Breitling-Neustart

Neues Kerngeschäft

In einem halben Jahr hat der neue Breitling-Chef Georges Kern die Uhrenmanufaktur gründlich umgekrempelt. Er will Breitling aus der Nische des Fliegeruhren-Spezialisten herausholen, den asiatischen Markt und die Handgelenke der Frauen erobern. Die ersten neuen Modelle orientieren sich an Klassikern der Schweizer Traditionsmarke.
Einst im Richemont-Konzern und bei der Richemont-Marke IWC erfolgreich: Der neue Breitling-Chef und -Mitinhaber Georges Kern.

Nach eigener Aussage hat Georges Kern mit Breitling zunächst ein wenig gefremdelt. «Bei Breitling hatte ich ganz am Anfang das Gefühl, ich sei noch fremd hier, es sei noch nicht ganz mein Platz», offenbarte der neue Breitling-Chef jüngst unter Kollegen aus der Schweizer Branche. Doch inzwischen identifiziere er sich voll und ganz mit der Marke. Diesen Eindruck hatten wir auch, als Kern Mitte Februar in Zürich vor Juwelieren und Journalisten aus ganz Europa die neue Unternehmensstrategie und Modellpolitik vorstellte. Der ehemalige IWC-Chef und Richemont-Topmanager ist nicht nur Geschäftsführer (CEO), sondern auch Anteilseigner der Uhrenmanufaktur, seit die britische Investmentgesellschaft CVC Capital Partners die Mehrheit von Breitling übernommen hat. Lediglich 20 Prozent sind noch in Händen des bisherigen Hauptaktionärs Theodore Schneider.

Nicht nur Fliegeruhren

Seit vergangenem Sommer ist Georges Kern im Amt und hat bisher viel Energie in den Umbau des Unternehmens gesteckt. Die Marke soll auf jeden Fall aus der Nische des Fliegeruhren-Spezialisten herauskommen. «Mit dem aktuellen Angebot decken wir nur rund zehn Prozent des Marktes ab», sagte Kern während seiner Präsentation in Zürich. Breitling fehle es an eleganten Uhren ebenso wie an Damenuhren. Dafür sei die bestehende Kollektion ziemlich unübersichtlich, weshalb er hier im Vorfeld massiv reduzieren wolle. Von derzeit rund 600 Referenzen sollen noch 120 übrig bleiben. Das dürfte den Handel freuen, weil die Kollektion so leichter erklärbar wird und sich auch die kostenintensive Lagerhaltung reduziert.

Der goldene Chronograph ist eher Schmuckstück denn Instrument.
Die neue Kollektion wird klarer gegliedert – ein Rezept, das Kern schon bei seinem vorherigen Arbeitgeber IWC mit gutem Erfolg praktizierte. Ob sich der Uhrenfreund nun in der Luft, zu Wasser oder an Land bewegt, in Zukunft findet er bei Breitling in den Kollektionen Navitimer, Superocean und Premier den passenden Zeitmesser. Alles, was sich hier nicht klar einsortieren lässt, soll in die Linie Chronomat, auf der große Hoffnungen ruhen, eingehen.
Von elegant bis supersportlich – Breitling will künftig als Vollsortimenter im Preisbereich zwischen 3500 und 10.000 Euro auftreten. Einfachere Digitaluhren und Quarzchronographen aus den Modelllinien Colt und Skyracer werden hingegen aus dem Sortiment verschwinden.
Georges Kern setzt vollmehrheitlich auf Mechanik. Dazu gehören die hauseigenen Chronographen auf der Basis des Kalibers B01 ebenso wie hinzugekaufte Automatik- und Chronographenkaliber des Großserienherstellers Sellita.
Alle Zeit der Welt bietet die Navitimer 8 Unitime.
Die Kooperation mit Tudor soll fortgeführt werden. Die Rolex-Tochter bezieht von Breitling die Chronographen-Manufakturwerke und liefert dafür im Gegenzug das selbst entwickelte Automatikkaliber MT 5612. Die Preisdifferenz zwischen Uhren mit Manufaktur- und Großserienwerken soll bei rund 2000 Euro liegen, erklärte Kern.

