70 JAHRE BLANCPAIN FIFTY FATHOMS

Zeit in der Tiefe

Oktober 2023. Blancpain musste fast 100 Meter ins Meer abtauchen – um sich einen Großauftrag der französischen Marine zu sichern. Inzwischen hat sich die Fifty Fathoms zur Kult-Taucheruhr gemausert. Wer mit ihr auftauchen will, muss tief in die Tasche greifen.
Für die Wohltätigkeitsauktion «Only Watch» stiftete Blancpain im 70. Jubiläumsjahr der Fifty Fathoms ein Einzelstück mit tiefblauem Farbverlauf auf Lünette und Zifferblatt.

Das Jahr 1953 ist ein bedeutendes in der Geschichte der Taucheruhr. Insgesamt drei Zeitmesser traten den Dienst für den professionellen Einsatz unter Wasser an. Nur echte Kenner der Szene werden sich noch an die Zodiac Sea Wolf erinnern, die nicht zuletzt bei den US Navy SEALs Dienst tat. Die beiden anderen Neuheiten des Jahres 1953 dagegen genießen bis heute Kultstatus: die Rolex Submariner und die Blancpain Fifty Fathoms.

Letztere dient unter anderem als Beispiel dafür, dass es extrem hilfreich ist, wenn an der Spitze eines Unternehmens nicht einfach ein Manager, sondern ein Mensch mit Passion sitzt. 1950 übernahm Jean-Jacques Fiechter die Leitung der Marke Blancpain und behielt den Geschäftsführerposten bis ins Jahr 1980. Die Firma hieß damals mit vollem Namen «Rayville S.A. Montres Blancpain, Manufactures d’horlogérie de précision», wobei Rayville nichts anderes als ein phonetisches Anagramm des Ortsnamens Villeret war. Fiechter war der Neffe der damaligen Inhaberin Betty Fiechter, ein diplomierter Historiker, Geschäftsmann – und leidenschaftlicher Hobbytaucher.

AUS DER NOT GEBOREN

Die Urversion der Fifty Fathoms von 1953 besaß bereits eine mit Glas belegte Lünette.

Weil er auf dem Markt keine Taucheruhr gefunden hatte, die seinen Ansprüchen genügt hätte, veranlasste er an seiner neuen Position die Entwicklung einer solchen Uhr, an der er tatkräftig mitwirkte. Davon zeugt unter anderem die Tatsache, dass er in Patentschriften zum Uhrengehäuse samt speziellem Drehring als Miterfinder genannt wird. Anlass für diese Entwicklung war ein lebensgefährlicher Zwischenfall während eines Tauchgangs bei Villefranche-sur-Mer, bei dem er seine Tauchzeit und damit den Vorrat an Atemluft falsch eingeschätzt hatte. So kam er zu dem Schluss, dass ein Taucher dringend einen Merkring brauchte. Am besten einen, der sich nur in eine Richtung verstellen lässt. So würde die Tauchzeit bei einer Fehlbedienung zwar länger erscheinen, als sie tatsächlich ist. Aber damit wäre dann in jedem Fall kontrolliertes Wiederauftauchen mit den notwendigen Dekompressionsstopps möglich, ohne in Atemnot zu kommen.

Explosionsdarstellung des klassischen Fifty-Fathoms-Gehäuses.

Das war, zumindest gedanklich, die Geburtsstunde der Fifty Fathoms, deren weitere Entwicklung aber auch von militärischen Anforderungen geprägt war. Kapitän Robert («Bob») Maloubier und der Leutnant zur See Claude Riffaud waren Anfang der 1950er Jahre vom französischen Verteidigungsministerium mit der Aufstellung einer Kampftauchereinheit beauftragt. Dabei mussten nicht nur die richtigen Leute, sondern auch die richtige Ausrüstung gefunden werden. Zum Beispiel eine extrem robuste Taucheruhr, die zuverlässig und exakt arbeitete – und zwar bis in eine Tiefe, die man mit damaligen Atemgeräten erreichen konnte; das waren 50 Faden. Ein Faden, das traditionelle Tiefenmaß der christlichen Seefahrt, entspricht 1,829 Meter; Maloubier verlangte also eine garantierte Wasserdichtheit bis 91,45 Meter Tauchtiefe, dazu extrem gute Ablesbarkeit und eben jenen Tauchzeitring, mit dem Tauch- und Dekompressionszeiten auf fünf Minuten genau festgestellt werden konnten – mithin folglich ein sicherheitsrelevantes Instrument, mit dem der begrenzte Atemluftvorrat in den Tauchflaschen eingeteilt werden konnte. Aus diesem Grund verlangte Maloubier auch, dass der Drehring nur gegen den Uhrzeigersinn beweglich sein dürfe – ein Kriterium, das bereits dem Hobbytaucher und Manufakturchef Fiechter in den Sinn gekommen war. Der Legende nach brachte ein Tauchzubehör-Hersteller die französischen Militärs und den Schweizer Uhren-Unternehmer, der bereits eine Entwicklung vorlegen konnte, die ihre Anforderungen schon weitgehend erfüllte und nur noch in Details modifiziert werden musste, zusammen.

VON ANFANG AN AUTOMATISCH

Links: Die erste Fifty Fathoms der Neuzeit (2000), sie war eher eine Stilübung. Mitte: Ab 2008 präsentierte sich die Fifty Fathoms auch schon einmal ganz in Schwarz. Rechts: Mit verringertem Durchmesser empfahl sich die Taucheruhr auch für Damen.

