150 Jahre Mühle in Glashütte

Familiensaga

Über 700 Jahre sind die Vorfahren der Familie Mühle in der Gegend rund um Glashütte ansässig. Sie wohnten in Börnersdorf bei Liebstadt oder in Liebenau bei Lauenstein, waren Pfarrer oder Musikdirektoren. Einer von ihnen wurde sogar in den Freiherrnstand erhoben, nachdem er den sächsischen Kurfürsten aus einer misslichen Lage gerettet haben soll.

Seit 1629 haben die Mühles deshalb ein Familienwappen, vor allem aber ein Familienethos: «Weder durch Hoffnung, noch durch Furcht» lautet es. Deswegen haben sie auch nicht aufgegeben, als das 1869 gegründete Familienunternehmen durch Weltkrieg, Sozialismus und Enteignung bedroht wurde. Und so können Thilo und Hans-Jürgen Mühle heute mit Stolz sagen, dass der Name «Mühle» seit fünf Generationen für Präzision und das präzise Messen steht.

Alfred, Max, Paul Mühle
Firmengründer Robert Mühle im Kreise seiner Familie. Im Hintergrund von links zu sehen die Söhne Alfred, Max und Paul.

Die erste Generation: Robert Mühle

Der Unternehmensgründer Robert Mühle wird am 28. Juni 1841 unter dem Namen Georg Albert Mühle im wenige Kilometer von Glashütte entfernten Lauenstein geboren. Den Namen Robert nimmt er erst später an, wahrscheinlich nach dem frühen Tod seiner ersten Ehefrau und des gemeinsamen Sohnes Robert.
Nach seiner Ausbildung zum Mechaniker und Werkzeugmacher in der Manufaktur von Moritz Grossmann macht sich Robert Mühle im April 1869 selbstständig, wie es seinerzeit in der aufstrebenden Uhrenindustrie in Glashütte üblich ist. Er konzentriert sich auf die Fertigung von Messinstrumenten und Werkzeugen und übernimmt nach und nach die Messgeräte-Fertigung für alle Uhrmacher im Müglitztal. Damit leistet Robert Mühle einen wichtigen Beitrag zum guten Ruf von Glashütte als Zentrum der deutschen Uhrenindustrie: Nur weil er damals schon so präzise arbeitete, konnten andere dies auch tun.
Neben den Messuhren, die Abmessungen bis auf den Tausendstelmillimeter präzise messen konnten, fertigt Mühle auch viele Messgeräte für spezielle Einsatzzwecke, wie z. B. eine Mikrometer-Punktmessmaschine für Schützenvereine.

Paul, Max und Alfred Mühle

Otto Paul (1872‒1931), Arthur Max (1874‒1944) und Alfred Otto (1878‒1940) entstammen der zweiten Ehe von Robert Mühle. Zunächst treten Max und Alfred, später auch Paul Mühle ins väterliche Unternehmen ein. Am 1. Juli 1905 wird die Firma deshalb in «R. Mühle & Sohn» umbenannt.
Am 7. Januar 1921 stirbt Robert Mühle nach kurzer Krankheit im Alter von 79 Jahren. Nun sind seine Söhne allein für die Geschicke des Familienunternehmens verantwortlich. Dank des guten Rufs der Messinstrumente gelingt es ihnen, die Fertigung auf ein neues Gebiet auszuweiten. Ab ca. 1920 stattet R. Mühle & Sohn große Automobil- und Motorradmarken mit Borduhren, Geschwindigkeits- und Drehzahlmessern aus. Die Erweiterung der Messgeräte-Fertigung kommt zustande, weil R. Mühle & Sohn auch die jungen Automobilhersteller im sächsischen Zwickau mit Messuhren beliefert. Von hier kommt die Anfrage zur Entwicklung eines Tachometers. So wird zunächst ein Tachometer für Horch entwickelt, nach und nach kommen bspw. die Elite-Werke in Brand-Erbisdorf und DKW in Zschopau hinzu. Zu den Motorrädern, die mit den Glashütter Mühle-Tachometern unterwegs sind, zählen Wanderer in Chemnitz, BMW, D-Rad, Triumph sowie AJS und viele mehr.
Mit Messgeräten und der Erweiterung der Instrumenten-Fertigung um Tachometer und Autouhren gelingt es Paul, Max und Alfred Mühle, das Unternehmen viele Jahre und selbst durch die Weltwirtschaftskrise erfolgreich zu steuern. So gelangt der Familienbetrieb schließlich in die Hände der dritten Generation. 1940 übernehmen die Geschwister Heinz (1910‒1993) und Charlotte Mühle (1908‒1986) die Firmenanteile ihres Vaters Alfred. Die Wirren nach dem Zweiten Weltkrieg beenden die Erfolgsgeschichte von R. Mühle & Sohn, und wie viele andere Glashütter Unternehmen wird der Familienbetrieb im sozialistischen Ostdeutschland enteignet.

