Neue Chronometer

Central Impulse Chronometer

Oktober 2021. Chronometer im klassischen Sinn sind Uhren, die mit einer speziellen Hemmung ausgestattet sind. Für ARMBANDUHREN online erklärt Meisteruhrmacher Bernhard Lederer exklusiv sein revolutionäres Central Impulse Chronometer.
Lederer_Chronometerhemmung

Schon immer war die Herstellung einer Chronometerhemmung eine der ganz großen Herausforderungen in der Uhrmacherei. Grund genug, hier selbst das Berufsbild in Uhrmacher und Chronometermacher zu unterscheiden. Heutzutage kommt hinzu, dass es um ein Vielfaches schwieriger ist, eine Chronometerhemmung mit 3 Hz (21.600 A/h) und nicht, wie früher in Taschenuhren üblich, mit einer Schwingfrequenz von 2 Hz (18.000 A/h) zu fertigen – und dies auch noch in den reduzierten Dimensionen einer Armbanduhr.

Bereits im 19. Jahrhundert nutzte man den guten Ruf der Chronometer auch für die Vermarktung normaler Ankerganguhren und führte die «Chronometerprüfung» ein. Wenn ein Uhrwerk diese bestand, durfte es als Chronometer bezeichnet werden, auch wenn es nicht mit einer Chronometerhemmung ausgestattet war. Diese sei nämlich furchtbar empfindlich, besagt eine allgemeine Behauptung, die sich wohl in erster Linie auf die dünnen Goldfedern stützt, die manchem Uhrmacher suspekt erschienen und sich bisweilen tatsächlich wie von Geisterhand verbogen. Außerdem besitzen klassische Chronometerhemmungen keine Sicherung gegen eine Fehlauslösung bei Stößen, bspw. einem Fall. Eine derartige Fehlauslösung kann mitunter destruktive Folgen für das Hemmungsrad haben, in jedem Fall nimmt sie aber Einfluss auf die Genauigkeit der Zeitanzeige.

Lederer-Atelier

Bernhard Lederer hat im vergangenen Sommer ein Armband-Chronometer vorgestellt, bei dem es keine Goldfedern gibt und dessen Hemmung in Bezug auf ihre Robustheit einer Schweizer Ankerhemmung in nichts nachsteht. Darüber hinaus verfügt die Uhr dank der zum Patent angemeldeten «Central Impulse»-Vorrichtung über die Möglichkeit, den Moment und damit die Lokalisierung der Impulsübertragung zu bestimmen und einzustellen – eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Isochronismus. Aber lassen wir den Meisteruhrmacher selbst zu Wort kommen.

Keep it simple

«Was ein echtes Chronometer auszeichnet, sind die Beschränkung auf Stunden-, Minuten- und Sekundenzeiger sowie der Verzicht auf jegliche Art von Zusatzfunktionen, welche die Genauigkeit des Gangs negativ beeinflussen könnten – insbesondere Anzeigen mit nicht kontinuierlichem Energiebedarf wie zum Beispiel Datumsanzeigen. Besonders hochwertige Chronometer verfügen jedoch über Zusatzeinrichtungen, welche die Ganggenauigkeit unterstützen, wie zum Beispiel ein Remontoir d’Egalité oder eine Kette mit Schnecke. Keine dieser Vorrichtungen kann eine konstante Kraft liefern, selbst wenn dies fälschlicherweise immer wieder behauptet wird. Sie versorgen jedoch die Hemmung mit einer Kraft, die lediglich minimal variiert, und im Falle des Remontoirs in kurzen gleichbleibenden Mustern mit geringem Kraftabfall pro Zyklus. Vereint man dann solch einen Zwischenaufzug mit einer Unruh von hoher Qualität, so ist ein über die gesamte Gangdauer stabiler Gang erreichbar. Dies hat John Harrison eindrücklich bereits mit der 1761 vorgestellten H4 nachgewiesen, einem Marinechronometer in Form einer großen Taschenuhr, das nach beinahe drei Monaten auf hoher See lediglich 5 Sekunden Gangabweichung aufwies, also im Mittel weniger als 0,06 Sekunden pro Tag! Das ist auch heute noch ein sensationelles Ergebnis, obwohl dies nun schon über 250 Jahre zurückliegt, und unterstreicht eindrücklich die Überlegenheit der direkten Impulsübertragung für die Präzisionszeitmessung.

