nicht scharfkantiger Drehring ermöglicht die Einstellung der Tauchzeit, sollte man diese Uhr tatsächlich artgerecht nutzen. Wie bei Taucheruhren gefordert, lässt sich die Lünette mit Keramik-Inlay samt schwarz-weißer Minutenskala nur gegen den Uhrzeigersinn drehen und rastet minutengenau.
Markante Zeiger, die mit dem schwarzen Zifferblatt kontrastieren, sorgen für eine tadellose Ablesbarkeit. Das gilt auch in der Dunkelheit, denn sowohl Zeiger als auch Indexe sind üppig mit der hauseigenen Leuchtmasse «Lumibrite» ausgelegt. Eine kleine Spielerei gönnt sich diese vorbildliche Instrumentenuhr aber doch: Das schwarze Zifferblatt weist eine leichte Struktur auf, die für die enormen Wellen vor der Küste Japans stehen soll.
Aber zurück zu unseren Erfahrungen mit der Uhr. Das Gehäuse sieht auch nach dreiwöchigem intensivem Tragetest noch tadellos aus. Nicht einmal mit der Lupe lassen sich Kratzer entdecken. Das kann man vom Band indes nicht behaupten. Hier hat der Alltag doch leichte Spuren an einzelnen Gliedern hinterlassen, erstaunlicherweise aber nicht an der Schließe, dem exponiertesten Element. Letztere erfreut durch ein einfach zu bedienendes Verlängerungselement, mit dem beispielsweise im Sommer – oder auch abends – ein leicht anschwellendes Handgelenk ausgeglichen wird. Die Bandverlängerung rastet in Zwei-Millimeter-Schritten, sodass jederzeit ein komfortabler, aber sicherer Sitz gewährleistet ist.
Als Antrieb dient das 2020 eingeführte und von Grand Seiko selbst hergestellte Automatikwerk Kaliber 9RA5. Es gehört in die Kategorie der Spring-Drive-Werke, deren Technik in nebenstehendem Kasten erläutert wird. Zwei Federhäuser speichern die Kraft für 120 Stunden oder fünf Tage Gangautonomie. Grand Seiko garantiert eine maximale Gangabweichung von plus/minus zehn Sekunden im Monat. Unsere Uhr lief während des Tests über drei Wochen gleichmäßig mit einer Gangabweichung von plus/minus null.
Mit dieser Uhr unterstreicht Grand Seiko seine Ambitionen, auch in Europa zur anerkannten Luxusmarke zu werden. Allerdings ist sie vorläufig nur über Grand Seiko Boutiquen zu beziehen. Solche existieren bereits in Frankfurt und Hamburg. Weitere Orte in Deutschland sollen folgen.
Text: Martin Häußermann
Bilder: Hersteller, Martin Häußermann