Sinn T50 GoldbronzeModerne Alchemie
Zum Thema «Spezialuhren» fällt den Frankfurtern immer wieder etwas Neues ein. Zum Beispiel eine Spezial-Bronzelegierung aus Kupfer mit einem 12,5-prozentigen Goldanteil.
Geduld und Ruhe, Hingabe und Präzision – bei Lang & Heyne in Dresden werden Uhrwerke ganz im Sinne traditioneller Handwerkskunst entwickelt und gefertigt. Doch bei aller Hinwendung zum Althergebrachten: Auf moderne Technik kann heute keine einzige Manufaktur verzichten.
Sogar bei Lang & Heyne beginnt die Arbeit für fast jedes Teil des Uhrwerks an computergesteuerten Bearbeitungszentren: Mittels Drehen und Fräsen werden nahezu alle Komponenten von der Platine über die Schrauben bis hin zu den Laufwerksrädern gefertigt.
Auch die ersten Arbeiten an den Komponenten der Hemmung werden in dem gut ausgestatteten Maschinenpark ausgeführt: Neben dem Unruhreif stellt man auch Anker und Ankerrad her. Letztere sind bei Lang & Heyne aus Gold gefertigt, was mit guter alter Tradition der Glashütter Uhrmacherkunst zu tun hat. Einst schätzten die uhrmacherisch noch unerfahrenen Glashütter den Umgang mit Gold, das sich leichter bearbeiten lässt als andere Metalle.
Heute sind es vor allem die ästhetischen Vorzüge, warum Anker und Ankerrad bei Lang & Heyne aus Gold hergestellt werden. Übrigens sind auch das komplette Laufwerk und die Unruhschrauben aus Gold gefertigt.
Die Rohteile für Anker und Ankerrad werden in der eigenen CNC-Abteilung aus 0,2 Millimeter starkem Goldblech gefräst. Um das Material für die Bearbeitung einlegen zu können, wird es mit Klebstoff auf einer Messingplatte befestigt. Diese bietet Platz für 15 bis 20 Einzelteile, die in einem Arbeitsgang ausgefräst werden. Dabei wird das Goldblech durchschnitten und verbleibt dank des Klebers auf der Trägerplatte. Ist diese fertig bearbeitet, werden die goldenen Rohteile mittels Aceton abgelöst, von Hand entgratet und akribisch kontrolliert.
Dann geht es an die Bearbeitung der Oberflächen, die noch ungleichmäßig sind. Die Umfänge werden mit einem Schleifstift geschliffen und Bearbeitungsspuren beseitigt. «Für dieses freihändige Schleifen braucht man viel Übung und Erfahrung», berichtet Jens Schneider, Entwicklungsleiter bei Lang & Heyne.
Anker und Ankerrad werden nun also zuerst geglättet. Beim Ankerrad werden beide Seiten poliert. Die glatte Oberfläche sorgt dafür, dass eine Schmierung nicht «kriecht», sich folglich nicht verteilt. Die Kantenbrechung der Schenkel, die Politur der Kante und ein Umfangschliff in der Schenkelung haben eine optische Funktion – sie sorgen für eine dreidimensionale Optik sowie für Glanz. «Das kommt der Ästhetik des gesamten Uhrwerks zugute», betont Schneider. Perfekt verschönert, wird das Ankerrad mit einem Stahltrieb verpresst und vernietet. Es folgen eine Rund- und eine Flachlaufkontrolle mit eventuell notwendigen Anpassungen.
Auch der Ankerkörper – noch ohne die Paletten – wird nach der CNC-Fertigung entgratet, am Umfang geschliffen, auf der Unterseite mit einem Strichschliff versehen und auf der Oberseite poliert.
In der Ankergabel werden die Flächen bombiert, um die Reibung zu minimieren. Denn hier greift der Anker ungeschmiert in den Hebelstein der Unruh ein, und man möchte den Kontakt so gering wie möglich halten und nur eine Punktberührung schaffen. Die bombierte Wölbung wird ausschließlich von Hand erstellt – mit der Schnittfeile.
So vollendet, können schon die kleine Ankerwelle aus Stahl eingepresst und das Sicherheitsmesser aus Messing in einer Bohrung vernietet werden. Zuletzt folgen die Paletten aus synthetischem Rubin – zwei unterschiedlich geformte Klötzchen. Sie werden in die vorgesehenen Halterungen des Ankers eingeklemmt und nach der Einstellung der Hemmung mit Schellack fixiert.
Nun geht es um das Einpassen der Komponenten und das Einstellen im Uhrwerk, also die Eingriffshöhe von Anker, Ankerrad und Unruh, das Auslösen und das korrekte Ineinandergreifen von Paletten und Ankerradzähnen. Zudem müssen die Wegbegrenzung des Ankers eingestellt und die Sicherheit des Gabeleingriffs geprüft werden. «Dabei müssen wir Toleranzen von wenigen Hundertstelmillimetern beachten», benennt Jens Schneider die Herausforderung.
Bisweilen muss nachjustiert, geschliffen und angepasst werden. «Das Werk einzuregulieren ist am anspruchsvollsten, und die Fehlersuche kann aufreibend sein», erzählt der erfahrene Uhrenkonstrukteur. Jens Schneider erinnert sich, dass es einmal der Riss in einem Lagerstein war, den man nach langer Suche als Ursache von Ungenauigkeiten entdeckt hat. Die Herausforderung liegt folglich auch bei der Hemmung – wie so oft im Uhrwerk – im Detail.
Text: Iris Wimmer-Olbort