Certified Pre-Owned: Uhrenmarken

Lukrative Konzepte

Juni 2024. Uhrenmarken werden selbst zu Akteuren auf dem Markt für Gebrauchtuhren. Noch ist diese Entwicklung am Anfang, denn erst wenige Unternehmen haben eigene Konzepte. Ihr Engagement erhöht die Glaubwürdigkeit, letztlich aber auch die Preise.
longines cpo

«Junge Sterne» heißt ein Programm von Mercedes, bei dem zertifizierte Gebrauchtwagen direkt vom Autobauer vermarktet werden. Viele Hersteller engagieren sich in dieser Weise – auf dem Automarkt ist das längst Normalität. Bereits vor Jahren sagten Experten dem Uhrenmarkt eine ähnliche Entwicklung voraus, die nun nach und nach eintritt: Uhrenmarken steigen aktiv in das Geschäft mit Gebrauchtuhren ein. Noch ist das ganz am Anfang.

Eine Marke aber schreitet voran: Rolex ist als Primus der Branche bereits mit einem durchdachten Konzept am Markt (siehe ARMBANDUHREN 1/2024). Beim «Rolex Certified Pre-Owned Programm» stattet das Unternehmen gebrauchte Uhren selbst mit einer Echtheitsbescheinigung und einer Garantie aus. Die finale Prüfung findet stets direkt bei Rolex statt, während teilnehmende Partnerjuweliere für An- und Verkauf sowie gegebenenfalls auch für die Revision zuständig sind.

Für Rolex macht ein solches Konzept Sinn: Mit einer Produktionskapazität von jährlich über einer Million Uhren befinden sich zahlreiche Rolex-Uhren im Markt. Zudem gelten diese als besonders preisstabil und werden auch als Gebrauchtuhren gut bewertet.

vacheron constantin zertifikat

Lohnt sich offenbar nicht für jeden

Für Marken mit deutlich kleineren Produktionszahlen ist ein eigenes Engagement auf dem Gebrauchtuhrenmarkt mitunter weniger sinnvoll. So jedenfalls begründete Hublot-CEO Ricardo Guadalupe in einem persönlichen Gespräch, warum man in dem Bereich nicht aktiv ist. Auch die langjährige Nummer zwei der Uhrenindustrie, Omega, gibt sich bei dem Thema zurückhaltend. Aus der Schweiz verlautete dazu, dass man aktuell keine Pläne für ein Programm für Gebrauchtuhren habe.

So äußern sich auch andere Uhrenmarken wie zum Beispiel Tudor und TAG Heuer. Bei Bulgari und Piaget handelt man aktuell ebenfalls nicht mit Uhren aus der eigenen Historie: Werden Stücke aus der Vergangenheit angekauft, werden sie allenfalls Teil der eigenen Museums-Sammlung.

Andere Marken wiederum – Audemars Piguet, Breitling und Chopard – lassen durchblicken, dass man an eigenen Konzepten arbeite, dazu aber noch nichts kommuniziere. Und bei Panerai verweist man auf den Anbieter Watchfinder, der seit dem Jahr 2018 zu Richemont und somit zum gleichen Konzern wie die Uhrenmarke gehört.

Die Abteilung Patrimoine de Maison recherchiert über Vintage-Uhren, die Vacheron Constantin unter dem Titel «Les Collectionneurs» anbietet, in den Archiven.
Die Abteilung Patrimoine de Maison recherchiert über Vintage-Uhren, die Vacheron Constantin unter dem Titel «Les Collectionneurs» anbietet, in den Archiven.

Lukrative eigene Konzepte

Doch es geht auch anders: Neben Rolex haben auch Marken wie Longines, Jaeger-LeCoultre, Zenith und Vacheron Constantin nicht nur eigene Konzepte, sondern auch eigene Angebote. Bei Zenith ist es die Kollektion «Icons», die online angeboten wird. Allerdings handelt es sich nur um eine kleine Auswahl an Modellen vor allem von 1969 und aus den 1970er Jahren. Ihre Herkunft und Geschichte ist auf der Website von Zenith ansprechend aufbereitet, die Preise sind durchweg fünfstellig – das günstigste Modell liegt bei knapp 18.000 Euro.

Auch Cartier unterhält ein Angebot an historischen Uhren, die im eigenen Haus aufgearbeitet wurden und unter dem Namen «Tradition» wieder in den Verkauf gehen. Online ist dieses Angebot nicht zu finden – man kann die Uhren ausschließlich in den Cartier-Boutiquen begutachten und erwerben.

