(R)Evolution der Uhrentechnik

Die Zeiten ändern sich

Mechanische Uhrwerke sind ein Relikt alter Zeiten? Weit gefehlt! Bei Konstruktion, Herstellung und Materialien hat sich in den vergangenen Jahrzehnten jede Menge bewegt. (R)Evolutionen, die man an den hier vorgestellten Modellen nachvollziehen kann. Sie stehen für das Beste, was die moderne Uhrmacherei zu bieten hat.
Aquanaut Chronograph von Patek Philippe.
Aquanaut Chronograph von Patek Philippe.

Patek Philippe steht für Tradition in ihrer reinsten Form: Detailverliebt werden dort hochkomplexe und überlieferte Komplikationen in den eigenen Ateliers gefertigt – mit einem hohen Anteil an Handarbeit. Doch bei aller Faszination für die uhrmacherische Geschichte geht die Manufaktur in vielerlei Hinsicht mit der Zeit, ist ihr mitunter sogar voraus. So hat man schon 2009 ein eigenes Qualitätszertifikat eingeführt: das Patek-Philippe-Siegel, das die bis dato gebräuchliche Genfer Punze ablöste. Damit war man ein Vorreiter für Marken wie Rolex, Omega oder Glashütte Original, die mittlerweile ebenfalls eigene Qualitätszertifikate eingeführt haben.

Aquanaut Chronograph von Patek Philippe.
Aquanaut Chronograph von Patek Philippe.

Der Wille zum Fortschritt macht auch vor Design, Ausstattung und Kalibern nicht halt. Moderne Modelle wie die Calatrava Pilot Travel Time von 2015 oder der brandneue Aquanaut Chronograph, den Patek Philippe selbst als «junge und dynamische Modelllinie» bezeichnet, sind Beispiele für den neuen Stil in der Optik, die durch Neuerungen bei den Uhrwerken ergänzt wird. 

Dafür steht unter anderem die Spiromax-Spirale – eine Unruhspirale mit neuer Geometrie, die sich positiv auf den Isochronismus und letztlich auf die Ganggenauigkeit auswirkt. Sie besteht aus Silizium und wurde in einem Gemeinschaftsprojekt von Patek Philippe mit Rolex und der Swatch Group in Zusammenarbeit mit dem Forschungslabor CSEM (Centre Suisse d’Electronique et de Microtechnique) in Neuchâtel entwickelt. Das Material sorgt dafür, dass sich Temperaturschwankungen kaum noch auf den Gang auswirken; die Herstellung erfolgt im Tiefenätzverfahren, dem sogenannten DRIE.

Zudem kombiniert das Automatikwerk des Aquanaut Chronographen, das Kaliber CH 28-520, eine klassische Schaltradsteuerung mit der modernen, vertikalen Scheibenkupplung. Diese sorgt für ein regelmäßiges Anlaufen des Chronographenzählers beim Start und schließt ein Vor- oder Zurückspringen des Zeigers aus.

Die moderne Gesinnung zeigt sich an der Optik des Aquanaut Chronographen mit einem 42,2 Millimeter großen Edelstahlgehäuse, das bis 12 bar wasserdicht ist und längliche Chronographendrücker an der Seite trägt. Der 60-Minuten-Zähler steht bei der «6» und zeigt die charakteristische Kontur der abgerundeten achteckigen Lünette.

Ein Blickfang sind orangefarbene Details auf dem schwarzen Zifferblatt. Eine Farbe, die auch das zusätzlich ausgelieferte Band aus Kompositmaterial besitzt, das gegen das schwarze Kompositband getauscht werden kann. Es wird mit einer neuen Faltschließe mit patentierter Konstruktion verschlossen. 

Omega Seamaster Aqua Terra Master Chronometer.
Omega Seamaster Aqua Terra Master Chronometer.

Omega Seamaster Aqua Terra Master Chronometer

Omega gilt als die Marke, die nach der Krone greifen und zur Nummer eins der Uhrenwelt – Rolex – aufschließen kann. Gemeinsam haben beide Marken den Willen zur ständigen Weiterentwicklung. Während dieser das Design bei Rolex nur in Details betrifft, bewegt sich Omega in Bezug auf die Gestaltung sehr viel stärker.

Ein Beispiel dafür ist die Linie Seamaster Aqua Terra, die im vergangenen Jahr mit einem neuen Design auftrat. So gibt es neue Zifferblätter, das Datumsfenster wurde auf die «6» verlegt, das Gehäuse leicht überarbeitet und eine konische Krone neu konzipiert. Zudem wurde der Übergang zwischen Band und Gehäuse verändert.

