Philipp Man, CEO von CHRONEXT

«Der Kunde weiß, was er will»

Philipp Man, Mitgründer und Geschäftsführer von CHRONEXT
Philipp Man, Mitgründer und Geschäftsführer von CHRONEXT

Herr Man, wie erklären Sie sich den Erfolg des internetbasierten Uhren-Versandhandels?
Ein Vorurteil, dem ich oft begegne, ist die Annahme, wir wären nur eine Handvoll Broker und die Ware würde lediglich auf Computern hin und her verschoben. Aber das stimmt nicht: CHRONEXT ist ein ganz klassisches Handelsunternehmen. Hier in Köln arbeiten zurzeit 130 Leute. Wir haben das Gebäude – eine ehemalige Schiffsschraubenfabrik – komplett saniert und nach unseren Bedürfnissen umgestaltet. Wir haben zwanzig Spezialisten in der Uhrmacherwerkstatt, eine Logistikabteilung, die täglich zwischen 100 und 200 Uhren lokalisiert, dokumentiert, verpackt und versendet, einen ganzen Stab von Kundenberatern am PC und am Telefon sowie eine eigene IT-Abteilung, die unsere Homepage immer besser und bedienerfreundlicher macht. Wir sind in den letzten Jahren im Schnitt jährlich um 150 % gewachsen und haben zeitweise über 30.000 Uhren im Angebot, da müssen wir uns immer weiterentwickeln.

Was macht dieses Konzept für Uhrenmarken interessant, die eigentlich schon selbst einen eigenen Online-Vertrieb unterhalten?
Was man oft unterschätzt, ist, wie viele User tatsächlich unsere Seite besuchen. Bis zu einer Million monatlich – die kann man im stationären Handel oder mit einer eigenen Homepage gar nicht erreichen. Und Marken, die noch nicht international bekannt sind oder noch kein so großes Vertriebsvolumen haben, tun sich heutzutage schwer, die Aufmerksamkeit zu generieren, die sie bräuchten – und verdient hätten. Überdies sind wir international sehr gut aufgestellt. Wir verkaufen inzwischen in 130 Märkte. Anfangs waren wir noch eher auf die EU konzentriert, jetzt geht es in Richtung Asien über Hongkong, Australien und die USA. Hier können wir einer Marke Wachstumsmöglichkeiten bieten, ohne dass sie sich um Marketing-Investitionen, die Schulung von Verkaufspersonal kümmern muss, das alles übernehmen wir.

«CHRONEXT IST EIN GANZ KLASSISCHES HANDELSUNTERNEHMEN. WIR SIND KEINE BROKER, DIE UHREN AUF COMPUTERN VERSCHIEBEN»

Ist CHRONEXT auch eine Alternative zum etablierten Fachhandel?
Ich bin noch jung, 27 Jahre alt, und ich muss sagen, dass die meisten Uhrengeschäfte auf mich nicht wirklich einladend wirken. Und ich glaube, dass man unsere Zielgruppe – auf die es ja jeder Hersteller abgesehen hat, denn es ist die nächste Generation von Uhrenkäufern – am besten online erreichen kann. Bei Uhren ist es zudem wie bei anderen Produktgruppen, bspw. Kleidung oder Elektronik, dass man online nicht unbedingt auf der Homepage einer Marke direkt kauft, sondern auf einer Ebene, wo Vergleiche möglich sind.

Einzelne Marken mit ihren eigenen Boutiquen und Online-Shops können dies natürlich nicht leisten …
«Multibrand» in Kombination mit der Internationalisierung und der riesigen Reichweite im Internet, das ist in der Tat ein sehr starkes Konzept. Und in unserem Fall kommt noch hinzu, dass wir den Preis der Ware kontrollieren, das (Erscheinungs-)Bild und die Beschreibung, außerdem den ersten, zweiten und dritten Kontaktpunkt, also E-Mail, Telefon und Livechat, sowie Verpackung, Versicherung, Handling und Zahlungswesen – alles wird bei uns gemacht. Der Hersteller kann sich zurücklehnen und muss sich keine Sorgen machen, ob seine Produkte richtig vermarktet werden.

