Wie funktioniert das Großdatum?

Groß und deutlich

Zweistellige, gut ablesbare Datumsanzeigen gibt es schon seit den dreißiger Jahren. Richtig populär gemacht hat das Großdatum aber die Marke A. Lange & Söhne, die ihre erste Armbanduhren-Kollektion 1994 sogar teilweise um diese Anzeige herum gestaltete. Inzwischen ist die große Datumsanzeige salonfähig, und das nicht nur bei der «Generation Lesebrille».
Inzwischen ein vertrauter Anblick: Das «Lange-Großdatum», hier illustriert an der Lange 1 Daymatic, deren Zifferblatt spiegelbildlich zu dem ihrer älteren Schwester mit Handaufzug aufgebaut ist.

Böse Zungen behaupten, Lange habe die Arkade nur produziert, um die Leute mit der verblüffenden Dimension des Großdatums zu beeindrucken. Wer das Glück hatte, Günter Blümlein, den kreativen Geist hinter der Neugründung der Marke A. Lange & Söhne, persönlich erleben zu dürfen, der wird zumindest einen Moment lang über diese Vorstellung schmunzeln. Denn in der Tat gelang den Sachsen mit dem Großdatum bzw. der Enthüllung seiner Funktionsweise ein echtes Alleinstellungsmerkmal in der boomenden Uhrenlandschaft Mitte der neunziger Jahre.

Blümlein, der im VDO-Mannesmann-Konzern seinerzeit auch für die Marken IWC und Jaeger-LeCoultre verantwortlich war, hatte das Patent der zweistelligen Datumsanzeige sanft schlummernd in den Archiven der «Grande Maison» in Le Sentier gefunden und kurzerhand für sein Prestige-Projekt Lange requiriert. Erst zehn Jahre später durfte auch Jaeger-LeCoultre das Großdatum verwenden (in der Reverso Grande Automatique).

Innen größer als außen

Zwar war das Lange-Großdatum von Anfang an ein gestalterisches und technisches Merkmal des Leadermodells Lange 1, doch zur Illustration der faszinierenden Technik nutzte man bevorzugt die zierliche Damenuhr Arkade. Deren Gehäuse war nur 22 Millimeter breit, und natürlich fragte sich der Betrachter, wie diese gut und gern viermal größer als normal erscheinende Datumsanzeige bei einer so kleinen Uhr funktionieren konnte.

In für die Uhrenbranche seltener Offenheit zeigte A. Lange & Söhne in den großformatigen Werbeanzeigen das ausgeschalte Uhrwerk der Arkade.

Das Kaliber L911.4 war gar nur 17,6 Millimeter breit und 25,6 Millimeter lang, denn es war offensichtlich aus einem runden Handaufzugswerk mit dem Standardmaß 10 ½ Linien (25,6 mm) herausgesägt. Beinahe 17 Millimeter betrug auch der Durchmesser des großen Einerrings, der nahezu die komplette Uhrwerkfront bedeckte und die Zeigerachsen von Stunden- und Minutenzeiger umschloss, während die Achse für die Kleine Sekunde bei der «6» außen vor blieb.

Zehnerkreuz und Einerscheibe ergeben eine zweistellige Datumsanzeige mit 0,25 mm Höhenversatz.
Nur zum Größenvergleich: Eine konventionelle Datumsscheibe auf dem Automatikkaliber JLC 956 von Jaeger-LeCoultre.

Durch die Verteilung der beiden Digitalen auf zwei Anzeigemodule stand viel mehr Fläche zur Verfügung. Ein herkömmlicher Datumsring muss ja in 31 Segmente unterteilt werden, ein Einerring nur in zehn und ein Zehnerring sogar nur in drei.

Noch beeindruckender als die Lösung des Platzproblems erscheint die Steuerung des Zehnerkreuzes, das sich im Grunde nur alle zehn Tage bewegen muss. Im Gegensatz zu den frühen zweistelligen Datumsanzeigen, bei denen am Monatsende auf den 31. der 32., 33. usw. folgte, bis nach dem 39. endlich wieder das blanke Feld erschien, hat das Lange-Großdatum eine Steuerung mit vier Schaltzähnen, bei der die ersten drei alle zehn Tage schalten, der vierte jedoch schon nach zwei Tagen.

Der Einerring wird von seinem Schaltzahnrad jeden Tag um eine Position weiterbewegt. Das Zahnrad hat jedoch eine Lücke, sodass es den Anzeigering in der Nacht vom 31. auf den 1. ausnahmsweise stehen lässt, während das Zehnerkreuz – im Grunde zu früh – weitergeschaltet wird.


Störender Höhenversatz

Da sich das Zehnerkreuz bei der von Lange und Jaeger-LeCoultre verwendeten Konstruktion über dem Einerring dreht, liegen die Zehner in der Digitalanzeige höher als die Einer. Der Abstand zwischen den beiden drehenden Scheiben beträgt zwar nur 0,15 Millimeter, aber zusammen mit der Materialstärke entsteht ein mit bloßem Auge sichtbarer Höhenunterschied. Dieser wird bei beiden Konstruktionen durch einen Mittelsteg zwischen den beiden Digitalfenstern kaschiert.

