Vor dreißig Jahren

1993 – Was für ein Jahr!

Juni 2023. ARMBANDUHREN feiert 2023 den dreißigsten Geburtstag. Wir werfen einen Blick zurück in das Jahr 1993, als wir in den europäischen Verbund der Magazine Orologi da Polso, Heure Internationale und International Wrist Watch eintraten, damals noch als «die deutsche Ausgabe» Armbanduhren International, die sich jedoch rasch verselbstständigen sollte.
30 Jahre Armbanduhren
nicholas g hayek 30
Nicolas G. Hayek, Vater der Swatch Group und des Kleinwagens «Smart».
Macaluso
Gino Macaluso, ebenfalls ein «Automann», rettete Girard-Perregaux.
Mit den «Masterpieces» feierte Maurice Lacroix Riesenerfolge.
«Don't crack under pressure»: Ayrton Senna trug TAG Heuer …
… wie alle aufrechten Formel-1-Fans in den neunziger Jahren.
Jean-Claude Biver erweckte die Uhrenmarke Blancpain aus dem Dornröschenschlaf.

Der Film «Jurassic Park» lockte 1993 die Massen in die Kinos, Whitney Houston schmachtete «I will always love you» und Michael Schumacher bereitete sich bei Benetton auf seinen ersten Formel-1-Weltmeistertitel vor. Swatch hatte kurze Zeit zuvor die 100-millionste Uhr produziert, Gino Macaluso die Firma Girard-Perregaux gekauft, und France Ebauches gab nach einem erfolglosen Jahr den Glashütter Uhrenbetrieb an die Treuhand zurück – glücklicherweise ohne den ganzen Laden zu zerschlagen und die Produktionsmittel auf die Philippinen zu verschleppen. Heinz W. Pfeifer sprang mit privaten Investoren in die Bresche und übernahm den ehemals volkseigenen Betrieb, gründete daraus Glashütte Original und Union. Bereits aktiv im Glashütter Uhrengeschäft waren zu diesem Zeitpunkt nur die Firmen Mühle und Nomos; A. Lange & Söhne tüftelte noch an der ersten Uhrenkollektion.

Die Officine Panerai in Florenz, langjährige Lieferanten der italienischen Marine, lancierten mit der Luminor und dem Chronographen Mare Nostrum die ersten Uhren für ein ziviles Publikum. Der Beginn einer Erfolgsstory für große und übergroße Armbanduhren. Volkswagen stieg aus dem Projekt Swatchmobile aus, doch die SMH fand im darauffolgenden Frühjahr in Daimler-Benz einen neuen Partner für die Entwicklung des Kleinwagens «Smart», einer Idee von Nicolas G. Hayek.

Dessen «Gesellschaft für Mikroelektronik und Uhrmacherei» (SMH) hatte im Vorjahr den Uhrwerkehersteller Frédéric Piguet und die Marke Blancpain gekauft, seit 1983 im Besitz von Jacques Piguet und J.-C. Biver, der sie aus dem Dornröschenschlaf geweckt und einen ganz wesentlichen Beitrag zur Renaissance der mechanischen Armbanduhr geleistet hatte. Kurz vor Weihnachten eröffnete in England die von Swatch beauftragte Werbeagentur für einen einzigen Tag den wohl ersten Pop-up-Store in der City. Dort gab es nur das mit bunten Strassperlen besetzte Modell Chandelier zu kaufen, doch die Warteschlange hatte schon zwei Stunden vor Ladenöffnung die Polizei auf den Plan gerufen. Die italienisch geprägte Uhrenmarke Eberhard & Co. machte mit dem 1992 lancierten Chronographen Tazio Nuvolari braune Lederbänder zu dunklen Zifferblättern salonfähig. Maurice Lacroix feierte große Erfolge mit den «Masterpieces», vor allem auf dem deutschen und dem spanischen Markt.

