Uhren & Autos: Porsche Design50 Jahre Turbo
Die Uhrenmarke trägt einen großen Namen und erweist sich als würdige Bewahrerin des gestalterischen Erbes von Professor F. A. Porsche.
Uhrenmarken mit jahrhundertealter Geschichte neigen oftmals gern dazu, sich selbst immer wieder zu zitieren. Was zur Folge hat, dass der Markt derzeit von Retro-Uhren geflutet wird. Dann gibt es jüngere Marken, die sich umschauen, womit die Alteingesessenen erfolgreich waren. So kommt es, dass beispielsweise Rolex-Klone zu Dutzenden in den Schaufenstern stehen. Und dann gibt es Uhrenbauer wie Rainer Brand, die ihre jahrzehntelange Erfahrung dazu nutzen, einen eigenständigen Stil zu entwickeln, oder solche wie Yvo Staudt, die eigentlich aus einer ganz anderen Ecke kommen, aber mit Sinn für Ästhetik ein Stückchen vom großen Kuchen des Uhrenmarktes abknabbern wollen. Mit den Chronographen Yoho und Prelude könnte das sowohl Rainer Brand als auch Yvo Staudt gelingen.
MARTIN HÄUSSERMANN: Eines muss man dem Kollegen Peter Braun ja lassen. Der ist oft schon auf dem See, bevor er gefriert, und so sah er die Yoho von Rainer Brand viel früher als andere, vor allem viel früher als ich. «Mit dieser Uhr müssen wir unbedingt etwas machen», schwärmte er. Und weil ich seiner Einschätzung im Allgemeinen vertraue, habe ich mich auf die Suche nach einem «Probezeit»-Pendant gemacht. Dabei bin ich bei Yvo Staudt gelandet, einer Marke, die ich – zu meiner Schande – bisher nur vom Hörensagen und aus dem ARMBANDUHREN Katalog kannte. Doch auf der Inhorgenta gab es die Gelegenheit, sowohl den Mann hinter den Uhren als auch die Produkte selbst kennenzulernen. Ein Perfect Match, würde der Engländer sagen. Der Prelude Chronograph macht auf Anhieb einen sehr guten Eindruck hinsichtlich Design und Verarbeitung, und der Markenchef erscheint sympathisch und nahbar.
Yvo Staudt ist in Sachen Uhrmacherei ein Spätberufener. Ursprünglich ist er Musiker, spielt Akkordeon auf höchstem Niveau und studierte in Italien Musik. Seit 2014 ticken seine Präludien. Rainer Brand hingegen ist in Sachen Uhrmacherei ein alter Hase, seit den Achtzigern im Beruf, Uhrmachermeister und hat einige Jahre bei Chronoswiss gearbeitet, bevor er sich selbstständig machte. Das merkt man. Nicht weil er versucht, den inzwischen unglücklicherweise verstorbenen Gerd-Rüdiger Lang zu kopieren, sondern weil er dessen unbedingten Drang nach Eigenständigkeit und Kompromisslosigkeit hinsichtlich der Qualität übernommen hat. Diese entsteht aber gerade bei einer so kleinen Marke nur dann, wenn man ausnahmslos mit erstklassigen Lieferanten zusammenarbeitet. Das tut Rainer Brand, wie Sie im Folgenden erfahren werden.
PETER BRAUN: Bei der Yoho fällt mir sofort das angenehm weiche Lederband auf, das, wie ich erfahren habe, von einer Gerberei aus dem Allgäu stammt, wo Rainer Brand meist ganze Häute kauft, um einen gleichmäßigen Farbton für mehrere Bänder zu erhalten. Das ist nämlich bei ökologisch und vegetabil gegerbtem Leder mitunter ein wenig schwierig. Auch die Doppelfaltschließe macht hier einen sehr guten Eindruck: Beim Zusammendrücken der Entriegelungstasten wirken die Schließenschenkel wie eine große Feder mit einer teleskopischen Führung dazwischen – sehr schön gelöst! Der Spezialist Boucle d'Or beliefert außerhalb der Schweiz nur ganz wenige Kunden. Hier profitiert Rainer von seinen langjährigen Kontakten und seinem Qualitätsbewusstsein.