Die erste Fifty Fathoms hatte übrigens keine verschraubte Krone, dagegen standen patentrechtliche Bedenken. Stattdessen wurde die Krone mit zwei O-Ringen abgedichtet. Um diese möglichst selten bedienen zu müssen, verwendete man ein Automatikwerk des geschätzten Lieferanten A. Schild S.A. Dieses wurde nach dem Wunsch des Auftraggebers auch mit einem Magnetfeldschutz versehen. Auch eine gute Ablesbarkeit bei schwierigen Lichtverhältnissen stand in Maloubiers Pflichtenheft. Aus diesem Grund benutzte Blancpain große Index-Stundenmarker und Zeiger, die mit Tritium belegt waren.

Den Praxistest am 20. November 1953 bestand die Uhr mit Bravour. Mit einem lapidaren «Bon» bescheinigte der französische Kapitän den Schweizer Uhrmachern, ganze Arbeit geleistet zu haben. Zuverlässigkeit, Verarbeitungsqualität, Ganggenauigkeit und Bedienungsfreundlichkeit der «Fifty Fathoms» sprachen sich herum, sodass sich später auch die US-Eliteeinheit Navy SEALs oder die in Sengwarden neu gegründete Kampfschwimmer-Einheit der Deutschen Bundeswehr für Blancpain entschieden hatten. Dort war die Fifty Fathoms bis 1984 im offiziellen Einsatz und glänzte am Ende schon mit 200 Meter Wasserdichtheit. Die Fifty Fathoms blieb ein Bestseller – bis Blancpain in der «Quarzkrise» den Betrieb einstellte.

DIE LEGENDE WIRD WIEDERBELEBT

Links: Rechte Reihe von oben: Im Goldgehäuse etablierte sich die Fifty Fathoms ab 2008 auch als Luxus-Sportuhr. Mitte: Ausflug in die Welt der Komplikationsuhren mit Achttagewerk und Tourbillon (2008). Rechts: Der Fifty Fathoms Chronograph war eine logische Ergänzung der Kollektion.

Jean-Claude Biver erweckte erst die Marke und dann auch die Fifty Fathoms zu neuem Leben. Allerdings, diese Bemerkung sei uns gestattet, mit einer eher modernistischen Interpretation der Legende. Der wahren Geschichte auf den Grund ging danach der damals sehr junge CEO Marc A. Hayek – wieder ein Neffe, nämlich der von Swatch-Konzernchef Nicolas G. Hayek, und wieder ein ambitionierter Hobbytaucher. Zum 50. Geburtstag der Fifty Fathoms lancierte er eine limitierte Neuauflage, erstmals wird die Skala des Drehrings von bombiertem Saphirglas geschützt. Zum 55. Geburtstag reifte die Fifty Fathoms zu einer Produktlinie, die neben der klassischen Instrumentenuhr aus Edelstahl auch Golduhren sowie einige Komplikationen beinhaltete – darunter ein sehr gelungener Chronograph.

Im 60. Jubiläumsjahr der Fifty Fathoms sorgte die Version Bathyscaphe für einen moderneren urbanen Look (2013)
Links: Fifty Fathoms Bathyscaphe Date mit historisch inspiriertem Zifferblatt (2018). Mitte: Fifty Fathoms Bathyscaphe mit Vollkalender und Mondphasenanzeige (2018). Rechts: Fifty Fathoms Bathyscaphe mit zweistelliger Großdatumsanzeige (2018).

Für bedeutende Neuvorstellungen nutzt Blancpain auch in der Folge immer wieder spezielle Jahrestage. 2013, als die Fifty Fathoms ihren Sechzigsten feierte, wurde die Modelllinie um die Bathyscaphe erweitert. Sie erhielt ihren Namen von dem Tauchboot, das die Schweizer Ozeanografen Auguste und Jacques Piccard für die Tiefseeforschung entwickelt hatten. Gestalterisch ging man hier neue Wege, mit einem schmalen, flachen Tauchring und einer größeren Zifferblattschau als beim Original. Als technische Innovation präsentierte man eine Silizium-Spirale. Sie ist amagnetisch, weshalb man auf einen Weicheisenkäfig verzichten konnte – und sich das Uhrwerk in voller Pracht und Schönheit durch einen Glasboden bewundern lässt. Zum 70. Geburtstag präsentiert die Manufaktur ein Einzelstück, eine Sonderauflage der Anfang des Jahres lancierten Fifty Fathoms 70th Anniversary Act 1, die im Herbst in der Auktion «Only Watch» zugunsten der monegassischen Vereinigung gegen Muskeldystrophie versteigert werden sollte. Bereits im Frühjahr lanciert wurde Act 2. Diese Fifty Fathoms heißt «Tech Gombessa», ermöglicht zum ersten Mal die Anzeige von Tauchzeiten von bis zu drei Stunden und ist mit einem Helium-Ablassventil ausgestattet. Dieses Modell erinnert an das zehnjährige Bestehen der Gombessa-Initiative, zu der Blancpain als Gründungspartner seit den Anfängen des Projekts im Jahr 2013 beigetragen hat. Gombessa ist die Bezeichnung eines Meeresbewohners und zugleich der Name einer Expeditionsreihe, die der Unterwasserfotograf und Tauchunternehmer Laurent Ballesta ins Leben rief. Als ambitionierter Taucher will Marc A. Hayek eben nicht nur Taucheruhren bauen, sondern unterstützt auch Aktionen zum Schutz und zur Erforschung der Ozeane.

Text: Martin Häussermann

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Blancpain Fifty Fathoms Jubiläumsmodelle


Makro Video: Blancpain Fifty Fathoms «No Rad»

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