Zahlreiche technische Features der Uhr offenbaren den Fortschritt bei Omega. Die größte Veränderung bei den Uhrwerken war die Einführung der Co-Axial-Hemmung seit 2001. Die vom englischen Uhrmacher George Daniels entwickelte Hemmung minimiert die Reibung, indem statt langer, gleitender Bewegung der Ankerpaletten an den Zähnen des Ankerrads bei der gebräuchlichen Schweizer Ankerhemmung nun die spitzen Zähne des Koaxialrads die Paletten nur ganz kurz berühren; außerdem wird die Kraft in einer Linie weitergegeben. Die Co- Axial-Hemmung arbeitet mittlerweile in allen eigenen Uhrwerken und ist mit Unruh und Spirale aus Silizium kombiniert.

Neuen Materialien gegenüber ist man auch bei der Ausstattung aufgeschlossen – so bietet auch Omega eigene Goldlegierungen an, arbeitet mit Keramik und kombiniert diese bei Lünetten mit sogenanntem Liquidmetal, einem harten metallischen Glas zur Darstellung von Skalen oder Ziffern.

Und auch Omega verzichtet seit 2014 nicht auf ein eigenes Qualitätszertifikat – vor allem, um die Resistenz gegenüber Magnetfeldern unter Beweis zu stellen. Die Zertifizierung als «Master Chronometer» erfolgt durch das nationale Schweizer Institut für Metrologie (METAS). Dort werden jedes einzelne Uhrwerk und auch jede komplette Uhr Magnetfeldern von 15.000 Gauß ausgesetzt, dabei werden Präzision und Funktion überwacht. In insgesamt acht Tests stehen auch die Gangreserve, die Wasserdichtheit und immer wieder die Genauigkeit im Mittelpunkt 

Rolex Oyster Perpetual GMT-Master II.
Rolex Oyster Perpetual GMT-Master II.

Rolex Oyster Perpetual GMT-Master II

Die Oyster Perpetual GMT-Master II ist nicht nur die begehrteste Uhr des Jahres, sondern steht auch für den unbedingten Willen von Rolex zur ständigen Weiterentwicklung. Das spiegelt sich allerdings nicht im Design, denn die Optik der klassischen Rolex-Uhren hat sich seit Jahrzehnten kaum verändert. Aber im Hinblick auf Mechanik, Materialien und Ausstattung gibt es kontinuierlich Bewegung, wie die neue GMT-Master II zeigt, die sogenannte «Pepsi»-Variante. Diesen Namen erhielt die Uhr wegen ihrer blau-roten Lünette aus Keramik. Forschung, Entwicklung und Herstellung rund um das Material finden im eigenen Hause statt.

Auch an den Uhrwerken arbeitet Rolex ständig. In der GMT-Master kommt sogar ein völlig neues Werk zum Einsatz, das Kaliber 3285, mit dessen Entwicklung Rolex zehn Patente angemeldet hat. Es basiert auf dem 2015 lancierten Kaliber 3256. Zu den wesentlichen Details gehört die Rolex-eigene, moderne und effiziente Chronergy-Hemmung. Der Anker mit nur 1,25 Millimeter breiten Paletten sowie das Ankerrad werden von Rolex im präzisen LiGA-Verfahren aus paramagnetischen Nickel-Phosphor-Legierungen gefertigt. Zusammen mit einem neu aufgebauten Federhaus mit dünnerer Wandung und verlängerter Zugfeder konnte die Gangreserve auf rund 70 Stunden gesteigert werden.

Das Schwingsystem kombiniert eine Glucydur-Unruh mit der eigenen, seit dem Jahr 2000 verwendeten Parachrom-Spirale, die von Rolex aus einer ebenfalls paramagnetischen Legierung hergestellt wird. Sie reagiert laut Hersteller bei Erschütterungen bis zu zehnmal präziser als herkömmliche Spiralen. Apropos Erschütterungen: Davor schützt das 2005 eingeführte Paraflex-System von Rolex, eine Stoßsicherung für den Zapfen der Unruhwelle.

In der Summe entstehen dank solcher Weiterentwicklungen besonders funktionale Uhren. Den Nachweis dieser Funktionalität liefert seit 2015 das Qualitätszertifikat «Chronometer der Superlative», das Rolex eingeführt und dafür neue Testverfahren und Hightech-Geräte entwickelt hat. Seitdem werden zusätzlich zur offiziellen Chronometer- Zertifizierung durch die COSC eigene Tests durchgeführt.

Senator Excellence von Glashütte Original: links Panoramadatum Mondphase, rechts die Variante mit Panoramadatum.
Senator Excellence von Glashütte Original: links Panoramadatum Mondphase, rechts die Variante mit Panoramadatum.

Glashütte Original Senator Excellence Panoramadatum Mondphase

Vor zwei Jahren präsentierte Glashütte Original die neue Linie Senator Excellence und verband damit ein neues Qualitätsversprechen beziehungsweise ebenfalls ein eigenes Zertifikat. Die Modelle dieser Linie werden im eigenen Hause einem 24-tägigen Test unterworfen, dessen Bedingungen laut Hersteller über die Chronometerprüfung hinausgehen.

