September 2024: TAG Heuer CarreraDer Geist des Rennsports
Der ikonische Zeitmesser von TAG Heuer verbindet Eleganz mit dem Erbe der Geschwindigkeit.
Für mich geht es bei der Carrera größtenteils um die Klarheit des Designs, was unter der Führung von Jack Heuer entwickelt wurde und bei dem es um pure Ablesbarkeit und einen klaren Zweck ging, der ganz klar bei der Zeitmessung – vor allem im Motorsport-Bereich zu verorten ist.
Das wurde mit der Carrera erreicht, unter anderem durch die Entfernung von Texten auf dem Zifferblatt und der klaren Gestaltung. Neben der Verwendung von klaren Kontrasten auf den Zifferblättern war natürlich auch die Innovation beim Höhenring, der die Minuterie vom Zifferblatt auf das Rehaut gebracht hat und damit die Ablesbarkeit um ein Vielfaches erhöht hat, ein wichtiger Schritt.
Natürlich gibt es dann auch noch weitere nette Details, wie die facettierten Bandanstöße die der Uhr einen größeren Wiedererkennungswert gegeben haben. Auch die Verwendung des ikonischen Kalibers Valjoux 72 in der ersten Carrera-Generation hat sicherlich seinen Teil zum Erfolg beigetragen. In erster Linie geht es aber wirklich darum, dass der Zweck der Uhr das Design bedingt hat.
In meinen Augen muss man sich dafür auch die Modelle der 1950er-Jahre anschauen, also jene, die der Carrera vorausgegangen sind. In dieser Ära hatten wir einige sehr starke Referenzen, wie die Chronographen 3336 mit zwei Totalisatoren oder auch 2444 mit drei Hilfszifferblättern sowie die Referenz 2447, was später auch die Bezeichnung der Carrera wurde aber die ganz anders aussah. Alle diese Modelle, die wir intern als Pre-Carreras bezeichnen, waren echte Sportuhren, im wahrsten Sinne des Wortes.
Schon bei ihnen ging es um verbesserte Wasserdichtheit, klar ablesbare Zifferblätter und sportliche Extras wie Tachymeterskalen und Zeiger und Indexe, die mit Leuchtmittel belegt wurden, um die Nachtablesbarkeit zu verbessern. Sie sind ein wichtiger Teil der Geschichte und haben zur ersten Carrera-Referenz 2447 mit eierschalenfarbigem Zifferblatt geführt. Das war ein wichtiger Moment für TAG Heuer und in einem gewissen Maß auch für die Uhrmacherei.
Darauf folgte 1965 die Carrera Dato, die eine Datumsanzeige hatte, der Reihe noch mehr Nutzen gab und auch das Design der zeitgenössischen Carrera-Modelle entscheidend beeinflusst hat. Darum ist sie für mich besonders wichtig.
Da TAG Heuer 1969 vor allem auch als Geldgeber bei der Entwicklung des [fast] ersten automatischen Chronographenwerks beteiligt war, dem Heuer Calibre 11, ist auch die Referenz 1153, wo es zuerst verbaut wurde, zu nennen. Es wurde auch in der Referenz 1158, der sogenannten Ferrari-Uhr verbaut, die Jack Heuer den Rennfahrern der Scuderia Ferrari geschenkt hat. Sie wurde aber auch von anderen Formel-1-Fahrern wie Ronnie Peterson, Mario Andretti oder Derek Bell getragen und hat die Carrera fest im Motorsport verankert.
Aber auch die Neuauflage der Carrera aus dem Jahr 1996 ist ein wichtiger Schritt gewesen. Damit waren wir die erste Marke, die nach Reflektion der eigenen Geschichte eine historisierende Neuauflage angeboten hat – viel früher als alle anderen Marken.
Als TAG Heuer das 40. Jubiläum der Carrera feierte wurde das erste Mal eine Carrera mit außenliegender Lünette präsentiert und als 2005 dann die ganze Kollektion lanciert wurde hatte es sich durchgesetzt.
Das war eine riesige Änderung beim Design, denn bis dahin war die TAG Heuer Carrera immer sehr nah am Original und wurde lediglich um Funktionen oder kleine Details ergänzt. Im Jahr 2005 wollte man eine moderne Carrera schaffen und sie einer breiteren Zielgruppe zugänglich machen. Das sollte durch zusätzliche Funktionen, wie der Lünette geschafft werden.
