Interview – CEO Guido Terreni von Parmigiani Fleurier

«Wir wollen keine Spekulationen»

Juni 2023. Klein, fein und erfolgreich: Unter der Leitung von Guido Terreni setzt Parmigiani Fleurier noch mehr auf Understatement, schlichte Eleganz und Uhrmacherkunst. Das kommt so gut an, dass Kaufwillige einiges an Wartezeit einplanen müssen, wenn sie eine Uhr von Parmigiani Fleurier erwerben wollen. Darüber sowie über Highlights und Haute Horlogerie haben wir mit dem CEO der Manufaktur gesprochen.
Guido Terreni, CEO von Parmigiani Fleurier
Seit 2021 ist Guido Terreni CEO von Parmigiani Fleurier. Unter seiner Leitung wurden die Uhren der Marke noch schlichter - und der Umsatz verdreifachte sich.

Herr Terreni, Ihr aktuelles Highlight, die Tonda PF Minute Rattrapante, knüpft direkt an Ihre erfolgreichste Neuheit 2022 an, die Tonda PF GMT Rattrapante. Was macht die Schleppzeiger-Funktion so attraktiv?

Guido Terreni: Das ist eine Funktion, die zuvor noch nie unabhängig von einem Chronographen genutzt wurde. Wir haben das im letzten Jahr erstmals gemacht und den Schleppzeiger mit einer GMT-Anzeige kombiniert, denn es ist eine sehr pure Art, diese Komplikation zu benutzten und wegen ihrer Schlichtheit sowie Nutzerfreundlichkeit sehr innovativ. Wenn man nicht reist, hat man mit der Tonda PF GMT Rattrapante eine schlichte und elegante Zwei-Zeiger-Uhr. Erst wenn man sie benötigt, kommt die Funktion zum Vorschein.

Nun nutzen wir die Schleppzeiger-Funktion ein weiteres Mal und haben im Frühjahr die Tonda PF Minute Rattrapante vorgestellt. So etwas existierte bislang nicht – obwohl man ja glaubt, dass in der Uhrenbranche schon jede Erfindung gemacht wurde.

Die Grundidee entspricht dem GMT-Modell: Die Funktion verbirgt sich, wenn sie nicht gebraucht wird, und ist nutzbar, wenn man sie benötigt. Das kann auf Reisen sein, wenn es etwa um die Zeit bis zu einem Abflug geht, oder für eine Verabredung. Die neue Funktion bietet die Möglichkeit, eine bestimmte Zeit im Auge zu behalten. Man sieht eine Verspätung sofort und das ist sehr praktisch. Wir haben auch wieder auf eine gute Bedienbarkeit geachtet.

Ich hatte die Idee beim Anblick der drehbaren Lünette einer Taucheruhr und habe mich gefragt, og wir das nicht auch in einem Uhrwerk machen können.

Der Stundenzeiger des Tonda PF GMT Rattrapante kann auf Knopfdruck über den roségoldenen Stundenzeiger gestellt werden, welcher daraufhin versteckt mitgeschleppt wird.

Wie kompliziert war die mechanische Umsetzung im Uhrwerk?

Grundlage ist unsere GMT Rattrapante, aber die Umsetzung war aufwändiger, weil die Minute Rattrapante über zwei Drücker bedient wird. Zum Vergleich: Die GMT Rattrapante benötigt für diese Funktion im Uhrwerk 31 Komponenten, beim Minuten Rattrapante sind es 140 zusätzliche Teile. Das ist anspruchsvoll. Beim Preis können wir diese Schwierigkeit aber nicht abbilden – das würde der Uhrenkunde nicht verstehen, da die beiden Rattrapante-Funktionen sehr ähnlich erscheinen. Daher sind es preislich auch nur knapp 1000 Euro Unterschied.

Wie sind die Reaktionen auf die Neuheiten?

Wir haben geplant, von der Tonda PF Minute Rattrapante eine größere Stückzahl herzustellen als von der GMT Rattrapante. Schon am zweiten Tag der Watches and Wonders hat die Zahl der verkauften Uhren das geplante Produktionsvolumen erreicht. Sie können sich also vorstellen, wie die Nachfrage ist.