Lederer CIC back

Chronometerhemmungen sind im besonderen Maße von der Trägheit der Hemmungsräder abhängig, da diese, anders als Ankerhemmungen, kein Übersetzungsverhältnis im Anker aufweisen. Dies erklärt, warum die meisten Chronometerhemmungen mit niedrigen Schwingungszahlen arbeiten. Hebt man die Schwingungszahl an, so quadriert sich die Trägheitsanforderung an die Hemmungsräder analog, was die Verwendung von ultraleichten Rädern bedingen würde. Es zeigt auch, warum jeder Versuch, das Echappement naturel von A.-L. Breguet sinnvoll zum Funktionieren zu bringen, zum Scheitern verurteilt ist.»

Das Remontoir d’Egalité

«Wie so oft muss man auch hier zwischen den Wirkungen – ob optischer Natur oder aus technischer Notwendigkeit – sorgsam abwägen. Schon Harrison hatte klar erkannt, dass ein zu nahe an der Hemmung montiertes Remontoir diese eher stört als unterstützt. So sind zu kurze Schaltzyklen eher nachteilig, da das Wiederaufziehen den währenddessen stattfindenden Impuls kompromittiert: Die Stöße am Ende eines Aufzugszyklus führen zu Vibrationen. Erst in den sich anschließenden Impulsen kann das Remontoir seinen positiven Einfluss bis zum nächsten Wiederspannen zur Geltung bringen. Fokussiert man auf Ganggenauigkeit, muss also ein Kompromiss aus Schaltzeit, Abkopplung, vom Remontoir induzierten Störungen und Trägheit gefunden werden. Die Relevanz steigt in genannter Reihenfolge. Derek Pratt hat in seiner Armbanduhr eine springende Sekunde mithilfe eines Remontoirs auf dem Hemmungsrad animiert und dabei bewusst die Schönheit eines zentralen Sekundenzeigers mit Sekundenschritten vor die Funktion des Kraftausgleichs gestellt.

Im C.I.C. haben wir für die Anordnung der Remontoirfeder das Kleinbodenrad gewählt und die Steuerung der Auslösung einem 10-Sekunden-Rhythmus unterworfen. Das hat zur Folge, dass der Minutenzeiger im Central Impulse Chronometer, der an einen der zwei Triebstränge gekoppelt ist, sichtbar in kleinen Schritten voranschreitet – jedes Mal, wenn das Remontoir auslöst.

Die Kraftabnahme im Remontoir ist über seine 10 Sekunden hinweg bereits so gering, dass sich innerhalb dieser Zeitspanne keinerlei direkte Auswirkung auf die Amplitude der Unruh erkennen lässt. Durch das zweite, versetzt arbeitende Remontoir ergibt sich dann noch zusätzlich eine Egalisierung alle 5 Sekunden. Beim C.I.C. handelt es sich streng genommen um zwei Chronometer, vereint in einer Armbanduhr. Hierbei hat jeder Triebstrang seinen eigenen Zwischenaufzug, der auf neutraler Position mit Kraft von einem eigenen Federhaus versorgt wird. Die Kraft fließt dann, vom Remontoir gleichmäßig gehalten, in die jeweiligen Hemmungsräder, die jeweils wechselweise die von beiden Werken genutzte gemeinsame Unruh äußerst stabil in Schwingung halten.»

Lederer CIC

Die Ganggenauigkeit

Bezeichnungen wie «mittlerer Gangfehler», «Abweichung über 24 Stunden» und Ähnliches haben nur eine geringe Aussagekraft. Auch eine Uhr, die stehen geblieben ist, hat ‒ über 24 Stunden gesehen ‒ eine Abweichung von 0 Sekunden. Ist es nicht viel entscheidender, wie klein oder groß die Abweichung zu jedem möglichen Moment ist, sozusagen in jeder Lage, zu jedem x-beliebigen Zeitpunkt? Eine herkömmliche Zeitwaage kann dem Central Impulse Chronometer bestenfalls einen «mittleren täglichen Gang» attestieren, weil sie die gemessenen Frequenzdaten auf 24 Stunden hochrechnet.