Der Chronograph Yoho kommt auf einen Durchmesser von 40,5 mm, wirkt aber wegen der ganz schmalen Lünette und der entsprechend großen Zifferblattschau größer. Die ausgeprägte Topfform mit dem nur wenig bombierten Saphirglas oben trägt überdies ganz schön auf: 14 mm misst der Chronograph in der Höhe. Auch der Chronograph Prelude hat einen Durchmesser von 40,5 mm, wirkt aber im direkten Vergleich mit dem Chronographen Yoho etwas kleiner und deutlich flacher, obwohl er die Uhr von Rainer Brand hier nur um 0,5 mm unterbietet. Allerdings ist das Deckglas der Staudt-Uhr stärker gewölbt. Während Rainer Brand im Design sehr eigenständig auftritt, orientiert sich Yvo Staudt bei seinem Chronographen Prelude doch stark an klassischen Vorbildern.
MH: Das sehe ich auch so. Gebläute Feuilles-Zeiger und aufgesetzte gebläute Ziffern erinnern tatsächlich ein bisschen an die IWC Portugieser; die «Bicompax»-Anordnung von Halb-stunden-Totalisator und Kleiner Sekunde macht einen auf historisch. Als Kopie würde ich das aber nicht betrachten, allenfalls als Interpretation. Die Ablesbarkeit ist aufgrund der Kontraste zumindest am Tag tadellos. In der Dunkelheit hat man mit der Yoho einen Vorteil, denn Rainer Brand lässt Zeiger und Ziffern mit Leuchtmasse belegen. Ob man ein Datumsfenster allerdings so groß machen muss, dass nicht nur das aktuelle Datum, sondern auch das davor und das danach gezeigt werden, ist Geschmackssache. Ich ziehe ein klassisches Rechteckfenster dem Halbmond vor. Yvo Staudt umgeht diese Diskussion, indem er auf eine Datumsanzeige komplett verzichtet. So bleibt das Zifferblatt cleaner, aber es fehlt eben auch eine – zumindest mir – nützliche Information. In Sachen Tragekomfort will ich bei beiden Uhren nicht meckern. Aber aufgrund des vom Kollegen zu Recht gelobten handschuhweichen Lederbandes und der feinen Schließe liegt für mich die Yoho hier leicht vorn.
PB: Das weiße Zifferblatt der Yoho ist mit einem matt-pudrigen Lack überzogen, der sich wie eine dünne Schneedecke ausbreitet und die scharfen Kanten kaschiert, die beim alternativ erhältlichen schwarz galvanisierten Zifferblatt sichtbar werden. Die aufgesetzten Leuchtziffern sind nur ganz schmal gerahmt, aber weiß. Als Besonderheit fällt mir auf, dass auch der Hintergrund der Datumsscheibe mit Leuchtmasse belegt ist, wodurch das breite Datumsfenster bei Dunkelheit wie elektrisch beleuchtet wirkt. Die Krone mit dem stilisierten Eulen-Logo ist aus dem Vollen gefräst, aber leider nicht besonders griffig und überdies wegen der strammen Dichtung sehr schwergängig, was schon das Zeigerstellen zum Kraftakt macht, vom Handaufzug ganz zu schweigen! Dafür ist der Chronograph Yoho auch ohne Verschraubungen wasserdicht bis 70 Meter. Den Tragekomfort hatte ich ja schon gelobt.
Das Full-Cut-Lederband des Prelude Chronographen ist recht weich, ungeachtet seiner markanten Stärke. Die Doppelfaltschließe kommt von der Stange, lag bei mir komischerweise aber nicht so komfortabel am Arm und hinterließ Druckstellen. Die Pilzdrücker der Prelude sind leichtgängig, die Krone griffig – auf jeden Fall griffiger als bei der Yoho – und ebenfalls unverschraubt. Staudt garantiert nur 3 atm Wasserdichtheit, das reicht zum Händewaschen.