Die Manufaktur Girard-Perregaux, die anstelle eines Zehnerkreuzes eine transparente, bedruckte Scheibe verwendet, verzichtet auf einen solchen Steg. Bei schrägem Lichteinfall kann man den Höhenversatz aber sehr gut am Schatten unter der Zehnerziffer sehen. Die transparente Scheibe von hinten zu bedrucken, birgt das Risiko, dass die Ziffern verkratzen, wenn die beiden Scheiben wegen des sehr geringen Höhenspiels einander streifen.


Konzentrische Scheiben

Die Marke Glashütte Original konnte oder wollte dem Mitbewerber am Ort den Vorsprung durch die Großdatumsanzeige nicht so einfach überlassen, weshalb die Konstrukteure schon 1997 mit dem «Panoramadatum» auf den Markt kamen. Dieses schaltet nach demselben Rhythmus von 31 Tagen, was eine manuelle Korrektur an jedem zweiten Monatsende erforderlich macht. Doch im Gegensatz zur Konstruktion der Nachbarn liegen beide Digitalen auf derselben Ebene und in einem gemeinsamen Fenster.

Nur wer genau hinsieht, erkennt einen hauchfeinen Spalt zwischen den beiden Scheiben, die in der Tat konzentrisch zueinander gelagert sind und folglich einen gemeinsamen Drehpunkt haben.

Großdatum
Als Antwort auf das Großdatum von Lange präsentierte Glashütte Original 1997 mit dem «Panoramadatum».

Gut zu erkennen sind die beiden konzentrischen Scheiben im Großdatum der Manufaktur Hublot – dank des skelettierten Zifferblatts der Spirit of Big Bang Moonphase.

Allerdings fällt auf den zweiten Blick auf, dass beim Kaliber HUB 1770 der Schaltrhythmus für die Zehnerscheibe etwas unorthodox ist: Zur Verbesserung der typografischen Harmonie der beiden Digitalen ist die kleinere Scheibe mit fünf Ziffern bedruckt: Die «2» wird zweimal geschaltet.

Im Zenith Kaliber El Primero 4047 sind hier, wie bei Glashütte Original, nur vier Ziffern aufgedruckt, die Schaltsprünge der Zehnerscheibe resultieren infolgedessen in größeren Winkeln.

Das Prinzip der zwei konzentrischen Scheiben verwendet auch die Uhrwerkefabrik der Swatch Group, ETA, bei dem in großen Stückzahlen produzierten und auch an gruppenfremde Marken verkauften Kaliber 2896. Allerdings ist die innere Zehnerscheibe mit 12 Ziffern und die äußere mit 20 Ziffern bedruckt, weil beide um die Hauptzeigerachsen in der Werkmitte gelegt werden. Damit ist jedoch gleichzeitig die Anordnung des Großdatumsfensters neben der «3» festgelegt, und Platz für andere Anzeigen, wie beispielsweise eine Gangreserve, Mondphase oder Kleine Sekunde, bleibt aufgrund der flächendeckenden Scheiben auch nicht übrig.


Der Trick mit der Lücke

Großdatum
Bei H. Moser & Cie. hat die obere Scheibe ein Fenster, darunter dreht die untere Scheibe weiter.

In dem zuletzt anlässlich des 75. Jubiläums der Portugieser im Perpetual Calendar Digital Date-Month verwendeten IWC Kaliber 89801 überlebt eine interessante Spielart der zweistelligen Digitalanzeige mit übereinander angeordneten Scheiben.

Bei der Datumsanzeige liegt über der mit den Ziffern von 1 bis 0 bedruckten Scheibe eine zweite Scheibe, die nur die Ziffern 0 bis 3 trägt, daneben aber jeweils ein rechteckiges Loch lässt, durch das die auf der darunterliegenden Scheibe gedruckte Ziffer zu lesen ist. Die untere (Einer-)Scheibe schaltet täglich, die darüberliegende Zehnerscheibe im selben Rhythmus wie das Kreuz bei den Konzernschwestern Lange bzw. Jaeger-LeCoultre.

Auch das System der Lochmaske ist nicht ganz neu. Vor über 20 Jahren hatte der deutsche Großuhrenbauer Matthias Naeschke bereits eine Datumsanzeige präsentiert, bei der zwei Ziffernringe mit einem Durchmesser so groß wie das Uhrwerk übereinandergelegt waren. Beide Ringe sind mit 16 Positionen belegt: der obere mit den Ziffern 1 bis 15 bedruckt und dazwischen eine rechteckige Aussparung, in der die Ziffern 16 bis 31 auf dem darunterliegenden Ring zu sehen sind.

Durch die Halbierung der Segmente ist das angezeigte Datumsfeld fast doppelt so groß wie bei einem herkömmlichen 31er-Datumsring. Naeschke reduzierte den – vorwärts und rückwärts schaltbaren – Mechanismus auf Armbanduhrdimensionen und kombinierte ihn mit einem ewigen Kalender für H. Moser & Cie. Im Mittelsegment des Zifferblatts bleibt trotzdem Platz für die Durchführung zusätzlicher Zeigerachsen für Kleine Sekunde oder Gangreserveanzeige, selbst Chronographenzähler ließen sich realisieren.

Text: Peter Braun

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