Gibt es überhaupt noch Gründe für einen Uhrenhersteller, den etablierten Fachhandel zu bestücken?
Die Sichtbarkeit im stationären Handel halte ich nach wie vor für wichtig, denn wenn man wie zum Beispiel aktuell in Wien keine Audemars Piguet Royal Oak mehr in einem Schaufenster zu sehen bekommt, dann rutscht sie bei potenziellen Kunden aus dem Fokus. Das große Problem des stationären Handels – egal ob Konzessionär oder Markenboutique – ist jedoch die zunehmende Frustration des Kaufinteressenten, wenn er die überall angepriesenen Leadermodelle nicht sofort kaufen kann, sondern sich wie für manche Rolex-Modelle in jahrelange Wartelisten eintragen muss. Diese Frustration führt nicht selten zu Ressentiments gegen die Marke – oder gegen das System des Fachhandels im Allgemeinen. Und was tut er dann? Er sucht sich einen anderen Weg, um an das gewünschte Produkt zu kommen, kauft gebrauchte Uhren oder ungetragene Sammlerstücke aus privater Hand. Oder noch besser: von uns.

Ein Vorwurf, den man Ihnen bzw. CHRONEXT macht, ist, dass Sie nur die Käufer abschöpfen. Dem Fachhandel bleibt die undankbare Aufgabe, den Kaufinteressenten zu informieren …
Die Herausforderung besteht meiner Erfahrung nach nicht darin, dem Kunden zu erklären, was er kaufen soll. Das weiß er schon von allein, und viele der Anfragen, die bei uns eingehen, sind sehr konkret. Die Beratung stationär ist meistens sekundär. Informationen besorgt sich der Kunde meistens selbst: in Magazinen wie dem Ihren, im Internet auf der Hersteller-Homepage ‒ oder er hat seine Traumuhr bei einem Freund oder Arbeitskollegen gesehen und schon einmal angefasst. Beim Kauf geht es dann in erster Linie um Vertrauen: Ist die Uhr echt? Und ist sie tatsächlich verfügbar? Das spricht teilweise auch für den stationären Handel, und deshalb richten wir weltweit immer mehr Lounges ein, wo ein Kunde seine Uhr persönlich in Empfang nehmen kann. Derzeit gibt es diese Möglichkeit hier in der Zentrale in Köln, in München, Hamburg, Frankfurt, Berlin, Zug, Maastricht, London, Hongkong, Melbourne und bald auch in Wien. Dabei geht es meines Erachtens gar nicht so sehr um die Haptik, sondern um die Erfahrung der Echtheit. Sprich: Die stationäre Präsenz stärkt unsere Marke und das Vertrauen in sie, ist aber als isolierter Absatzkanal gar nicht so wichtig für uns.

Also braucht es doch so etwas wie ein «Anprobestudio»?
Der Aspekt der haptischen Erfahrung steht, glaube ich, nicht im Vordergrund. Beim Kauf im Internet kann ich mir Zeit nehmen, ich werde zu nichts gedrängt und habe 14 Tage volles Rückgaberecht. Ich kann mich nach dem Kauf in aller Ruhe mit der Uhr befassen, sie meinen Freunden zeigen, noch mal darüber schlafen und sie am Ende vielleicht sogar zurückgeben – solange die Schutzfolie nicht beschädigt ist. Und zu der von uns überprüften Echtheit, der Organisation des Versands, der Abwicklung der Zahlung und der Gewährung einer Garantie kommt noch der komplette Service einer sehr gut ausgerüsteten und kompetenten Uhrmacherwerkstatt. So komfortabel und informiert konnten Sie vor zehn Jahren noch keine Uhr kaufen.



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