Franck Muller nannte sich «Master of Complications» und feierte die Weltpremiere seiner Minutenrepetition mit patentierter Vorrichtung zum Schutz des Schlagwerks. Sein Kaliber 92, an dem später auch noch der geniale Zürcher Uhrmacher Paul Gerber Hand anlegen sollte, galt zu diesem Zeitpunkt bereits als komplizierteste Armbanduhr der Welt. Ulysse Nardin lancierte 1993 in der «Trilogie der Zeit» als drittes Meisterstück nach Astrolabium Galileo Galilei und Planetarium Kopernikus das Tellurium Johannes Kepler.

Patek Philippe feierte den 60. Geburtstag der Calatrava, und Vacheron Constantin legte eine Spezialität aus den 1930er Jahren wieder auf, die liebevoll «Cioccolatino» genannte Rechteckuhr, die wirklich Ähnlichkeit mit einem Stückchen Schokolade hatte. 1992 hatte Breguet den Äquationsmechanismus patentiert und brachte 1993 die erste solche Uhr auf den Markt (Ref. 3470 BA). Außerdem präsentierte die Marke, die damals noch der Investitionsgesellschaft Investcorp gehörte, ihr erstes Armband-Tourbillon.

In Japan nahm Seiko die Produktion mechanischer Uhrwerke wieder auf, nachdem man die Herstellung zehn Jahre zuvor komplett eingestellt hatte. Alle Bauteile mussten jedoch von der Niederlassung in Singapur bezogen werden, wohin man die Produktionsmaschinen «abgeschoben» hatte.

Nach zwei Jahren Doppelbelastung durch repräsentative Auftritte sowohl auf der Basler Uhren- und Schmuckmesse als auch auf dem eigenen Uhrensalon in Genf zogen die Verantwortlichen der Vendôme-Gruppe einen Schlussstrich: Cartier, Baume & Mercier, Piaget und Yves Saint Laurent konzentrierten sich 1993 erstmals ganz auf den Salon International de la Haute Horlogerie (SIHH). Als Gastmarken stellten Franck Muller und Gérald Genta in Genf aus. Alain-Dominique Perrin, Vorstandsvorsitzender der Vendôme-Gruppe und Schirmherr des SIHH, warnte: Der Aufschwung der Mechanik sei mit großer Vorsicht zu genießen! Natürlich müsse man dem Anspruchsdenken mancher Uhrenfreunde die gebührende Bedeutung beimessen, doch auf der anderen Seite wäre es sträflich, die Meriten der Quarztechnologie außer Acht zu lassen, insbesondere im Nachverkaufsservice. Nach Perrins Meinung würden sich die Mechanik-gläubigen Konkurrenten schon in drei bis vier Jahren «ganz schön umschauen», wenn nämlich die allfälligen Reparatur- und Regulierarbeiten anfielen, für welche die quarzverwöhnte Kundschaft keinerlei Verständnis mehr aufbringe. Die Serviceabteilungen würden von einer Lawine förmlich überrollt werden. Im Zeitalter von «lebenslanger Wartungsfreiheit» verlange die Pflege und Erhaltung einer mechanischen Uhr «eine ziemlich anachronistische Philosophie, deren Basis in den siebziger Jahren nahezu vollständig demontiert wurde».

Nachdem die Marken der Gruppe in den Jahren zuvor in puncto Feiner Mechanik der Konkurrenz ein wenig hinterhergehinkt waren, fühle man sich 1993 zwar bemüßigt, diese Scharte mit einigen sehr ansprechenden Modellen auszuwetzen. Dennoch ließ «ADP» keinen Zweifel daran, dass man auch in Zukunft auf den schnell schwingenden Quarz setzen werde. Solange man es sich leisten könne, werde es innerhalb des Gruppenangebots die Topmodelle zumindest in den Herrengrößen wahlweise mit und ohne Batterieantrieb geben. Wobei sich 1993 seiner Meinung nach bereits ein Abflauen des Mechanik-Booms abzeichnete …

Weitere Momentaufnahmen der letzten 30 Jahre finden Sie in unserer Galerie.

Text: Peter Braun


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