Diese Verschiebung hat, wie Sie schon sagen, in gewisser Weise die wahre Natur der Carrera verwässert aber zur gleichen Zeit auch viele der Merkmale wie die facettierten Bandanstöße oder die Jagd nach der perfekten Ablesbarkeit beibehalten. Die Carrera Glassbox-Modelle sind deswegen ein wirklich interessanter Moment für die Entwicklung der Kollektion, denn mit ihrem Hybrid aus Lünette und Rehaut schaffen wir es, die Tachymeter-Skala vom Zifferblatt auf die Peripherie zu verlagern. Da sie sich nach außen wölbt und ganz nah am gewölbten Saphirglas anliegt, dass bis zum Rand des Gehäuses verläuft, ist sie von allen Winkeln ganz klar zu erkennen, und sehr einfach ablesbar.
Damit geht die Neuheit ein Stück zurück zum gebrauchsorientierten Design, was die Carrera im Kern auszeichnet. Ich glaube so hätte Jack Heuers Vision einer Carrera aussehen können, wenn er damals Zugriff auf den Gegenwärtigen Stand der Technik, besonders in Hinblick auf das Saphirglas gehabt hätte.
Wenn wir aber vor einem Projekt wie der Reinterpretation der Carrera stehen, gibt es normalerweise Treffen, bei dem ich dem Produkt Team die Geschichte des Modells erkläre und Ihnen anhand unseres Museums und historischen Designs aus unserem Archiv versuche die Essenz der Produktline nahezubringen. Da die Carrera zwischen 1984 und 1996 eingestellt wurde, achten wir dabei besonders auf die vorher genannten Meilensteine in ihrer Geschichte.
Dann geht es aber auch darum, wie die Uhren sich verkauft haben, warum und ob sich die Geschmäcker der Kunden inzwischen vielleicht geändert haben. Aus diesen Zutaten entstehen dann neue Modelle, bei denen ich mich nicht wirklich einmischen möchte. Das Ergebnis ist oft auch Geschmacksache und mein persönlicher Geschmack könnte den der Zielgruppe unter Umständen verfehlen.
Es ist wichtig zu bedenken, dass wir als Uhren-Enthusiasten und da schließe ich mich selbst ein, zwar sehr laut und sichtbar auf sozialen Medien und im Umgang mit den Marken sind, jedoch nur einen kleinen Marktanteil für deren Absatz ausmachen.
Das ist wirklich eine großartige Frage und ein spannendes Thema, denn ich glaube besonders unter Enthusiasten herrscht oft die Meinung vor, dass Manufakturwerke gut und Serienwerke schlecht seien. Man meint, Marken die Werke zukaufen hätten keine Ahnung von dem, was sie tun. Bauen sie wiederum eigene Werke meint man sie wären fantastisch. Ehrlich gesagt denke ich selbst nicht so. Denn es gibt ganz verschiedene Motivationen dafür, eigene Uhrwerke zu entwickeln. Einige wollen wirklich eine neue Technologie integrieren und die Branche weiterbringen, aber andere wollen vielleicht auch einfach nur ihre Lieferkette sichern und sich nicht von Drittanbietern abhängig machen.
Die Leute können sich über das ETA 2824, das Sellita SW-300 oder auch Valjoux 7750 so viel aufregen, wie sie möchten aber am Ende haben sie ihre Vorteile. Zum Beispiel kann man sie zu jedem Uhrmacher auf der Welt bringen und revisionieren lassen. Während einige Uhrenmarken die Kunden mit ihren Manufakturwerken beim Service an sich binden. Wenn man wiederum die Möglichkeit hat, etwas wirklich Einzigartiges zu erschaffen, wie beim Heuer 02 oder dem TH20, bei denen wir die komplette Kontrolle über den Herstellungsprozess haben, dann gibt es einen echten Nutzen!
Ja, dabei ist es aber wichtig zu bedenken, dass wir es nicht selbst umgesetzt haben. Heuer und Breitling haben wie schon angesprochen das Kapital gegeben, Büren das Micro-Rotor-Werk und Dubois-Depraz das Chronographenmodul. Später war auch Hamilton beteiligt.
Damals hatte Heuer keine Wahl, denn die Verkaufszahlen von Chronographen mit Handaufzug gingen zügig zurück. Es war einfach notwendig zu handeln. Wenn wir auf der anderen Seite einen Blick auf die Kaliber TH30 und TH50 werfen, die wir in Zusammenarbeit mit Kenissi and La Joux-Perret umgesetzt haben, gibt es für uns als Marke einfach keinen Grund ein eigenes Dreizeiger-Werk für 10, 20 oder 30 Millionen Schweizer Franken zu entwickeln, während es fantastische Lösungen gibt, die sich bewährt haben und die zuverlässig lieferbar sind.
Ein Dreizeiger-Manufakturkaliber zu entwickeln ist aus diesem Grund für uns kein logischer Schritt, unsere Expertise bei den Chronographen zu vertiefen jedoch auf jeden Fall. Besonders beim TH20 sehe ich in der Zukunft eine Menge interessanter Ansatzpunkte.
(Das Interview führte Tobias Schaefer am 15. März 2023)