Die dritte Generation: Hans Mühle

Nach dem Ende des Krieges wird aus R. Mühle & Sohn der Volkseigene Betrieb «Optik Messtechnik Glashütte». In dieser Zeit kehrt Hans Mühle in seine Heimatstadt zurück, Pauls Sohn, der nach seinem Studium als Betriebsingenieur in den Heliowattwerken Schweidnitz gearbeitet hatte. Als er 1945 nach Glashütte zurückkehrt, wird er von der sowjetischen Verwaltung als Kriegsflüchtling angesehen. Da diese seine Verwandtschaft mit Heinz Mühle nicht erkennt, wird der erfahrene Ingenieur als Betriebsleiter des VEB Optik Messtechnik Glashütte eingesetzt.
Bereits im Dezember 1945 gründet Hans Mühle ein eigenes Unternehmen. Unter dem Namen «Ing. Hans Mühle, Feinmechanik Glashütte» fertigt er unter anderem Zeigerwerke für Druck- und Temperatur-Messgeräte. Beide Firmen sind im selben Gebäude untergebracht: Während in den ersten beiden Etagen des Mühle-Stammhauses Tachometer und Messuhren gefertigt und repariert werden, entstehen im Dachgeschoss Zeigerwerke für Druck- und Temperatur-Messgeräte oder das Linienziehgerät «Kontolina». Trotz der politischen Umstände in der DDR befindet sich der neue Betrieb bis 1972 in Privatbesitz. Dann wird das Familienunternehmen ein zweites Mal verstaatlicht. Hans Mühle selbst muss die Verstaatlichung nicht mehr miterleben: Er stirbt überraschend am 22. Januar 1970.

Die vierte Generation: Hans-Jürgen Mühle

Hans-Jürgen Mühle wird am 22. September 1941 im schlesischen Schweidnitz geboren. Nach seiner Schul- und Militärzeit studiert er in Jena Feinmechanik und Optik und arbeitet danach in einem Zulieferbetrieb der Firma seines Vaters, bis er den Betrieb 1970 übernimmt. Als der Familienbetrieb am 16. April 1972 zum zweiten Mal verstaatlicht wird, muss sich Hans-Jürgen Mühle im eigenen Unternehmen bewerben – erfolgreich. «Bis Sonntagabend war ich ein unerwünschter Kapitalist – ab Montagmorgen ein Direktor der sozialistischen Arbeit», kommentiert er den unfreiwilligen Berufswechsel.
1980 wird der in VEB Feingerätetechnik umbenannte Familienbetrieb in den VEB Glashütter Uhrenbetriebe eingegliedert. Hans-Jürgen Mühle arbeitet nun in der Vertriebsabteilung der GUB und übernimmt nicht nur den Verkauf von Marine-Chronometern und Schiffsuhren weltweit, sondern auch von Armbanduhren in Osteuropa. Diese Entscheidung sollte damals noch nicht absehbare Folgen haben und das Schicksal der Familie in neue Bahnen lenken.
Die Basis dafür war die Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990. Neben weiteren Kollegen wird Hans-Jürgen Mühle einer von fünf Geschäftsführern der GUB. Gemeinsam sollen sie den Volkseigenen Betrieb in das neue Wirtschaftssystem der Bundesrepublik Deutschland überführen. Bei der Umwandlung des VEB Glashütter Uhrenbetriebe in die Glashütter Uhrenbetriebe GmbH kann lediglich der Armbanduhren-Sektor erhalten werden. Für die Fertigung von Messgeräten, Schiffsuhren und vielen anderen feinmechanischen Geräten, die in der GUB hergestellt wurden, können keine Investoren gefunden werden. Besonders an den hochwertigen Schiffsuhren und Marine-Chronometern aus Glashütte besteht jedoch weiterhin Bedarf.

Hans-Jürgen & Thilo Mühle
Neugründung nach der Wende: Hans-Jürgen und Sohn Thilo Mühle.