Navitimer 8 durchdekliniert

Dieses Sortiment an Uhrwerken wird auch in der neuen Linie verfügbar sein, welche die Breitling-Mannschaft in Zürich vorstellte. «Wichtig war es für uns, mit der ersten Neuheit in der Aviatik zu bleiben», betonte Georges Kern. Neben den modernen Pilotenuhren sollte es nun eine klassische sein.
Navitimer 8 heißt die unter großem Zeitdruck entstandene neue Kollektion. Gestalterische Vorbilder waren historische Borduhren aus dem eigenen Hause. Tatsächlich hatte der Schweizer Uhrenhersteller unter der Leitung von Willy Breitling, dem Enkel des Firmengründers Léon Breitling, die Lüfte erobert und baute nicht nur Armbanduhren für Piloten, sondern auch Borduhren für Verkehrsflugzeuge. Von diesen übernahm der neue Designer Guy Bove nicht nur die Form der grob geriffelten Lünette, die zum Aufzug der mechanischen Achttagewerke diente, sondern auch Zeigerformen oder die Typografie auf dem Zifferblatt. Nicht einmal ein halbes Jahr Zeit hatte Bove für die Gestaltung der neuen Uhrenlinie – angesichts der sonst üblichen Entwicklungszeiten in dieser Branche eine Herkulesaufgabe.

Neuer Designchef: Guy Bove, war zuvor bei Chopard und IWC.
Guy Bove zeigte sich bescheiden: «Eigentlich war es ganz einfach. Der komplette Formenschatz war ja schon vorhanden.» Das Logo übrigens auch: Der neue Chef entschied nämlich, dass die ausgebreiteten Schwingen, die bisher als Symbol der Pilotenuhrenmarke Breitling dienten, von allen Zifferblättern verschwinden sollen. An ihre Stelle tritt das geschwungene Breitling-B, ein historisches Logo, das bisher schon auf den Zifferblättern der Retro-Linie Superocean Heritage zu sehen war.

Navitimer One bleibt

Der Navitimer in all seinen Ausprägungen ist bis heute der große Stolz von Breitling. Er ist als Pilotenuhr, die dem Luftfahrer zur Navigation dienen soll, konzipiert. Bisher war ein Navitimer immer ein Chronograph und trug auch immer die Rechenschieberlünette. Diese ist bei der Navitimer 8 nicht mehr vorhanden, und es wird auch – wie schon angedeutet – mehrere Dreizeigervarianten der Uhr geben. Einige eingefleischte Breitling-Fans werden dies als Verwässerung der Ikone ansehen, doch bei Breitling sieht man das naturgemäß anders: In Grenchen betrachtet man die jüngste Kreation angesichts der historischen Vorlagen als ausreichend legitimiert. Auch die Befürchtung der Kunden, Breitling werde in Zukunft keine wuchtigen Uhren für echte Kerle mehr bauen, zerstreute der neue CEO: «Am Anfang gibt es bei solchen Veränderungen immer Skepsis, aber das ist Teil des Geschäfts. Wir werden weiterhin große Uhren bauen.»
Auch die sogenannten «Instruments for Professionals», wie etwa die Notfalluhr Emergency oder die Exospace B55 Connected, ein elektronisches Pilotenlogbuch fürs Handgelenk, sollen ein fester Bestandteil der Kollektion bleiben. Sowohl bei den großen Uhren als auch bei den Instrumenten ist dieses Jahr sogar noch mit Nachschub zu rechnen.

