Mit dem Rolex Certified Pre-Owned Program hat die Marke mit der Krone die Branche aufgerüttelt. Ende 2022 stellte Rolex das Projekt vor, das die Kompetenz von Uhrenmarke und Fachhandel bündelt: Die Marke stattet gebrauchte Uhren mit Echtheitsbescheinigung und internationaler zweijähriger Garantie aus, der Vertrieb erfolgt über den Fachhandel. Damit wolle man das bestehende Angebot an gebrauchten Rolex-Uhren aufwerten, heißt es von Rolex. Und weiter: «Dank ihrer hohen Qualitätsanforderungen stellt die Marke Uhren mit einer möglichst langen Lebensdauer her. Und so möchte sie das zweite Leben ihrer bereits auf dem Markt befindlichen Produkte begleiten – geführt von der Idee, Bestehendes zu erhalten, zu warten und mit einer Garantie zu versehen.»
Uhren, die von Rolex zertifiziert werden, müssen mindestens drei Jahre alt sein. Die Zertifizierung beginnt in den Werkstätten des Hauses mit einer Prüfung und wird in der Regel mit dem Service der Uhr fortgesetzt – gemäß den eigenen hohen Standards. Dazu gehört unter anderem das komplette Zerlegen des Uhrwerks. Jede einzelne Komponente wird begutachtet und gegebenenfalls durch ein neues Teil ersetzt, es folgen Reinigung, Remontage und Regulierung. Auch Gehäuse und Armband erhalten nach Bedarf eine Auffrischung. Nach dem Zusammenbau und letzten Kontrollen erhält die Uhr das «Certified Pre-Owned»-Siegel von Rolex.
Beim Kauf der Uhr wird diese von einer Garantiekarte begleitet, welche die Echtheit der Uhr offiziell bescheinigt und für ihre ordnungsgemäße Funktion bürgt. Der Verkäufer garantiert damit, dass diese Uhren allen Qualitätskriterien, welche die Rolex-Produkte kennzeichnen, entsprechen, zudem wird eine internationale Garantie von zwei Jahren gewährt.
Der Start des Programms fand in Deutschland, Österreich und der Schweiz im Dezember 2022 mit Bucherer statt. Seit dem Frühjahr 2023 konnten andere offizielle Rolex-Fachhändler dem Programm beitreten. Diese Möglichkeit haben mehrere Fachhändler genutzt, in Deutschland gehören dazu etwa Juwelier Gadebusch in Köln, Juwelier Weber in Gelsenkirchen-Buer, Juwelier Vogl in Aschaffenburg und Juwelier Oeding-Erdel in Münster und Osnabrück. Sie alle bieten die zertifizierten Rolex-Modelle auch online an – ein absolutes Novum in der Welt von Rolex, wo man den Partnern den Online-Verkauf bislang untersagt hatte.
Die Angebote der Gebrauchtuhren im Netz zeigen, dass das umfangreiche Programm von Rolex seinen Preis hat. Dies ist beim Blick auf die «Alten» im Vergleich mit Neumodellen unübersehbar. Als Beispiel dient hier das Modell Datejust, das 2023 offenbar zu den gesuchtesten Uhren überhaupt gehörte. Das jedenfalls zeigen die Anfragen auf den Uhren-Plattformen Chronext und Chrono24. Bei Chrono24 gingen User aus Deutschland am häufigsten nach der Rolex Datejust auf die Suche. Ein ähnliches Bild bei Chronext: Der Anbieter unterscheidet nach Neu- und Gebrauchtware, und bei den neuen Uhren waren die Datejust 36 und 41 die meistgesuchten Uhren.
Vergleicht man eine neue Datejust mit einem CPO-Modell, beide mit 36 Millimeter großem Gehäuse, dann liegen gebrauchte Uhren mit dem offiziellen Rolex-Zertifikat bei etwa 6800 Euro bis knapp 10.000 Euro, während die neue Datejust laut Preisliste 7500 Euro kostet. Auf den populärsten UhrenPlattformen bietet sich ein ähnliches Bild: Chronext, wo alle angebotenen Uhren selbst zertifiziert werden, listet die klassische Datejust 36 für Preise zwischen rund 6000 und 10.000 Euro. Nur bei der Website Chrono24, die lediglich als Plattform für Händler und Privatleute aus aller Welt dient und keine eigenen Zertifizierungen oder Garantien bietet, gibt es die Datejust 36 bereits ab knapp unter 3000 Euro – zumeist aus Übersee von Privatverkäufern.
Ein weiterer Vergleich, diesmal mit der Taucheruhr Submariner, denn sie ist laut Chronext immerhin unter den Top 3 der meistgesuchten CPO-Uhren von Rolex: Diese Uhr findet man in Edelstahl mit RolexZertifikat etwa bei Bucherer für Preise zwischen 11.500 und 13.000 Euro, bei Juwelier Vogl für 11.900 Euro und bei Gadebusch für 16.000 Euro. Bei Chronext mit hauseigener Garantie starten die Preise bei etwa 10.000 Euro, während der Neupreis derzeit bei 8950 Euro liegt. Bei Chrono24 – wieder von unterschiedlichen Anbietern – wird das Modell bereits für Preise ab 6200 Euro angeboten, unter anderem von Privatverkäufern aus den USA oder Japan.
Das zeigt das Dilemma niedriger Preise: Oftmals werden besonders günstige Uhren aus dem Ausland angeboten, und angesichts immer besserer Rolex-Fälschungen könnte ein vermeintliches Schnäppchen am Ende recht teuer ausfallen. Ein Zertifikat gewährt hier mehr Sicherheit und auch Werterhalt, denn bei einem Weiterverkauf zahlt sich die nachgewiesene Echtheit wieder aus.
Kritiker allerdings bemängeln, dass Preise bisweilen über dem Listenpreis aktueller Uhren liegen und dass deren Verfügbarkeit von Rolex künstlich verknappt werde. Der Vorwurf: Nun würde Rolex dank des eigenen Zertifizierungsprogramms bei einem Weiterverkauf nochmals mitverdienen.
Aber wäre das wirklich verwerflich – bei einer Marke, deren Uhren nach dem Kauf mit dem Verlassen des Juweliergeschäfts bisweilen unmittelbar mit Gewinn weiterverkauft werden? Weitaus wahrscheinlicher ist zudem, dass Rolex als ein Unternehmen, dem Kontrolle in allen Geschäftsbereichen immens wichtig ist, eben auch auf dem Gebrauchtuhrenmarkt mehr Kontrolle ausüben möchte.
Text: Iris Wimmer-Olbort