Dazu Bernhard Lederer: «Selbstverständlich ist das C.I.C. ein amtlich geprüftes Chronometer, denn jedes einzelne Werk wird (mindestens) von der Schweizer Chronometerprüfstelle COSC zertifiziert. Auf Wunsch des Kunden kann aber auch die deutlich anspruchsvollere Prüfung in Besançon durchgeführt werden. Doch diese Langzeit-Ergebnisse haben nur wenig Aussagekraft: Um die aktuellen Werte zu ermitteln und darzustellen, bedarf es einer ungleich genaueren Vorrichtung, zumal das C.I.C. kein klassisches Tick-tack-Geräusch erzeugt und dessen akustische Signatur den geläufigen Messgeräten unbekannt ist. Das momentane Gangverhalten wurde deshalb mit einem eigens hierfür entwickelten Messgerät untersucht. Diese Vorrichtung zählt die optische Unterbrechung eines Laserstrahls beim Durchlauf jeder einzelnen Unruhspeiche und misst gleichzeitig die Winkelgeschwindigkeit der Bewegung. So lässt sich ein exaktes Profil jeder Halbschwingung erstellen, das dann entsprechend auch einzeln ausgewertet werden kann.

Betrachtet man die Genauigkeit nicht während einer Minute oder einer Stunde, sondern über einen Zeitraum von 24 Stunden, kann auch eine Großserien-Ankerhemmung gute Gangwerte liefern, weil die Fehler unter Umständen auf empirische Weise nivelliert und ausgeglichen werden. Erst die Verwendung solch exakter Messmethoden legt offen: Ein echtes Chronometer ist mehr als ein sorgfältig einreguliertes Uhrwerk.»

Aber eine Direktimpuls übertragende bzw. Chronometerhemmung wie das C.I.C. vollbringt das faszinierende Kunststück der Präzision in jeder Sekunde, während jeder Minute, jeder Stunde, mit jeder einzelnen Halbschwingung.

Sozusagen prinzipbedingt.

Text: Peter Braun

Die Idee von der Aufgabenverteilung

Abraham-Louis Breguet, von dem an anderer Stelle in dieser Heftausgabe noch ausführlicher die Rede ist, war ein Präzisions-Fanatiker. Im 19. Jahrhundert kämpfte er mit minderwertigen Materialien und ungenauen Bearbeitungsmethoden. Was die heutige Schweizer Ankerhemmung mit präzise bearbeiteten Funktionsflächen und idealen Materialien quasi aus dem Ärmel schüttelt, musste Breguet mit einer ausgeklügelten Kinematik erreichen. Dabei ist die funktionale Trennung der verschiedenen Aufgaben einer Hemmung (Sperren, Halten, Auslösen) bis heute der Schlüssel zur letzten Präzision.

Bei seinem «échappement naturel» («natürliche Hemmung») verteilte Breguet diese Aufgaben auf zwei Hemmungsräder, die er so nebeneinander platzierte, dass ein Rad die Unruh mit Energie versorgte, wenn sie nach links schwang, und das andere Rad dasselbe tat, wenn die Unruh nach rechts schwang. Damit die beiden Räder die Arbeit fein und harmonisch teilten, verband er sie über zwei zusätzliche Zahnräder auf den beiden Achsen.

So schön und unglaublich logisch das auch aus heutiger Sicht noch erscheinen mag: Die Freude war verfrüht. Abraham-Louis Breguet hatte die Rechnung ohne Kenntnis der Gesetze von Beschleunigung und Trägheit gemacht. Um vier Räder auf dieselbe Geschwindigkeit wie ein einzelnes Rad zu beschleunigen, braucht man 16 Mal mehr Energie. Breguet war nicht allein auf dem Holzweg: Auch in jüngerer Zeit gab es immer wieder Versuche, die natürliche Hemmung zum Funktionieren zu bringen. Doch leider helfen auch besonders leichte Materialien nicht, diese Hürde der physikalischen Gesetze zu überwinden.

Sir George Daniels ebnete in den 1970er Jahren mit seiner «Independent Double Wheel»-Hemmung den Weg. Er ersetzte die gewichtskatastrophalen Kupplungsräder durch einen Hebel, der – von der Unruh gesteuert – abwechselnd das linke oder das rechte Ankerrad freigibt, von denen jedes über einen eigenen Antrieb mit Federhaus und Räderwerk verfügt. Statt vier Räder in der Hemmung zu beschleunigen, also die 16-fache Energie aufbringen zu müssen, muss von jedem Antriebsstrang nur noch ein Rad beschleunigt werden. Trotz dieser korrekten Vorgehensweise konnte George Daniels seine Erfindung leider nicht mehr zur vollen Reife bringen. Es dauerte weitere 50 Jahre, bis sich Breguets Traum von der perfekten Hemmung erstmals in einer Armbanduhr erfüllen konnte.

Kasten 1 Echappement
Basierend auf der Idee von George Daniels hat Bernhard Lederer die Doppelchronometerhemmung weiterentwickelt und für Armbanduhren alltagstauglich gemacht.
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