Ulrich W. Herzog, Verwaltungsratspräsident von Oris

«Eine Frage des Vertrauens»

Wir trafen Ulrich W. Herzog im Oris Pop-up-Store im belebten Londoner Stadtteil Mayfair. Obwohl die Uhren der Marke gleich um die Ecke in der Oxford Street oder in der Regent Street erhältlich sind, ist der Laden gut besucht. Belebt die Konkurrenz das Geschäft?
Ulrich W. Herzog im Oris Popup-Store im Londoner Viertel Mayfair

Herr Herzog, wo werden wir in Zukunft Uhren kaufen?
Das Zauberwort heißt auch für Oris «Omnichannel», und das bedeutet, dass wir als Hersteller unseren Kunden verschiedene Möglichkeiten des Vertriebs anbieten. Nach wie vor spielt der niedergelassene Fachhandel für uns eine Hauptrolle, aber wir haben sehr gute Erfahrungen mit unseren eigenen Läden gemacht.

Wo unterhalten Sie eigene Läden?
In Zürich zum Beispiel und in Basel, wo wir eigene Boutiquen unterhalten. In den USA setzen wir einen Airstream-Trailer ein, den wir zur rollenden Boutique umgebaut haben. Damit sind wir auf Musikfestivals und bei sportlichen Großveranstaltungen präsent. Das sind Signale, die unsere Kunden inzwischen von einer Marke erwarten. In Tokio-Omotesando haben wir im Juni 2018 erstmals einen coolen Pop-up-Store eröffnet, nur für eine Woche. Hier in London läuft der Laden schon ein paar Monate, das kann man schon nicht mehr Pop-up-Store nennen.

Zusätzliche Vertriebsstrukturen kosten aber doch sicher erst einmal mehr Geld?
Natürlich, aber die Kunden wünschen, dass ihr Vertrauen dokumentiert wird. Dieses Vertrauen muss man sich verdienen – und man muss dafür investieren. Die Investitionen bestehen neben der Miete und der Einrichtung ebenfalls aus der besseren, umfangreicheren Ausstattung mit neuen Modellen. Auch können nachgesuchte Modelle wie limitierte Editionen innerhalb unserer Gruppe dorthin verschoben werden, wo sie nachgefragt sind, weil wir die jeweiligen Lagersituationen genau kennen. Das ist u. a. ebenfalls ein Vorteil eigener Geschäfte.

Ist Oris in London nicht auch im normalen Fachhandel vertreten?
Ja, keine Frage ‒ gleich hier um die Ecke in der Regent Street, im superschönen Watches-of-Switzerland-Laden ‒, noch dazu sehr engagiert. Aber mit der eigenen Boutique haben wir mehr Möglichkeiten, uns markengerecht zu präsentieren, und das weiß der Interessent sehr zu schätzen.

Oris Big Crown Pointer Date 80th Anniversary Edition
Oris Big Crown Pointer Date 80th Anniversary Edition

ZUM 80. GEBURTSTAG DER
«BIG CROWN POINTER DATE»
BRONZE FÜR ALLE

ZUM ERSTEN MAL LEGT ORIS EIN BRONZEMODELL IN UNLIMITIERTER STÜCKZAHL AUF. DIE UHR MIT DEM MARKANTEN DATUMSZEIGER UND DEM GRÜNEN ZIFFERBLATT IST AB SOFORT IM HANDEL ERHÄLTLICH.

1938 stellte Oris eine Fliegeruhr vor, die dank ihrer übergroßen Krone auch mit Handschuhen bedient werden konnte. Das Datum wurde mit einem langen Zeiger aus der Mitte am Zifferblattrand angezeigt. 80 Jahre später ist die Big Crown Pointer Date längst wieder ein fester Bestandteil der Oris-Modellpalette, und in der Tat hatte die Uhr maßgeblichen Anteil an der Renaissance der Marke. Oris hat sich 1982 buchstäblich am eigenen Schopf aus der Krise gezogen, zunächst die unsinnig gewordene staatliche Beschränkung auf billige Stiftankerwerke zu Fall gebracht und die Firma anschließend mit einem Management-Buyout wettbewerbs- und zukunftsfähig gemacht. Trotz ihres nostalgisch angehauchten Stils ist die Big Crown Pointer Date ein Symbol für den Neuanfang, und das Grün des Zifferblatts steht zweifelsfrei für die Hoffnung. Sie ist als erstes Oris-Modell mit Bronzegehäuse nicht limitiert und mit einer Preisempfehlung von unter 2000 Euro ein sehr attraktives Angebot. Ausgestattet mit einem Automatikwerk vom Kaliber Oris 754, Gehäusedurchmesser 40 mm, beidseitig verglast, verschraubbare Krone, wasserdicht bis 5 bar.