Cartier bemüht sich um besondere und ausgefallene Zeitmesser aus der eigenen Historie. Daher legt man beim Aufarbeiten in den Werkstätten in Paris oder in der Schweiz Wert darauf, möglichst originalgetreu zu arbeiten. Mit Cartier-Zertifikat und -Garantie gehen diese Uhren dann wieder in den Verkauf – zu stattlichen Preisen! Versucht man einen Vergleich mit Modellen der aktuellen Kollektion, dann liegen die alten Schätzchen 20 bis 30 Prozent über deren Preisen.

vacheron constantin

Erst seit einigen Monaten online ist das Vintage-Programm von Vacheron Constantin «Les Collectionneurs». Es wird als «umfassendes Erlebnis des Vintage-Universums des 20. Jahrhunderts» beschrieben: Alle Uhren seien von den Experten der Abteilung Patrimoine de Maison gefunden, auf Echtheit geprüft und in der Manufaktur von spezialisierten Uhrmachern restauriert worden. Im Angebot sind sowohl anspruchsvolle Komplikationen als auch klassische Modelle und ausgefallene Designs – jeweils mit dem Vermerk «Preis auf Anfrage».

Gezielte Programme

Jaeger-LeCoultre nennt das Programm mit den historischen Uhrenmodellen «The Collectibles» und bezeichnet sie als «Schätze aus einer anderen Zeit», denn «sie stellen sowohl für Jaeger-LeCoultre als auch für die Uhrmacherkunst des 20. Jahrhunderts einen Meilenstein dar». Dies gilt für die Reverso ebenso wie für die Memovox Polaris, Schmuckuhren mit besonders kleinen Uhrwerken oder Taucheruhren im expressiven Design der 1970er Jahre. Preislich ist man ab einem fünfstelligen Einsatz dabei. Dazu erklärt man bei Jaeger-LeCoultre: «Die Preise entsprechen dem aktuellen Marktwert, der sich aus der Seltenheit und der Komplexität ergibt.»

Der Bildband «The Collectibles» ist für Käufer der historischen Uhren von Jaeger-LeCoultre bestimmt.
Der Bildband «The Collectibles» ist für Käufer der historischen Uhren von Jaeger-LeCoultre bestimmt.

Beim Ankauf arbeitet Jaeger-LeCoultre nach eigener Aussage mit professionellen Händlern und Auktionshäusern zusammen. Wichtig sei ein tadelloser Zustand. «Daher besteht der Restaurierungsprozess hauptsächlich aus einer Reinigung des Kalibers, aber keiner Veränderung des Gehäuses, des Zifferblatts oder der Zeiger», erläutert man bei der Manufaktur. Es sei hilfreich, dass man in den Archiven jede Uhr finden und für das Werk bisweilen sogar auf originale Ersatzteile zurückgreifen könne. Ausgeliefert werden die Sammlerstücke mit einem Auszug aus den Archiven, einem neuen Armband und dem opulenten Bildband «The Collectibles». Ab dann gilt eine zweijährige Reparaturgarantie.

Aus der Kollektion «The Collectibles» von Jaeger-LeCoultre: Memovox Polaris II aus den 1970er Jahren im typischen Stil der Zeit.
Aus der Kollektion «The Collectibles» von Jaeger-LeCoultre: Memovox Polaris II aus den 1970er Jahren im typischen Stil der Zeit.

Raritäten mit Geschichte

Longines bewahrt die Vergangenheit des Hauses ebenfalls und bietet auf der Homepage unter dem Namen «Collector’s Corner» Raritäten mit Geschichte an. Es ist ein Querschnitt früherer Kollektionen, die überwiegend aus den 1950er bis 1970er Jahren stammen. Im Angebot sind klassische Dreizeigeruhren oder Chronographen sowie Besonderheiten wie Modelle mit Hochfrequenzwerk oder legendäre Taucheruhren.

Aus dem «Collector's Corner» von Longines: Fliegeruhr Majetek aus dem Jahr 1938 mit Handaufzugskaliber 15.94.
Aus dem «Collector's Corner» von Longines: Fliegeruhr Majetek aus dem Jahr 1938 mit Handaufzugskaliber 15.94.

Preislich entsprechen sie der Positionierung der Marke: Eine Edelstahl-Automatikuhr von 1950 kostet zum Beispiel 2850 Schweizer Franken, die Automatikuhr Super-Compressor von 1960 liegt bei knapp 15.000 Franken. Das Angebot ist rar: Die meisten Modelle auf der Website sind bereits verkauft – wie auch bei den anderen Marken. Das unterstreicht die Individualität dieser historischen Uhren, die ihr zweites Leben fast wie ein Unikat beginnen.

Text: Iris Wimmer-Olbort

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