PB: Das Gehäuse der Yoho ist eine ganz neue Konstruktion, die Brand von einem neuen Produzenten bezieht, nachdem sein langjähriger Lieferant in Pforzheim aus dem Geschäft ausgestiegen ist. Der neue Gehäusehersteller fertigt nun auch die Drückermechanik – das erschien dem Ingenieur wohl irgendwie logisch –, die sich zu Aufarbeitungszwecken mit zwei Schrauben ausbauen lässt. Das Sellita Kaliber SW510 mit «Bicompax»-Anordnung von Minutenzähler und Kleiner Sekunde ist in fünf Lagen reguliert, was das Werk nach Aussage von Rainer Brand so gut wie einen Chronometer macht, nur eben ohne Prüfung.
Yvo Staudt verwendet ein ETA 7753 nach typischem Valjoux-Baumuster. Normalerweise erkennt man es leicht an dem Korrekturdrücker in der linken Gehäuseflanke, mit dem sich das Datum schnell weiterschalten lässt: Weil der an die «3» versetzte Zähler im Werk keinen Platz für eine normale Winkelhebelfeder lässt, entfällt die mittlere Rastposition der Krone. Das alles spielt im Falle des Prelude Chronographen aber ohnehin keine Rolle: Yvo Staudt hat – wie schon vom Kollegen bemerkt – aus ästhetischen Gründen auf eine Datumsanzeige verzichtet, und damit auch auf einen Korrekturdrücker im Gehäuse. Das Uhrwerk ist von der Finish-Qualität «super-soigné», da kann man nicht meckern. Gebläute Schrauben, perlierte Platine, Genfer Streifen auf den Brücken und Kloben, dazu ein eigener Rotor (rosévergoldet). Die große verglaste Öffnung im Boden präsentiert das alles ganz schön. Bei der Rainer Brand ist der Glaseinsatz kleiner und das Uhrwerk «nur» mikrosabliert. Einen eigenen Rotor hat aber auch der Yoho Chronograph.
MH: Stimmt schon, die aufwendige Finissierung mit allem Pipapo, die Yvo Staudt dem Valjoux angedeihen lässt, macht etwas her. Andererseits mag ich die feine Zurückhaltung von Rainer Brand, die nicht nur seinem Wesen entspricht, sondern auch in den Produkten zum Ausdruck kommt. Mehr noch löst sie das Versprechen der Chronometer-Präzision auch in jeglicher Hinsicht ein, wie das Messprotokoll unserer Zeitwaage Witschi Chronoscope S1 ausweist. Das gilt sowohl für die gemessenen Lagendifferenzen als auch für den durchschnittlichen Vorgang von 0,2 Sekunden am Tag (s/d). An meinem Arm lief die Uhr innerhalb einer Woche etwas schneller mit rund 2 s/d, was aber immer noch chronometergenau ist. Das schaffte der Prelude Chronograph noch gerade ebenso mit gut 5 s/d am Arm und auf der Zeitwaage gemessenen plus 4,6 s/d. Allerdings gönnte sich das Valjoux deutlich höhere Lagendifferenzen, was nicht gerade chronometerlike ist.
MH: Rainer Brand nimmt für die Yoho glatte 3900 Euro, Yvo Staudt verlangt rund 400 Euro weniger. Dafür bekommt man bei beiden tadellos verarbeitete Zeitmesser, die mehr auf der eleganten als auf der sportlichen Seite sind. Falsch macht man bei beiden Uhren nichts. Persönlich tendiere ich eher zum Chronographen Yoho und würde dafür auch den Mehrpreis ohne Wenn und Aber akzeptieren.
PB: Als bekennendem Traditionalisten gefällt mir der Chronograph Prelude schon ziemlich gut, auch wenn die Bandschließe den Tragekomfort schmälert. Richtig preiswert ist der an große Klassiker angelehnte Konfektions-Chrono aber nicht. Der Chronograph Yoho ist in seinem moderneren Design stimmig und in vielen Belangen deutlich individueller. Die vielen Extratouren bei Band, Gehäuse, Zifferblatt und Uhrwerk haben natürlich ihren Preis.
Text: Peter Braun, Martin Häußermann
Bilder: Martin Häußermann