Die fünfte Generation: Thilo Mühle

Hans-Jürgen Mühle nutzt nicht nur seine früheren Kontakte zu den westdeutschen Schiffsausstattern, sondern auch die Gunst der Stunde, um die Unternehmer-Tradition seiner Vorfahren wiederzubeleben. 1992 verlässt er die GUB und lässt die «Mühle-Glashütte GmbH nautische Instrumente und Feinmechanik» ins Handelsregister eintragen. Am 1. April 1994 beginnt er mit der Entwicklung und Fertigung hochpräziser Marine-Chronometer und Schiffsuhren.
Aufgrund der guten Zusammenarbeit fragt im Sommer 1995 eine Werft an, ob Mühle auch eine robuste, wasserfeste Armbanduhr als Schiffsausrüstung liefern könne. Genau wie die Marine-Chronometer und Schiffsuhren muss sich schließlich auch eine Armbanduhr, die zur See fährt, durch hohe Präzision und Zuverlässigkeit sowie beste Ablesbarkeit auszeichnen. Die nautischen Tugenden der Schiffsuhren überträgt Mühle auf seine erste Armbanduhr. Diese besitzt ein Messinggehäuse und wird in einer Auflage von 25 Exemplaren ausschließlich für die anfragende Werft gefertigt. Daraus erwächst jedoch die Idee, eine eigene Armbanduhrenkollektion vorzustellen. 1996 werden dann die Marinefliegeruhr-I, die Damen-Taucheruhr und die Herren-Sporttaucheruhr, die Nachfolgerin der Werft-Armbanduhr, vorgestellt. Den nautischen Bezug bekommen die Armbanduhren von Mühle-Glashütte damit bereits in die Wiege gelegt – weshalb eine Mühle-Uhr bis heute unter dem Signet «Nautische Instrumente Mühle-Glashütte» erscheint.
Im Jahr 2000 tritt Thilo Mühle in das Familienunternehmen ein und übernimmt 2007 in einem Insolvenzverfahren auch die Verantwortung für die Firma. Nach einem wettbewerbsrechtlichen Streit über die Anwendung der sogenannten «Glashütte-Regel» (Wertschöpfung am Ort) mit dem Nachbarn Nomos und unglücklich gescheiterten Vergleichsverhandlungen müssen Rückstellungen für Vertragsstrafen gebildet werden, die das inhabergeführte Traditionsunternehmen überfordern. Mit dem Insolvenzverfahren beginnt eine Durststrecke, aus der die neu strukturierte Firma Mühle-Glashütte mit neuen Modellen, größerer Wertschöpfung und noch höherer Qualität gestärkt hervorgeht.

Neuheiten zum Jubiläum

Jubiläumsrotor
Blick in das nach allen Regeln der Glashütter Kunst veredelte Uhrwerk mit blauem Jubiläumsrotor des neuen Chronographen Teutonia Sport I.

Anlässlich des Jubiläums werden die neuen Mühle-Uhren für 2019 mit einem Rotor mit blau eloxiertem Mittelsegment aus Aluminium mit Jubiläums-Gravur ausgestattet. Das Leichtmetall kommt bei Rotoren sehr selten zum Einsatz. Aus dem Rohmaterial werden die Mittelsegmente aufwendig bei Mühle-Glashütte hergestellt, was auf den hauseigenen CNC-Bearbeitungszentren geschieht. Die Sonderedition des Mühle-Rotors ist auf Modelle beschränkt, die 2019 neu vorgestellt und gleichzeitig auch in diesem Jahr gefertigt werden. Dabei handelt es sich um die Panova Grün, die Teutonia IV Mondphase, den Sea-Timer BlackMotion und die Teutonia Sport I mit Zifferblatt im Hufnageldekor («Clous de Paris»).
Zur großen Jubiläumsfeier am 25. Juni 2019 wurde darüber hinaus noch ein neues Modell in der Manufakturlinie R. Mühle & Sohn vorgestellt. Mit der Robert Mühle Mondphase ehrt die Firma Nautische Instrumente Mühle-Glashütte den Begründer ihrer Tradition. Das zifferblattseitige Komplikationsmodul der RMK-Handaufzugswerke besitzt neben der 2014 neu konstruierten Auf/Ab-Anzeige und dem hauseigenen Zeigerdatum aus dem Jahr 2016 nun noch eine dritte Funktion: eine auf 122 Jahre genau berechnete Mondphasenanzeige.

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