Im Internet muss Oris – mehr noch als im stationären Fachhandel ‒ mit allen anderen Marken konkurrieren. Wie funktioniert das?
Das «Online»-Angebot wird heute von den Kunden erwartet, das ist klar. Wir verkaufen zum regulären Preis, Rabatte gibt es da keine. Wir haben damit unlängst in Amerika begonnen, und das wird sich ausdehnen. Aber «online» ist nur eine Ergänzung zu den anderen, «haptischen» Vertriebswegen. Der Fachhandel spielt nach wie vor die Hauptrolle, wie vorgängig erwähnt.

Muss sich der traditionelle Fachhandel angesichts dieser neu erwachsenen Konkurrenz also keine Sorgen machen?
Der Fachhandel wird weiterhin bestehen, da bin ich sicher. Auf jeden Fall die Guten, die mit dem Markt kommunizieren und nicht darauf warten, dass jemand in den Laden kommt und die Kasse dann klingelt. In unseren eigenen Läden kann sich der Verkäufer zum Beispiel nicht hinter eine Theke zurückziehen und wie früher die Ware «vorlegen». Unsere Tresen stehen frei im Raum, und man kann die Uhren in die Hand nehmen, ohne dass da jemand Druck aufbaut.

Ist das die Zukunft des Uhrenfachhandels?
Die Zukunft ist vielfältiger als die Vergangenheit, und es bleibt auf jeden Fall spannend. Ich glaube, wir sind da ganz gut vorbereitet, auch wenn wir nicht die Ersten waren, die den Aufbau eigener Vertriebsstrukturen gepusht haben. Obwohl wir zum Beispiel in Kuala Lumpur, Malaysia und in anderen starken Einzelmärkten schon früher eigene Geschäfte unterhalten haben. Die Mieten in den 1-a-Lagen von Paris, Tokio oder London sind allerdings sehr teuer. Über Pop-up-Stores bekommt man zumindest schon mal einen Fuß in die Tür. Und so, wie es aussieht, können wir diesen Laden hier in London sogar dauerhaft halten.

Wir drücken Ihnen die Daumen! Auch wenn die genannten Händler in der Nachbarschaft vielleicht nicht gerade begeistert reagieren werden …
Wir wollen uns damit ja nicht gegen den etablierten Fachhandel stellen, dazu besteht gar kein Grund. Aber wir müssen langfristig dafür sorgen, dass gewisse Standards eingehalten werden, und die können wir natürlich anhand unserer eigenen Boutiquen anschaulich demonstrieren. Der gute Händler hat es begriffen und geht unseren Weg mit. Seine Perspektiven sind gut, wenn er es schafft, auch junge Leute in den Laden zu locken, und sich nicht nur auf das obere Preissegment und seine etwas ältere Klientel konzentriert.

Mehr noch als schicke Monobrand-Boutiquen schätzen die viel zitierten «jungen Leute» aber doch scheinbar das Internet und seine Möglichkeiten, Preise zu vergleichen – sprich: günstiger zu kaufen …
Da sprechen Sie aber vom grauen Markt! In unserer Einfluss-Sphäre gibt es keine Rabatte und versteckten Sonderangebote. Wenn wir von unseren Händlern erwarten, dass sie sich an die Preisempfehlungen halten, müssen wir selbst sogar noch korrekter sein. Das ist eine Frage des Respekts – und des Vertrauens!

Herr Herzog, vielen Dank für das Gespräch!

(Das Interview führte Peter Braun im Oktober 2018. Inzwischen ist der Pop-up-Store in London tatsächlich zu einer ständigen Einrichtung geworden. Adresse: 41 South Molton Street, Mayfair, London W1K 5RP)



Mehr zum Thema:


Philipp Man, Geschäftsführer von CHRONEXT: «Der Kunde weiß, was er will»

Lothar Schmidt, Inhaber der Frankfurter Spezialuhrenmarke Sinn: «Wir holen den Kunden zu uns herein»

Und ganz allgemein zum Thema «Omnichannel»: Verkaufen auf allen Kanälen

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