Mit der Premiere war auch ein neues Uhrwerk verbunden, das Kaliber 36. Es wurde im Hinblick auf Erweiterungsmöglichkeiten durch Module konstruiert; diese folgten dann innerhalb kürzester Zeit in Form eines Panoramadatums und einer Mondphasenanzeige.

In allen Versionen steht das Kaliber 36 für den Anspruch auf Effektivität, Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit. Daher verzichtete man auf potenziell verschleißanfällige Teile und konstruierte es mit einer verringerten Zahl an Komponenten. Zum Beispiel gibt es statt einer herkömmlichen Sperrklinke im Aufzugssystem ein zweiseitig aufziehendes Reduktionsgetriebe. Zudem weisen Räder und Triebe vom Federhaus bis zum Gangregler eine neue, auf energiearmes Abrollen ausgelegte Verzahnung auf.

Zum ersten Mal bei Glashütte Original verwendet man im Kaliber 36 eine Silizium- Spirale, um die Vorzüge des innovativen Materials zu nutzen. Die Gangautonomie stand bei der Konstruktion ebenfalls im Fokus: Das Kaliber 36 bietet eine Kraftreserve von bis zu 100 Stunden, was ein einziges, neu konstruiertes Federhaus möglich macht.

Für Stabilität soll eine neue Art der Befestigung im Werk sorgen: Das Kaliber wird – ähnlich dem Einsetzen eines Kameraobjektivs – durch eine Bajonett-Aufhängung im Gehäuse fixiert, was laut Hersteller zugleich Stoßfestigkeit als auch Servicefreundlichkeit garantiere. Optisch offenbart sich das Kaliber mit seinen Finissierungen und der charakteristischen Dreiviertelplatine als echtes Produkt des Glashütter Uhrmacherhandwerks. Und die Uhren der Linie Senator Excellence sind in ihrer Optik ebenfalls typische Vertreter der Manufaktur. 

Cartier Santos de Cartier Squelette.
Cartier Santos de Cartier Squelette.

Cartier Santos de Cartier Squelette

Mechanik mit Durchblick: Uhren mit skelettierten Werken bieten Ansichten, die Liebhaber entzücken. Doch der Stil dieser Ästhetik hat sich stark gewandelt, denn eine nostalgische Anmutung fehlt beim «neuen Skelett» völlig. Das liegt ebenso an der veränderten Herstellungstechnik wie auch an einer neu verstandenen Wirkung, die durch diese Bearbeitung erreicht werden soll.

Noch vor 20 Jahren wurden hochwertige Skelettuhren von Hand gefertigt – mit dem Ziel größtmöglicher Transparenz. Einzelteile wie Brücken oder Platine wurden von Hand ausgesägt; stehen blieben nur die nötigsten Verbindungen. Auch bei maschinell skelettierten Uhrwerken – zum Beispiel konnten durch Funkenerosion mit einem Draht bis zu 50 Komponenten gleichzeitig bearbeitet werden – war Transparenz das Ziel. Dies aber hat sich gewandelt.

Bei der «neuen Skelettierung» geht es darum, andere Werkansichten zu kreieren und ein neues Gesamtbild zu schaffen. Die Initialzündung für dieses «konstruktive Skelett» ging ab 2005 von Roger Dubuis aus. Die Marke war die erste, die nach der Jahrtausendwende skelettierte Uhrwerke in die Zifferblattansicht integrierte und eine ganz neue Ästhetik erschuf.

Mit dem Einstieg des Konzerns Richemont 2007 und der später kompletten Übernahme der Marke Roger Dubuis kam dieser Stil auch bei Cartier an – im traditionellen Uhrenmodell Santos. 2009 stellte Cartier die erste Santos 100 skelettiert vor, bei der Platine und Brücken deckungsgleich so ausgeschnitten wurden, dass ein «Zifferblatt» aus römischen Ziffern entstand.

Diese Optik bestimmt auch die neue Santos de Cartier Squelette, die mit dem Handaufzugskaliber 9619 MC ausgestattet ist. Im Gegensatz zu früheren hochwertigen Skelettuhren, bei denen bestehende Uhrwerke skelettiert wurden, steht dieses Kaliber als Beispiel für die neuen Skelettwerke, die von Anfang an als solche konstruiert werden. Die Fertigung der Komponenten beginnt dann, wie bei hochwertigen Manufakturwerken üblich, auf CNC-Maschinen; es folgt die Nachbearbeitung von Hand durch Anglieren und Polieren der Kanten.

Ebenfalls neu bei der Santos sind das patentierte «QuickSwitch»-System für ein unkompliziertes Austauschen des Armbands sowie das «SmartLink»-System, mit dem Armbandglieder ohne Werkzeug entfernt oder hinzugefügt werden können.  

Text: Iris Wimmer-Olbort

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