Reicher Zitatenschatz

Generell will Georges Kern den historischen Modellreichtum von Breitling als Quelle für neue Kreationen nutzen. Für ihn hilfreich war in jüngerer Vergangenheit die Expertise des österreichischen Uhrensammlers Fred Mandelbaum, der zur Erklärung des neuen Konzepts etliche alte Breitling-Uhren nach Zürich mitbrachte. «Seine Sammlung ist beeindruckend und sehr inspirierend, denn sie zeigt, wie breit die Marke in der Vergangenheit aufgestellt war», kommentierte Kern. Und genau dorthin will er die Marke Breitling zurückbringen, wie er im persönlichen Gespräch bestätigte: «Diese reichhaltige Geschichte bietet ein riesiges Potenzial. Das erklärt unsere Strategie, dass wir neben den bekannten Produkten auch solche machen wollen, die schlichter und klassischer sind. Immer mehr von bereits Bestehendem zu machen, bringt am Ende nichts.»
Die derzeit wichtigsten Märkte für Breitling sind die USA, Europa – hier besonders Deutschland und Großbritannien – sowie Japan. Dort funktioniert das vorhandene Portfolio offensichtlich auch ganz gut. Aber Kerns Kurs heißt Expansion: «Wir wollen die bestehenden Märkte ausbauen und dazu China und Hongkong erobern. Dort kann man aber mit den ganz großen Uhren nichts erreichen, da passt die Ergonomie nicht.» Deshalb wird es künftig mehr kleinere Uhren geben: Die Dreizeigeruhren sollen Durchmesser zwischen 38 und 42 Millimeter haben, die Chronographen bewegen sich fortan zwischen 42 und 46 Millimeter. Das gilt auch für den neuen Navitimer 8, der in mehreren Größen und Varianten als schlichte Automatikuhr sowie als Chronograph erhältlich sein wird. Bei allen habe man obendrein die Bandhörner kürzer gestaltet. «So passen unsere neuen Uhren ergonomisch auch in die neuen Märkte», betonte Kern. «Aber diese Produkte sind nicht dezidiert für Asien gemacht worden, sondern um weltweit neue Kundschaft hinzuzugewinnen.»

Ein Ausschnitt aus der Sammlung des Breitling-Kenners Fred Mandelbaum. Einige dieser Uhren dürften künftig auch als Vorbilder für neue Modelle dienen.
Dazu gehören neben Liebhabern eleganter Uhren eben auch Frauen. Auch hier zeige die Geschichte, dass Breitling damit in der Vergangenheit erfolgreich gewesen sei, argumentierte Kern. Die Kunst sei nun, alles unter einem Dach zusammenzufügen und für die doch sehr unterschiedlichen Produkte ein gemeinschaftliches Image aufzubauen.
So ganz hat sich die Marke schließlich nicht von der Fliegerei verabschiedet. Der Vertrag mit dem Jet-Team wurde vor nicht allzu langer Zeit verlängert und soll künftig kommunikativ besser genutzt werden. Die richtig kostspieligen Engagements in der Fliegerei sind hingegen gestrichen: Die Breitling-Flugzeugstaffel, zu der mehrere Kunstflugzeuge, offene Doppeldecker sowie die imposante historische Super-Constellation gehören, ist Geschichte.
Wie übrigens auch die Eigenmarke «Breitling for Bentley»: Die Kooperation mit dem Luxusautohersteller wird in anderer Form fortgesetzt, entsprechende (Sonder-)Modelle werden in die bestehenden Kollektionen eingefügt. Ergänzend gab Breitling auch eine Kooperation mit der alten englischen Motorradmarke Norton bekannt. Wie diese aber aussehen soll, ist noch nicht ganz klar.

Alles in einer Hand

Glasklar ist jedoch, dass Georges Kern den kompletten Breitling-Vertrieb kontrollieren will. Das funktioniert zum einen mit einer noch in diesem Jahr startenden Online-Plattform, zum anderen sollen freie Agenten durch Breitling-eigene Gesellschaften abgelöst werden. So hat Kern dem deutschen Breitling-Generalimporteur Uhren Trautmann nach fast 65-jähriger Zusammenarbeit den Vertriebsvertrag gekündigt. Stattdessen installiert Breitling eine eigene Niederlassung, die auf die technische Expertise im Nachverkaufsservice am Trautmann-Standort Karlsruhe zurückgreifen kann. Das bringt nicht nur mehr Kontrolle, sondern auch eine höhere Marge und hat einen positiven Einfluss auf das Unternehmensergebnis. Genau das erwartet schließlich der neue Eigentümer CVC – und natürlich auch Miteigentümer Georges Kern selbst.

Text: Martin Häußermann
Bilder: Breitling, M. Häußermann

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