Guido Terreni ist seit 2021 CEO von Parmigiani Fleurier.
Guido Terreni ist seit 2021 CEO von Parmigiani Fleurier. Zuvor war er über 20 Jahre Uhrenchef von Bulgari.

In den vergangenen Jahren ist Parmigiani sehr erfolgreich geworden. Wie ist Ihnen das gelungen?

Die Marke ist sehr angesehen und genoss von Anfang an ein sehr hohes Prestige. Das liegt auch an dem hohen Anspruch von Michel Parmigiani: eine sehr hochwertige Ausführung, Respekt gegenüber den Traditionen des Uhrmacherhandwerks und ein sehr aufwändiges Finish auf höchstem Niveau. Das Understatement entsprach ebenfalls dem Stil von Michel Parmigiani. Die Marke bot von Anfang an sehr exklusive Uhren und die ersten Käufer waren Uhrensammler und -kenner. Dieser Rückhalt und dieses Ansehen waren ein großer Vorteil – das habe ich anfangs gar nicht so eingeschätzt.

Ich habe sehr genau darauf geachtet, wie sich die Marke vor 25 Jahren ihr Renommee verdient hat und was ein Käufer heute, ein Gentleman in den 30ern oder 40ern, erwartet. Die Tonda PF war die Antwort auf diese Frage. Von den Wartelisten, die entstanden sind, waren wir dann aber selbst überrascht. Niemand hätte erwarten können, dass wir das Geschäft innerhalb von zwei Jahren verdreifachen können und dass das noch immer nicht genügt.

Neuer Chronograph von Parmigiani Fleurier mit Goldgehäuse.
Neuheit von 2023: Tonda PF Sport Chronograph mit 42 Millimeter großem Goldgehäuse. Im Inneren arbeitet das Automatikkaliber PF070/6710.

Tatsächlich müssen Kunden warten, wenn sie bestimmte Modelle von Ihnen kaufen wollen. Bauen Sie die Produktionskapazitäten aus?

Wir haben keine Lieferschwierigkeiten. Vielmehr hat die Nachfrage im vergangenen Jahr die geplante Produktion um das Siebenfache überschritten. Natürlich haben wir daraufhin die Herstellung neu organisiert und das zeigt in diesem Frühjahr schon Wirkung. Aber: Wir wollen keine Marke werden, die zehntausende Uhren herstellt. Das ist auch nicht möglich, denn wir sind durch unsere Struktur limitiert.

Derzeit wird alles, was wir ausliefern, sofort verkauft. Mein Ziel ist es, keinen Kunden zu frustrieren und zu lange warten zu lassen. Gleichzeitig soll das Angebot die Nachfrage nicht überschreiten. Zudem wollen wir keine Spekulationen mit unseren Uhren. Heute sind die Wartelisten zehn bis 14 Monate lang – je nach Modell. Unser Ziel ist eine Wartezeit von drei bis sechs Monaten.

Derzeit arbeitet Parmigiani mit dem Fachhandel zusammen. Wird das so bleiben?

Es gibt derzeit drei Boutiquen in Asien, die aber von Fachhändlern geführt werden. Wir sind derzeit nicht an einem Direktvertrieb interessiert. Unsere Kunden sind Uhrenliebhaber, die den Rat des Fachhändlers schätzen. Bei einer Monobrand-Boutique hat man Leute, die alles über die Marke wissen, aber keinen Überblick über die Branche haben. Ein Uhrenliebhaber aber will vergleichen und sich informieren. Ich glaube daran, dass Kenner ein Umfeld mit verschiedenen Marken bevorzugen.

Wie soll sich Parmigiani in der Zukunft entwickeln?

Wir wollen weiterhin überraschen und das Interesse von Kennern durch Kreativität wecken. Wir setzen auf mehr Qualität als Quantität. Und wir wollen weiterhin eine frische Interpretation von Haute Horlogerie umsetzen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Terreni!

Das Interview führte Iris Wimmer-Olbort

Sportlich in Edelstahl: TONDA PF SPORT AUTOMATIC
Typisch für den neuen Look von Parmigiani Fleurier: das pure Design der Edelstahluhr Tonda PF Sport Automatic mit guillochiertem Zifferblatt
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